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Der Klimawandel wird die Weltbevölkerung in Zukunft auch gesundheitlich betreffen.. © CC

Was der Klimawandel für die Gesundheit bedeutet

D. Gschweng /  Alle reden nur vom Wetter, dabei wird aus der Klimakrise eine Gesundheitskrise, wenn die Menschheit nicht gegensteuert.

Extreme Wetterlagen verschärfen sich seit Jahren, die Pole tauen, die Hochgebirge auch. Hitzewellen häufen sich, Permafrostboden taut auf. Acht der heissesten bisher gemessenen Jahre fanden im letzten Jahrzehnt statt. Der Klimawandel kommt nicht, er ist da.

Nachrichten zum Thema drehen sich um das Wetter, um «Fridays for Future»-Demonstrationen und um höhere Steuern. Gesundheit spielt eine eher untergeordnete Rolle. Dabei treten jetzt schon Krankheiten auf, die es in Mitteleuropa bisher nicht gab, wie zum Beispiel das West Nile Fever. Womöglich kommen bald Krankheiten zurück, die schon fast als ausgerottet galten, wie Malaria. Welche uralten Krankheitserreger in den auftauenden Permafrostböden schlummern und ob sie für die Menschheit gefährlich sind, ist ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen. Auf viele Fragen gibt es noch wenig definitive Antworten. Jene Antworten aber, die es bereits gibt, sind keineswegs beruhigend.

Neue Krankheiten und schwierige Umweltbedingungen: treffen wird es alle

In der Zukunft wird die Menschheit nicht nur an neuen Krankheitserregern, sondern auch an den sich verändernden Umweltbedingungen leiden, beschreibt der «Lancet Countdown 2019», der den Einfluss des sich verändernden Klimas auf die menschliche Gesundheit untersucht hat. Die Klimakrise wird die Gesundheit der gesamten Weltbevölkerung beeinflussen, stellen 120 Wissenschaftler aus 35 Institutionen unmissverständlich fest. Besonders treffen dürfte sie – wen wundert’s – die Armen.

Die jährlich herausgegebene und im Fachmagazin «The Lancet» publizierte Studie beschäftigt sich mit allen Aspekten der Klimakrise und ihren Auswirkungen. Die Autorinnen und Autoren haben 41 Indikatoren in fünf Themenbereichen untersucht, von der Verbreitung von Krankheiten über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Erderwärmung, den Zustand der Gesundheitssysteme bis zu möglichen Gegenmassnahmen.

Dabei gingen die Wissenschaftler im Wesentlichen davon aus, dass Trends, die bereits jetzt sichtbar sind, sich in der Zukunft fortsetzen, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet. Das Jahr 2020 ist dabei besonders wichtig. Die meisten Klimastudien gehen davon aus, dass die globalen Treibhausgas-Emissionen ihren Höhepunkt 2020 erreicht haben müssen, wenn die Erderwärmung unter 1,5 Grad bleiben soll. Das Leben und die Gesundheit eines Kindes, das heute geboren wird, könnte so verschiedene Wege nehmen:

Szenario 1 – Wir machen ungefähr so weiter wie bisher
Die Massnahmen, die die Weltgemeinschaft gegen den Klimawandel ergreift, sind zu wenig effektiv. Es tauchen Klima-Kipppunkte auf, von deren Existenz wir 2019 noch wenig wussten. Die Erde wird sich um drei bis vier Grad gegenüber vorindustrieller Zeit erwärmen.

Speziell Kinder, deren Immunsystem noch nicht ausgeprägt ist, leiden vermehrt an Durchfallerkrankungen bis hin zu lebensbedrohlicher Cholera, für deren Verbreitung die Bedingungen jährlich günstiger werden. Besorgt sind Experten auch beim Dengue-Fieber: Neun der günstigsten zehn Jahre für eine Ansteckung lagen bisher in diesem Jahrtausend. Kinder erleben die schwersten Auswirkungen beider Krankheitsbilder.

Unterernährt als Kind

Das Risiko, dass Mangel- und Unterernährung das Kleinkind langfristig schädigen, steigt. Schreitet der Klimawandel fort, wird es weniger Nahrung geben. Ernten werden ausfallen, in einigen Landstrichen wird Landwirtschaft nicht mehr möglich sein – ein Trend, der schon jetzt zu beobachten ist. Hitzewellen oder andere extreme Wetterereignisse, die mehrere «Kornkammern» gleichzeitig treffen, können die Nahrungsproduktion der Welt deutlich einschränken, warnt auch eine jüngere Studie, von der «Reuters» berichtet.

Asthma als Teenager

Als Teenager muss ein heute geborenes Kind mit Schäden durch die zunehmende Luftverschmutzung rechnen. Das Verbrennen fossiler Energieträger sowie die häufigeren und längeren Waldbrände schädigen Herz, Lunge und andere wichtige Organe. Möglicherweise leidet der Teenager an Asthma. Bereits jetzt trifft das auf Millionen Menschen zu. Beispielsweise, weil sie in Städten wohnen, von denen 70 Prozent keine hinreichend gute Luftqualität haben. Diese Beeinträchtigungen summieren sich dann im Laufe seines Erwachsenenlebens.


Vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubverschmutzung (PM 2,5) pro 100’000 Einwohner nach Region. (The Lancet Countdown 2019, Fig. 16), grösseres Bild

Auch wirtschaftlich wird das Leben der heute Geborenen schwieriger werden als das ihrer Eltern, besonders dann, wenn sie in einem weniger wohlhabenden Land aufwachsen. Neben der zunehmenden Nahrungsknappheit müssen sie auch mit anderen Schicksalsschlägen fertigwerden. Aufgrund sozialer und kultureller Gegebenheiten sind im Erwachsenenleben besonders Frauen betroffen. Schäden durch Waldbrände und extreme Wetterereignisse sind in ärmeren Ländern quasi nie versichert, stellt der «Lancet Countdown» fest. Das vergrössert das Armutsrisiko künftiger Generationen. Sekundäreffekte des Klimawandels wie Migration, Armut, Zunahme bewaffneter Konflikte, aber auch psychische Krankheiten treffen die Weltbevölkerung jeden Alters. Die Welt wird unsicherer, die Zukunftsplanung wird schwierig. Für die Gesundheitssysteme ist kein Geld da.

Wirtschaftlich schwierige Zeiten

Der Klimawandel macht sich auch im täglichen Leben bemerkbar. Wahrscheinlich werden unsere Nachfahren die eine- oder andere unfreiwillige Siesta einlegen müssen. In Gebieten, in denen durchschnittlich hohe Temperaturen herrschen, führt die Erwärmung der Erde bereits jetzt zu signifikanten Arbeitsausfällen. Das trifft nicht nur arme Länder: In den südlichen Bundesstaaten der USA fielen im heissesten Monat 2018 bereits 15 bis 20 Prozent aller Arbeitsstunden wegen Hitze aus.

Im Alter von Hitze geplagt

Je älter die heute Geborenen werden, desto schwieriger wird es. Die gesundheitlichen Lasten addieren sich, die Erde wird immer wärmer. 2015 erlebten weltweit 209 Millionen Menschen über 65 eine Hitzewelle, 2018 waren es schon 220 Millionen. Besonders zu schaffen machen die steigenden Temperaturen tatsächlich den älteren Menschen. Auf viele Länder Europas oder oder Japan, wo der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung besonders hoch ist, kommen damit zusätzliche grosse Herausforderungen im Gesundheitswesen zu.

Szenario 2: Die Menschheit kriegt die Kurve
Sofortige, ambitionierte Gegenmassnahmen greifen. Die Erderwärmung bleibt unter zwei Grad, vielleicht sogar bei 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustrieller Zeit.

Ein Kind, das heute geboren wird, wird das Ende der Kohleverbrennung erleben, bevor es ein Teenager ist. Wenn es sechs Jahre alt ist, wird in Grossbritannien keine Kohle mehr verbrannt, fünf Jahre später auch in Kanada nicht mehr. Wenn es 21 ist, werden in Frankreich keine Autos mehr verkauft, die mit Benzin oder Diesel fahren. Im Jahr 2050 wird die Welt bei netto Null CO2-Emissionen angekommen sein. Dann ist aus dem Kind ein 30 Jahre alter Erwachsener geworden.

Die Veränderungen, die zur Null-Emissions-Welt führen, werden aber auch positive Folgen haben, die sich auf die Gesundheit des nun Erwachsenen auswirken: sauberere Luft, ausreichend Nahrung, gesünderes Essen, sicherere Städte und mehr Investitionen im Gesundheitsbereich. Die anfänglich hohen Kosten würden sich durch eine gesündere Bevölkerung bis dahin bereits gerechnet haben, schätzten die Studien-Autoren.

Die Realität ist…
… wir sind schlecht vorbereitet

Die Studie hat auch untersucht, welche Vorbereitungen Städte und Länder treffen, um der Zukunft zu begegnen. 2018 wurden weltweit 17 Milliarden Franken für die Anpassung der Gesundheitssysteme ausgegeben, das sind fünf Prozent der gesamten Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel. Alle gesundheitsbezogenen Ausgaben zur Anpassung summierten sich auf 45 Milliarden Franken weltweit, Tendenz: steigend. Am meisten geben Nord- und Südamerika und die europäischen Länder aus.

Die Anzahl der Länder, die Programme zur Anpassung an den Klimawandel haben und Gutachten durchführen, hat sich erhöht. Die Studie kritisiert diese Aufwände als zwar positiv, aber trotzdem ungenügend.

Die Veränderung geschehe schneller, als sich der politische Entscheidungsprozess anpassen könne. Massnahmen müssten zudem durchdacht werden. So reduzieren beispielsweise Klimaanlagen zwar die Hitzeanfälligkeit der Bevölkerung, sie benötigen aber viel Energie und verschlimmern die Luftverschmutzung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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2 Meinungen

  • am 2.03.2020 um 11:49 Uhr
    Permalink

    Gesundheit ist die Fähigkeit des Menschen alle Störungen auf ein Bild zu fokussieren und dieses Bild mit einem selbst gewählten Soll zu vergleichen. Je mehr Bild und Soll übereinstimmen, je gesünder ist der Betroffene. Klima und Wetter wirken auf die Störungen, nicht auf den Spiegel Gesundheit.

    Vor 40 Jahren haben sich Medizin und Gesundheitswissenschaften uneinvernehmlich getrennt. Die Medizin beharrt wie ein störrischer Ehemann immer noch darauf, die Hoheit über die ungetreue Gesundheit zu haben.

    Für die Gesundheit aber ist Medizin Geschichte. Gesundheit ist eine sozio- kulturelle Kategorie ohne biologische und/ oder psychologische Komponente, wie das für Krankheiten charakteristisch ist. Gesundheit ist der Spiegel, aber nicht das Gegenteil von Krankheit.

  • am 3.03.2020 um 22:44 Uhr
    Permalink

    Auch hier ist der Sünder das CO2! Methan soll bis 60x klimaschädlicher sein. Folgender Artikel zeigt, dass nicht nur unsere Kühe Methan im Uebermass produzieren: heise.de – Brüssel will weiter Öl- und Gaskonzerne subventionieren

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