SBB3

Sicherer, pünktlicher und stärker subventioniert: SBB 2019 © flickr

Alles Meyer? Oder: Was die 32’300 SBB-Angestellten leisten

Hanspeter Guggenbühl /  Ob mit oder ohne Meyer: Die SBB mit ihren 32'300 Angestellten befördern immer mehr Personen immer sicherer und pünktlicher.

Der auf Ende 2020 angekündigte Rücktritt des obersten SBB-Angestellten und der tödliche Unfall eines Zugbegleiters, hervorgerufen durch einen defekten Einklemmschutz einer Eisenbahn-Türe, beherrschen zurzeit die Schlagzeilen über die Schweizerischen Bundesbahnen. Das Wortpaar «SBB und Krise» tauchte in den letzten vier Wochen mehr als hundert Mal in Schweizer Medien auf. Diese negativen und personalisierenden Berichte stehen im Kontrast zu den mehrheitlich positiven Leistungen, welche die 32’300 SBB-Angestellten im Kerngeschäft der SBB vollbringen. Das gilt sowohl kurzfristig, wie das gestern veröffentlichte Ergebnis der SBB über das erste Halbjahr 2019 zeigt, als auch in Bezug auf die langfristige Entwicklung seit dem Jahr 2000.

Nachfolgend die Entwicklung von einigen Kerndaten über die SBB:

Verkehrsleistung der SBB steigt stetig

Hauptaufgabe der Bahnen ist es, Personen und Güter möglichst sicher und pünktlich von A nach B zu transportieren. Im ersten Halbjahr 2019 beförderten die SBB täglich 1,29 Millionen Personen pro Tag, 3,9 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2018. Und weil diese Personen im Schnitt weiter fuhren, stieg die Verkehrsleistung, gemessen in Personenkilometern (Pkm), gegenüber der Vergleichsperiode im Vorjahr um 6,2 Prozent.

Auch langfristig erhöhten die SBB ihre Leistung im Personenverkehr massiv, gegenüber dem Jahr 2000 um mehr als 70 Prozent. Damit ist der Schienenverkehr seit der Jahrtausendwende in der Schweiz stärker gewachsen als der Strassenverkehr, hat also Marktanteile gewonnen. Das ist primär auf die Staus auf den Strassen, den Ausbauschritt «Bahn 2000» sowie das zuverlässige SBB-Personal zurückzuführen, weniger auf Einzelpersonen wie Benedikt Weibel oder Andreas Meyer, die in dieser Zeit das SBB-Management leiteten.

Der gleiche Trend zeigt sich im Güterverkehr: So wuchs der Gütertransport der SBB von 2001 bis 2018 um rund 60 Prozent; im ersten Halbjahr 2019 schrumpfte er allerdings etwas, nämlich um 2,5 Prozent.

Sicherer und pünktlicher

Obwohl der Bahnverkehr – und damit die Belastung des Schienennetzes – stark zunahm, ist er langfristig sicherer und pünktlicher geworden. So sank die Zahl der Bahnunfälle in der Schweiz im Jahr 2018 auf weniger als einen Drittel gegenüber dem Jahr 2000. Und die Zahl der bei Bahnunfällen verletzten und getöteten Personen sank 2018 gegenüber dem Jahr 1970 sogar auf weniger als einen Achtel (siehe nachfolgende Grafik, basierend auf Daten des Bundesamtes für Statistik).

Gleichzeitig stieg der Anteil der Fahrgäste, die innerhalb einer Toleranzschwelle von drei Minuten Verspätung am Zielort eintreffen, von 85 Prozent im Jahr 2001 auf 90,1 Prozent im Kalenderjahr 2018 und auf 90,7 Prozent im ersten Halbjahr 2019. Damit sind die Schweizer Bahnen heute deutlich pünktlicher als im übrigen Europa.

Mehr Verkehr, wachsende Subventionen

Mit dem Verkehrsvolumen wuchs auch der finanzielle Ertrag der SBB, nämlich seit dem Jahr 2000 um rund 60 Prozent auf insgesamt 9,65 Milliarden Franken im Jahr 2018.
Innerhalb dieses Gesamtertrags nahm der Anteil aus dem Immobilien-Geschäft der SBB allerdings stärker zu als der reine Verkehrsertrag. Zudem wuchsen seit dem Jahr 2000 auch die Beiträge des Staates, also die Subventionen an den SBB-Verkehr, nämlich um 46 Prozent auf total 2,7 Milliarden Franken im Jahr 2018.

