KnechtliPeter2011

Klug und kämpferisch: OnlineReports-Gründer Peter Knechtli © www.onlinereports.ch

Basels wahrer Winner ist OnlineReports.ch

Christian Müller /  Vor einer Woche erschien die erste Ausgabe der TagesWoche. Basels Internet-Pionier Peter Knechtli wird trotzdem weiterwachsen.

Die Schweizer Medien-Branche schaut gespannt nach Basel. Journalistinnen und Journalisten, Verlagsleute und Werber, aber auch viele medienaffine Politiker erwarten einen interessanten Zweikampf: Wer geht in Basel als Sieger aus dem Medien-Duell hervor? Aus dem Medienduell zwischen der regional dominanten Basler Zeitung, die nach Einsetzung eines Chefredaktors mit wenig Feeling für die Baslerinnen und Basler in publizistische Schieflage geraten ist, auf der einen Seite, und der aus der Protest-Stimmung heraus gegründeten neuen «TagesWoche», die mit Hilfe einer steinreichen Mäzenin zum Gegenschlag ausholt, auf der anderen Seite?

Basel ist ein besonderer Platz. Die Stadt am Rheinknie war seit eh und je weltoffener und mehr zukunftsorientiert als alle anderen Städte der Deutschschweiz. Nicht zufällig wurde hier die erste Universität auf dem Gebiet der heutigen Schweiz gegründet. Nicht zufällig spielte Basel in der Entwicklung der Buchdruckerkunst (und damit der Wissenschaft und der Forschung) eine bedeutende Rolle. Und auch heute noch ist Basel weltoffen und modern – und somit national-konservativen Strömungen, wie das so schön heisst, nicht besonders hold: Die SVP erreichte bei den letzten Wahlen im Kanton Baselstadt gerade noch 16.5 Prozent Wähleranteil. Für die Einwohner des Stadt-Staates im Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich sind «Ausländer» eben vor allem Nachbarn und Handelspartner und nicht eine kulturelle Bedrohung.

Die Basler lassen sich nur ungern manipulieren

Freiheit wurde und wird in Basel immer grossgeschrieben. Und wo sie bedroht ist, gehen die Basler und Baslerinnen «auf die Strasse». Protestieren – oft auf echt witzige Art – tun die Baslerinnen und Basler nämlich gern. So etwa mochten sich die Beizen in der sogenannten Fan-Meile anlässlich der EURO 2008 dem Diktat der UEFA, nur noch Bier des Sponsors Carlsberg auszuschenken, mitnichten einfach fügen. Und Tausende von Baslern pilgerten aus Sympathie gezielt in jene Kneipen, die aus Protest ausschliesslich lokales Bier kredenzten.

Ähnlich im Medien-Bereich: Eine unter dem Label «Rettet Basel!» gestartete Website, mit der gegen die Intransparenz der BaZ-Besitzverhältnisse protestiert wird, fand schnell viele Sympathisanten. Bis heute haben rund 19’000 Baslerinnen und Basler den Protestaufruf unterzeichnet. Und gut 5000 abonnierten sogar die im Frühling angekündigte «Gegen-Publikation», die jetzt «TagesWoche» heisst und die am Freitag als gedruckte Zeitung und siebenmal in der Woche als Web-Plattform erscheint. Wohlgemerkt: sie abonnierten diese Publikation, ohne sie vorher überhaupt gesehen zu haben. Aus Protest eben.

Kein Zufall: auch das erste Schweizer News-Portal startete in Basel

Basel hat aber auch – anders als alle anderen Schweizer Städte – schon seit über zehn Jahren eine unabhängige Internet-Plattform: OnlineReports. Peter Knechtli, ein ursprünglich aus dem Aargau stammender Vollblut-Journalist, erkannte schon vor der Jahrtausendwende das Internet als Medium der Zukunft, startete 1997 mit einer eigenen Plattform und verkaufte auf seine Site im Oktober 1998 die erste Bannerwerbung. Seither ging es 13 Jahre lang aufwärts: aufwärts mit der Beachtung, aufwärts mit den Leserinnen und Lesern, aufwärts mit den Werbeumsätzen. Aus der damaligen One-Man-Show ist ein nicht mehr zu übersehendes Medien-Kleinstunternehmen geworden, mit etlichen hochqualifizierten freien Mitarbeitern und einer Handvoll Freiwilliger (darunter z.B. der brillante Kolumnist Aurel Schmidt), deren News, Berichte und Kommentare aus der Basler Polit-, Wirtschafts- und Kultur-Szene nicht mehr wegzudenken sind.

Der Anfang war nicht leicht. Peter Knechtli, vor dem Start von OnlineReports.ch Korrespondent mehrerer Schweizer Tageszeitungen, konnte nicht vom ersten Tag weg von seiner Internet-Plattform leben. Ein paar Jahre lang war er gezwungen, noch auf beiden Gleisen zu fahren, auf Print und auf Online. Aber während in den USA 2001 die sogenannte Dotcom-Blase platzte und viele meinten, damit sei auch das Internet für längere Zeit tot, bestätighte sich in Basel Knechtlis Vision, dass Online-Information mehr und mehr an Bedeutung gewinnen würde. Er arbeitete und arbeitete – und er arbeitete gut: nicht nur quantitativ konnte er zulegen, seine Analysen und Kommentare fanden auch mehr und mehr Beachtung, das Portal gewann an Profil. OnlineReports.ch ist bei Behörden, bei Politikern und Kultur-Veranstaltern eine gesetzte Institution. Tipps und Info-Hinweise kommen oft aus dem Kreis der täglichen User. Und OnlineReports.ch wird auch immer öfter zitiert – immer öfter auch im Ausland. Selbst Spiegel-online verwies schon auf Basels bekannteste Info-Plattform.

