FrachtschiffHapagLloyd

Weniger Tempo auf den Weltmeeren, weniger klimawirksamer CO2-Ausstoss © Fuchs/Flickr

Mit ungeplanten Tempolimiten zum Klimaziel

Hanspeter Guggenbühl /  Trotz Versagen der Klimapolitik: Im Jahr 2020 könnte der CO2-Ausstoss erstmals seit der Finanzkrise im Jahr 2009 wieder sinken.

Reduziert man das Tempo der Frachtschiffe um nur schon 20 Prozent, sinkt ihr Verbrauch von Schweröl – und mithin der von ihnen verursachte Ausstoss von CO2 – auf weniger als die Hälfte. Diese Rechnung präsentierte der französische Reeder Philippe Louis-Dreifus dem Journalisten Stefan Brändle, der sie unter dem Titel «Entschleunigung auf den Weltmeeren» am Samstag, 15. Februar, in den CH-Media-Zeitungen verbreitete.

Philippe Louis-Dreifuss empfiehlt deshalb der internationalen Schiffsorganisation IMO, eine entsprechende Tempolimite für jene Frachtschiffe zu verordnen, bei denen Zeiteinbussen keine grosse Rolle spielen. Er selber hält sich mit seinen rund 100 Frachtschiffen bereits an diese empfohlene Reduktion der Geschwindigkeit; dies nicht, weil er ein Grüner sei, wie er betont, sondern weil sich der so erzielte Minderverbrauch an Schweröl finanziell auszahle.

Weniger Tempo, weniger Umweltbelastung

Die Idee, den Transport zu verlangsamen, um Menschen und ihre Umwelt zu schützen, beschränkt sich nicht auf die Weltmeere. Auf den Strassen haben die meisten Staaten das maximal zulässige Tempo schon vor Jahrzehnten auf 100 bis 130 km/h begrenzt. Damit verminderten sie nicht nur den Spritverbrauch und CO2-Ausstoss, sondern auch die Unfälle und Krankheitskosten. Eine der wenigen Ausnahmen ist Deutschland, das sich sonst gerne als grünes Musterland darstellt; damit ermuntert die deutsche Regierung die Autoindustrie, weiterhin Karossen anzupreisen, die doppelt so schnell fahren können, als das Gesetz in den meisten andern Staaten es erlaubt.

Über den Wolken, wo die Freiheit angeblich grenzenlos ist, könnte ein Tempolimit die Klimaerwärmung ebenfalls bremsen. So schlugen der deutsche Mobilitätsexperte Karl Otto Schallaböck und der Schweizer Tourismusforscher Hansruedi Müller vor Jahren schon vor, das Tempo für Flüge auf 400 km/h zu limitieren. In seiner Serie «Anders Reisen» griff Infosperber diesen Vorschlag letzten Sommer wieder auf und begründete unter dem Titel «Weniger weit bringt am meisten»: Ein Tempolimit für Flugzeuge würde nicht nur lange energieintensive Flugreisen unattraktiver machen, sondern für mittlere Distanzen auch zum Umstieg auf die Bahn anreizen.

Temporeduktionen der anderen Art

Die Klimapolitik konnte die vorgeschlagenen Tempolimiten auf den Meeren und durch die Lüfte (noch) nicht durchsetzen. Als wirksamere Tempobremse erweist sich hingegen – zumindest temporär – die Seuchenbekämpfung. So reduzierten zum Beispiel die Swiss, ihre Mutter Lufthansa und weitere Fluggesellschaften das Tempo auf einigen Routen auf Null, indem sie ihre Flüge nach China ersatzlos strichen. Grund: Der Corona-Virus. Dieser Virus bremst den Transport auch in umgekehrter Richtung, indem er einen Teil der Produktion in China und damit auch die entsprechenden Exporte lahmlegt. Das wiederum bedroht die von «Just in Time»-Lieferungen abhängige Produktion der Industrie in Europa und den USA. Schliesslich hemmt die sich in China rasch ausbreitende Corona-Epidemie die Reiselust: «Schweizer Tourismus mit Virus infiziert», titelte die NZZ am 14. Februar.

Wegen der Corona-Epidemie und ihren Folgen werde die Weltwirtschaft im Jahr 2020 nur noch um 2,3 Prozent wachsen. Das prognostiziert (gemäss einem Bericht von Tamedia «Chefökonom» Markus Diem vom 15. Februar in den Tamedia-Zeitungen) das Institut «Oxford Economics». Dieses Wirtschaftswachstum wäre so gering wie nie seit dem Jahr 2009, als die Finanzkrise die Weltwirtschaft am stärksten bremste.

Ein Beitrag zur Begrenzung der Klimaerwärmung

Die negative Wirtschaftsprognose ist eine positive Nachricht für alle, welche die Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen wollen, wie das der Klimavertrag von Paris verlangt. Denn das Jahr 2009 war in diesem Jahrtausend das einzige, in dem die Wirtschaftsleistung, der globale Energieverbrauch und damit die globalen CO2-Emissionen kurzfristig gesunken sind; in allen anderen Jahren sind Weltwirtschaft, fossiler Energieverbrauch und CO2-Ausstoss gewachsen (siehe Grafik über die Korrelation von Wirtschaftswachstum und Energiekonsum). Im laufenden Jahr 2020 könnte sich dieser Knick bezüglich Zunahme der CO2-Emissionen also wiederholen und damit die Klimaerwärmung bremsen.

Die Erfolgsmeldung im Kampf gegen die Klimaerwärmung hat nur einen Haken. Sie ist nicht das Resultat einer gezielten und erfolgreichen Politik. Sondern die Folge einer ungewollten Epidemie.

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4 Meinungen

  • am 16.02.2020 um 19:45 Uhr
    Permalink

    Die Hoffnung auf eine wirksame Klimapolitik, wie sie notwendig wäre, um die gesetzten Ziele zu erreichen, habe ich ziemlich aufgegeben. Es wird wohl nur über ökonomische Anreize gehen (wie bei den Frachtschiffen) und noch mehr ansteckende Krankheiten vor allem in Ballungszentren (wie durch das Corona-Virus) und zunehmende Katastrophen (vor allem immer extremere Wetterereignisse).

    Eine kleine Bitte: schreiben Sie doch lieber «das Virus» statt «der Virus». Das Wort kommt nämlich vom Lateinischen «virus = Schleim», und hat es halt das Neutrum als Genus.

  • am 17.02.2020 um 19:53 Uhr
    Permalink

    Die Geschichte zeigt, dass es seit Beginn der Industrialisierung nur dann Erholungspausen bei den CO2-Emissionen und der Umweltzerstörung gab, wenn Produktion und Konsumtion dank Wirtschaftskrisen oder Weltkriegen einbrachen. Das ist nichts Neues. Neu ist, das Schwächephasen und Zusammenbrüche im System gefährlicher geworden sind, weil soviel Gifte, Atommüll etc. rein technisch langfristig unter Kontrolle gehalten werden müssen und das setzt eigentlich eine gewisse Prosperität und Stabilität voraus.

  • am 27.02.2020 um 13:04 Uhr
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    Eine möglichst hohe CO2-Abgabe würde einige der hier vorgeschlagenen Massnahmen deutlich attraktiver machen.

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