60 Millionen für Kunden, 26 Millionen fürs Personal

Diese 2,7 Milliarden Steuerfranken pro Jahr relativieren die Freude über die «zusätzlichen Preissenkungen und Serviceverbesserungen» im Umfang von 60 Millionen Franken, welche die SBB laut ihrer Medienmitteilung ihrer subventionierten Kundschaft im ersten Halbjahr 2019 gewährten. Mit diesem 60-Millionen-Geschenk «bedankt» sich die SBB-Leitung bei ihren Kunden «für ihre Geduld in diesem betrieblich anspruchsvollen Jahr».
Ebenfalls ein Geschenk, allerdings ein kleineres, gibt’s für das SBB-Personal, das den stetig wachsenden Bahnverkehr erst ermöglicht. So bekommen «alle dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellten SBB Mitarbeitenden als Dank und Anerkennung für den Sondereffort wahlweise zwei zusätzliche Ferientage oder eine Prämie von 800 Franken». Multipliziert man diese 800 Franken mit der Zahl von 32’300 SBB-Angestellten, so resultiert eine Summe von knapp 26 Millionen Franken. Die Mehrheit dieser Angestellten wünscht von der SBB-Leitung laut Gewerkschaften künftig mehr Kontinuität und weniger Reorganisationen.

Geldsparender Schwachpunkt

Neben den erwähnten positiven Entwicklungen (Verkehrsleistung, Sicherheit, Pünktlichkeit) gibt es bei den SBB allgemein anerkannte Schwachpunkte. Dazu gehören Mängel beim Unterhalt von Rollmaterial und Infrastruktur, schlechte Einsatzplanung des Personals sowie die technischen Probleme, die den Einsatz der neuen Doppelstock-Züge von Bombardier im Fernverkehr verzögern.

Der letztgenannte Schwachpunkt hat immerhin eine positive finanzielle Seite. So schreibt die SBB-Führung in ihrem gestern veröffentlichen Halbjahresbericht 2019: «Wegen den fehlenden Bombardier Doppelstockzügen war mehr älteres Rollmaterial im Einsatz, was die Aufwände für den Flottenunterhalt und die Abschreibungen reduzierte.» Als Folge davon sank der Betriebsaufwand gegenüber der Vorjahresperiode um 1,5 Prozent.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20110403um15_24_15

Auto oder Bahn: Wer zahlt Defizite?

Wer subventioniert wen und wieviel? Kann oder soll man Pendler zur Kasse bitten?

Bahn_Tre

Öffentlicher Verkehr

Der Stellenwert, den Bahn, Busse oder Trams haben sollen. Der Nutzen, die Kosten, die Preise.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

6 Meinungen

  • am 5.09.2019 um 17:57 Uhr
    Permalink

    «Ob mit oder ohne Meyer: Die SBB mit ihren 32’300 Angestellten befördern immer mehr Personen immer sicherer und pünktlicher», schreibt Hanspeter Guggenbühl. Die Störungen und Problemen bei der SBB, werden heute von den Medien zu Unrecht hochgespielt.

    Doch gibt es Punkte bei der SBB die diskutiert werden müssen. Es macht wirklich keinen Sinn, dass die SBB Bürohäuser baut, obwohl so viele Büros auch in der Region Zürich Leerstehen. Jetzt soll in Zürich-Oerlikon auch noch der Franklinturm hochgezogen werden. Die SBB sollte auch aus ökologischen Gründen keine Hochhäuser mehr bauen. Wohnhochhäuser und auch Bürohochhäuser sind im Bau, im Betrieb und im Unterhalt wesentlich umweltbelastender als eine Flachbauweise. Pro Quadratmeter Wohnfläche und Bürofläche sind Hochhäuser 20 bis 30 Prozent teurer.

    Die Pensionskasse der SBB investiert heute auch noch in Firmen die Kriegsmaterial herstellen, auch Atombomben und Streubomben. Klar dank den Kriegen, die in den letzten Jahren so viel Elend über Millionen von Menschen gebracht haben und der Aufrüstung, die unter Donald Trump wieder Fahrt aufgenommen hat, sind mit der Anlage von unseren Pensionskassengeldern in der Rüstungsindustrie maximale Profite zu erzielen.

    Wird es dem neuen Chef der SBB weiter erlaubt werden Hochhäuser bauen zu lassen? Gelder in die Rüstungsindustrie zu investieren? Frau Sommaruga und die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte und das Parlament könnten bei der SBB AG die Weichen neu stellen.

  • am 6.09.2019 um 12:48 Uhr
    Permalink

    Dass das Immobiliengeschäft der SBB blüht, beruht auf der Bereicherung der SBB durch Grundstücksgewinne beim Verkauf nicht mehr benötigter Areale. Das Engagement des Zürcher Vereins Noigass in Zürich zeigt, wie die SBB aus ihren Arealverkäuften Profit zu schlagen versucht. Stossend ist auch, dass sich die SBB offenbar erdreistet zu bestimmen, wo gemeinnütziger Wohnungsbau angezeigt ist und wo nicht. Hier ein Auszug aus einem Informationspapier des Vereins Noigass:
    »Die SBB erstellt auf ihren Grundstücken, die nicht mehr für die Eisenbahn gebraucht werden, Projekte wie die Europaallee und setzt dabei auf möglichst grosse Rendite.
    ›Wir haben bisher vergeblich den Zugang oder eine Mitgestaltung
    von nicht mehr benutzten Arealen der SBB gefordert‹, sagt Rebecca Omoregie, Vizedirektorin der Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Tatsächlich sind in nur gerade zwei Bahnhofüberbauungen – Letzibach und Zollstrasse in Zürich – definitiv auch preisgünstige Wohnungen vorgesehen.
    Dazu SBB-Sprecherin Lea Meyer: ›Preisgünstiger Wohnraum wird bei allen Entwicklungsarealen der SBB geprüft.‹ Aus städtebaulichen Überlegungen und wegen der angestrebten Aufwertung des ganzen Bahnhofareals, so die SBB weiter, mache eine Ansiedlung von gemeinnützigem Wohnungsbau an diesen äusserst zentralen und bestens erschlossenen Arealen oft wenig Sinn.«
    Link zum erwähnten Hintergrundbericht: http://www.noigass.ch/downloads/noi_hintergrund_rz.pdf