Wird OnlineReports.ch ein Opfer der TagesWoche.ch?

»Die Lancierung der TagesWoche mit ihrer Web-Plattform ist auch ganz konkret ein Angriff auf OnlineReports.ch», sagt Peter Knechtli heute. Die TagesWoche kann auf rund 30 Mitarbeitende zählen, davon 17 im journalistischen Bereich. Und das alles finanziert von der «Stiftung für Medienvielfalt», hinter der die millionenschwere Roche-Aktionärin Beatrice Oeri steht . Das ist nicht einfach für einen Kleinbetrieb wie OnlineReports, der ausschliesslich aus den Werbeeinnahmen lebt und nur zu einem verschwindend kleinen Teil auch auf Spenden aus dem Publikum in den Recherchier-Fond zählen kann – Geld, das dann auch ausschliesslich für freie Mitarbeiter eingesetzt wird.

Pessimismus allerdings sei nicht angesagt, meint Peter Knechtli kämpferisch, und hofft im neu entbrannten Basler «Medien-Krieg» auf zusätzliche Markt-Dynamik. «Ich war immer für Medien-Vielfalt. Es wäre deshalb verfehlt, wenn ich jetzt über das Erscheinen der TagesWoche jammern würde. Auch wenn die Spiesslängen der beiden Publikationen – man denke an die Sponsor-Millionen für die TagesWoche – überhaupt nicht verglichen werden können.»

OnlineReports.ch setzt auf seine Unabhängigkeit

»Vielleicht ist es kein Zufall, dass in den ersten beiden Ausgaben der TagesWoche kaum politische Kommentare zu finden sind. Die TagesWoche muss jetzt vor allem versuchen, allen zu gefallen. Und das ist schwierig. Sie wird ihre Marktposition erst finden müssen. Auch das ist kein leichter Weg,» meint Knechtli. «Wir haben ein Konzept, ein Profil, ein paar sehr gute Leute. Und wir glauben an unsere erfolgreiche Zukunft – auch jetzt. Noch spüren wir auf alle Fälle nichts davon, dass uns Leserinnen und Leser oder Werbekunden abspringen würden.»

Peter Knechtli kennt seine Möglichkeiten. Er konzentriert sich auf Basel-Stadt und Basel-Land, nimmt gelegentlich das Fricktal oder das Schwarzbubenland mit, hat aber keinen Ehrgeiz, etwa in der Ausland-Berichterstattung mit einer Tageszeitung mitzuhalten. «Natürlich, wenn etwa Beat Staufer, der Basler Maghreb-Spezialist, zu Ben Ali etwas Substanzielles zu sagen hatte, haben wir das gerne angenommen. Aber wir kümmern uns um den Grossraum Basel, um den Jura-Nordfuss, und wir leben auch von dieser Region.» Hier ist OnlineReports denn auch zur unüberhörbaren Stimme geworden.

»Journalismus ist eine Lebenshaltung»

Ob er denn so ein News-Portal je gegründet hätte, wenn er gewusst hätte, wie hart der Weg nach oben sein würde? Peter Knechtli muss nicht lange studieren. «Journalismus ist eine Lebenshaltung», sagt er. Sprich: der finanzielle Erfolg ist zwar eine Notwendigkeit, um unabhängig bleiben zu können, aber nicht das einzige Kriterium.

Der eigentliche Gewinner auf dem Platz Basel ist pkn.

Die Basler Zeitung ist in einer schwierigen Situation. Der Chefredaktor und seine nicht sehr weltoffenen Kommentare sind nach wie vor Anlass zu vielen Abo-Kündigungen. Die TagesWoche wiederum kann zwar auf Anhieb auf über 5000 Abonnenten zählen, auf Abonnenten aber, die die TagesWoche nicht aus Begeisterung, sondern vorerst einmal aus Protest gegen die BaZ abonniert haben. Und sie ist fremdfinanziert und insofern wohl nur bedingt unabhängig. – Schliesslich gibt es – drittens – noch OnlineReports.

Gäbe es jetzt eine BMM, eine Basler Medien-Meisterschaft: Auf dem obersten Podest stünde als wahrer «Winner» pkn., Peter Knechtli, der kleinste, mit seinem OnlineReports. Aus einer Vision heraus gegründet, aus eigener Kraft hochgearbeitet, rentabel und unabhängig – und trotz aller Wirtschaftskrise immer noch wachsend: das ist eine Leistung, die in der Schweiz keinen Vergleich zu scheuen braucht: Es gibt keinen Vergleich, weil es in der Schweiz kein Anderer gewagt hat, selber eine solche Plattform zu gründen. Freie Marktwirtschaft, für einmal im positivsten Sinne des Wortes.

Das Basler Pflaster ist eben anders. Weltoffen und auf die Zukunft gerichtet.

(Weitere Infos zu OnlineReports.ch siehe den Link weiter unten)

Weiterführende Informationen


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Eine Meinung zu

  • am 7.11.2011 um 09:47 Uhr
    Permalink

    Mir scheint, der gute alte Kollege Christian Müller habe bei seinem Basler Medien-Round-up seinen guten alten Aargauer Kumpel Peter Wanner vergessen: Es ist schon bemerkenswert, wie der az-Verleger mit dem «Sonntag» und der «Basellandschaftlichen Zeitung» dem Platzhirsch baz auf die Pelle rückt.

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