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Soll Kiffen strafbar bleiben? © Brink

Reizwort Cannabis: Bund will Bussen statt Strafen

Luigi Jorio /  170'000 13- bis 29-Jährige gelegentliche Haschischraucher müssen zum Teil bei Kriminellen kaufen, die mit harten Drogen dealen.

Ein kontrollierter Cannabis-Konsum würde verhindern, dass Haschisch-Rauchende mit Dealern harter Drogen in Kontakt kommen. Das sagen Experten der Suchtprävention. Diese «Entkriminalisierung» der «weichen» Drogen würde die öffentliche Gesundheit und Sicherheit verbessern. Doch sie stösst auf Widerstand.

Das geltende Betäubungsmittel-Gesetz ist klar: Anbau, Konsum und Handel sind verboten. Gleichzeitig sieht das Gesetz von 1951 einen gewissen Toleranzspielraum vor. Zum Beispiel ist die Zubereitung einer geringen Menge dieses Betäubungsmittels für den Eigengebrauch nicht strafbar. Es obliegt den Kantonen, das nationale Gesetz anzuwenden. Sie handhaben Verbote und Sanktionen sehr unterschiedlich.

Heute betreffen drei Viertel der Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz den Cannabis-Konsum. Weil die Kantone das Gesetz sehr unterschiedlich durchsetzen, unterscheidet sich auch die Zahl der Strafanzeigen. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) kam es im vergangenen Jahr im Kanton Uri zu 3,4 Strafanzeigen auf 1000 Einwohner. Im Kanton Luzern zu 5,4, im Kanton Wallis zu 8,4. In den Städten Zürich wurden 34,2 Strafanzeigen auf 1000 Einwohner registriert und in Lausanne, Hauptstadt eines der repressivsten Kantone im Drogenbereich (Waadt), deren 51,5.

«Die fehlende Harmonisierung auf kantonaler Ebene kann Verwirrung stiften: Man weiss nicht mehr genau, ob Cannabis toleriert oder verboten ist. Man muss deshalb klarere Regeln erlassen», erklärte Jean-Félix Savary gegenüber Swissinfo. Savary ist Zentralsekretär der Westschweizer Gruppe für Suchtstudien (Grea).

Geldstrafe statt Strafrichter
Einen Schritt in diese Richtung hat in diesem Jahr das Schweizer Parlament gemacht. Die eidgenössischen Räte haben sich auf das Prinzip der Geldstrafe geeinigt, statt die erwachsenen Konsumenten strafrechtlich zu verfolgen. Der Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis soll mit einer Busse von 100 oder 200 Franken (über den Betrag herrscht noch Uneinigkeit) bestraft werden, ähnlich wie Verstösse im Strassenverkehr.

»Man geht vom Strafrecht zum Administrativrecht über, und in diesem Sinn kann man von ‹Entkriminalisierung› sprechen. Das Verbot bleibt jedoch.» Laut Jean-Félix Savary kommt dem Parlament das Verdienst zu, «grössere Klarheit zu schaffen». Denn die Gesetzesänderung erlaube eine einheitlichere Anwendung von Sanktionen in der ganzen Schweiz, erklärte die sozialdemokratische Ständerätin Liliane Maury Pasquier. So könne man eine kohärentere Diskussion in Sachen Prävention führen.

Anderer Ansicht ist die SVP. Für sie bedeutet das Bestrafen des Konsums mit lediglich einer Geldbusse ein erster Schritt in Richtung Legalisierung von Cannabis. Auch der Dachverband Drogenabstinenz Schweiz meint, dass dies eine Entkriminalisierung gegen den Willen des Volkes sei, das 2008 eine Initiative in diese Richtung abgelehnt hatte. Einmal mehr unterschätze man die Gefahr des Cannabis-Konsums, der oft zu den auslösenden Faktoren von Existenzkrisen von Jugendlichen gehöre, bedauerte der Verband in einer Medienmitteilung.

Ein Sicherheitsproblem
Jean-Félix Savary von der Westschweizer Gruppe für Suchtstudien ist anderer Ansicht: In der Vergangenheit habe man die Konsumenten hart bestrafen wollen: «Sämtliche Studien zeigen jedoch, dass die Repression gescheitert ist. Stattdessen spricht man jetzt von Reglementierung des Marktes.» Denn die Bevölkerung werde immer häufiger mit dem Drogenhandel auf öffentlichen Plätzen und der Ausbreitung mafiöser Netze konfrontiert, sagte Savary.

Tatsächlich schrieb die Bundespolizei in ihrem jüngsten Drogenbericht, dass der illegale Handel mit Cannabis die Kriminalität anziehe, weil der Haschisch-Handel ein extrem einträgliches Geschäft sei. Beunruhigend sei die Überschneidung des Cannabis-Marktes mit jenem der «härteren» Drogen wie Kokain und Heroin, der vom organisierten Verbrechen kontrolliert werde.

Alte Rezepte, neue Lösungen
In der Schweiz sollte man nach Ansicht Savarys den Kantonen und Gemeinden «einen gewissen Spielraum für das Experimentieren von Lösungen lassen, um das Problem in den Griff zu bekommen». Man müsse einige Prinzipien der alten Strategie des Bundesrats wieder in Betracht ziehen.

Das Regierungsprojekt von 2001 – später vom Parlament begraben – hatte vorgesehen, neben der Entkriminalisierung des Konsums eine bestimmte Anzahl von Verkaufsstellen zu tolerieren, bei gleichzeitigem Insistieren auf Prävention bei Jugendlichen. «Es geht nicht darum, Coffee-Shops einzurichten, sondern vielmehr um die Festsetzung einer gewissen Zahl von Regeln für Leute, die Cannabis konsumieren wollen», erklärte Savary.

Auch für das Präventionsinstitut Sucht Schweiz wäre eine Reglementierung des Marktes die beste Lösung. «Dies würde dem Konsumenten erlauben, Cannabis legal zu kaufen, und diesen Stoff damit von anderen Substanzen wie Kokain zu trennen», betonte Ségolène Samouiller, Sprecherin von Sucht Schweiz, gegenüber Swissinfo.

Und wenn Cannabis unter staatlicher Kontrolle verkauft würde, könnte man zudem die Qualität des Produktes in Sachen THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) und Pestizid-Gehalt besser kontrollieren, so Samouiller. «Es handelt sich also um einen eigentlichen Ansatz von öffentlicher Gesundheitspolitik, der die Risiken des Konsums einschränken will.» «Resultate sind wichtiger als Ideologien», sagte Savary. Sonst sei es schwierig, wirksame Lösungen zu finden, «die sowohl die Gesundheit schützen als auch die Kriminalität einschränken».

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Dieser Beitrag erschien auf swissinfo.ch und ist aus dem Italienischen übersetzt.


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