  • am 6.09.2019 um 17:33 Uhr
    Permalink

    Trotzdem ist es gut dass Meier geht. Mir hat ein ehemaliger Lokführer erzählt wie ein Lokführer nach dem anderen aus dem Unternehmen getrieben wurde und durch deutsche ersetzt worden sind. Natürlich günstiger versteht sich. Meyer ist einer dieser Wirtschaftsreligionanbeter . Es braucht einen echten Bähnler als Chef und keinen der alles macht um Ende Jahr mehr Geld abzukassieren.

  • am 7.09.2019 um 11:59 Uhr
    Permalink

    Als jahrelanger GA-Besitzer kann ich die Würdigung der der SBB-Leistungen nur bestätigen. Wenige kritische Beobachtungen seien trotzdem erlaub:
    – Hr. Meyer wirkte immer arrogant. Dazu gehört sein Anspruch au den exorbitanten Lohn. Meyer ist bestimmt ersetzbar.
    – Die Meinung, Leistungen wie die der SBB seien von einem CEO oder von einem Politiker abhängig ist generell falsch. Es ist die Leistung jedes einzelnen Mitarbeiters.
    – Im administrativen Bereich (Internet, Billetautomaten, Schalterbetrieb, Zugsbegleitung) bewegt sich die SBB an der unteren Grenze des zulässigen
    – Kommunikation mit den SBB im Falle von Störungen ist unmöglich. Ich kenne keine Auskunfts-Telefonnummer, die die SBB noch anbietet. Mail-Rückfragen, hoffnungslos.

  • am 10.09.2019 um 00:59 Uhr
    Permalink

    In meiner Jugend fuhr ich noch mit Dampflokomotiven auf Holzbänken in der 3. Klasse. Die Fortschritte unserer SBB sind grossartig und zu schätzenswert. Als Rentner und GA-Besitzer kann ich nur ein Loblied auf die SBB anstimmen. Ich singe dieses vor allem für das Personal der SBB, für die Gleisarbeiter, die Zugbegleiter, die Stellwerk-Angestellten, für das Personal an den Schaltern, die Arbeiter in den Werkstätten und die IT- und App-Entwickler. Ich denke, wir haben eine Eisenbahn, die weltweit als Vorzeigebeispiel gelten kann. Natürlich kann man immer etwas verbessern. Aber meckern auf so hohem Niveau ist meines Erachtens unangebracht und unanständig.
    Dass die SBB mit ihrem Grund- und Liegenschaftenbesitz lukrative Geschäfte macht kann man ihr nicht ankreiden. Diese Geschäftssparte ist andernorts anzusiedeln, dort wo alle solche Geschäfte machen; Banken, Versicherungen, Pensionskassen, Krankenkassen, Immobilienhändler, Spekulanten usw. Mit der SBB als Bahnunternehmen hat das nichts zu tun. Schön wäre allerdings, wenn die hohen Gewinne aus dieser Sparte vermehrt den Bahnkunden zugute kämen.

  • am 15.09.2019 um 20:10 Uhr
    Permalink

    Tut gut. Endlich wieder einmal ein positiver Artikel zur SBB! Und es sind vor allem die 32000 SBB-Angestellten, die den Zug am Laufen halten.
    Diese aggressive und übertriebene Kritik an der Bahn hängt auch mit der weltweit festzustellenden Tendenz zur Privatisierung des Service Publics zusammen. Die Geier suchen immer und überall nach Investitionsmöglichkeiten bzw. nach Übernahmekandidaten, denen sie die Filetstücke entreissen können. Was dann herauskommt, sieht man in GB, USA und D. Marode, unpünktliche, schmutzige, unzuverlässige Einrichtungen, die vorher einmal ganz passabel, aber eben unsexy funktionierten. Die Kosten tragen vor allem die Lohnabhängigen und die Kunden. Die Zusatzprofite gehen dann an die internationalen Finanzoligarchen. Das SBB-Bashing ist ein Vorbote dieser Entwicklung. Das bestätigt indirekt auch die Meinung von Felix von Wartburg. Der Service Public soll sturmreif geschossen werden! Die SBB benimmt sich jetzt schon wie ein Grosskapitalist. Sie soll Personen und Güter befördern und SONST NICHTS!

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...