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Der Bayerkonzern wirbt auf seiner Homepage für die Hormonspirale Mirena © Bayer

Scharfe Kritik an Pharma-Werbepraxis

Urs P. Gasche /  Der Ethikrat der österreichischen PR-Branche hat die Werbung für die rezeptpflichtige Spirale des Bayer-Konzerns scharf kritisiert.

Unter dem Titel «Unlautere Werbung für rezeptpflichtige Spirale» hatte Infosperber darüber berichtet. Der Bayer-Konzern liess erfundene positive Erfahrungsberichte über die Hormonspirale Mirena verbreiten, ohne die Problematik dieser 5-Jahres-Spirale zu erwähnen.

Für Bayer Austria gelte, schreibt der Branchen-Ethikrat in seinem Befund vom 10. September, «dass von einem Unternehmen dieser Grösse und Bedeutung erwartet werden kann, dass die Art und Weise der Auftragserfüllung vor Auftragserteilung hinterfragt und geprüft wird – insbesondere, da das Unternehmen im Gesundheitsbereich tätig ist und damit besonders strengen Regelungen (auch hinsichtlich der Kommunikation) unterliegt». Die «jahrelange und weitreichende Zusammenarbeit mit der österreichischen PR-Firma ‹mhoch3› in sensiblen Themenbereichen wie der Debatte über die umstrittene Hormonspirale Mirena ist daher scharf zu kritisieren».
«Mirena® bietet für die Dauer von 5 Jahren eine äusserst zuverlässige Verhütung ohne dass täglich/wöchentlich/monatlich an die Anwendung eines Verhütungsmittels gedacht oder etwas eingenommen werden muss.» So wirbt der Pharmakonzern Bayer für seine Hormonspirale Mirena. Kein Wort von teils schwerwiegenden Nebenwirkungen, die in den letzten 14 Jahren bekannt geworden sind. Der K-Tipp hatte schon im Jahr 2006 über grössere Probleme berichtet.
Gefälschte Erfahrungsberichte und Meinungen im Internet

Frauen, die sich unabhängig informieren möchten, konsultieren häufig Erfahrungsberichte anderer Frauen im Internet. Dort finden sich unter andern folgende Einträge von angeblich echten Erfahrungen:

  • «…also ich hab mir vor einem jahr die hormonspirale mirena einsetzen lassen und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin. hatte am anfang angst vor dem einsetzen, doch das war halb so schlimm». Olivia34, psychologie.at
  • «Ich habe mir die Mirena einsetzen lassen, ist ebenfalls eine Hormonspirale und damit hatte mein Frauenarzt sehr gute Erfahrungen bereits gemacht (…) – das kann ich voll empfehlen
  • «@ sporzal: mein tip es könnte auch eventuell nicht von der mirena kommen, sondern eventuell eine Allergie sein, ich hab das leider auch erst mal in vor kurzer zeit festgestellt, ich hatte echt total oft Kopfweh und das ist nicht lustig – das kann ich nachvollziehen». MauMau, hormonspirale-forum.de

Leserinnen solcher Einträge wurden getäuscht. Denn sie stammten aus der Küche der Wiener PR-Agentur «mhoch3». Diese hat während vieler Jahre im Internet mit gefälschten Identitäten Postings in Online-Foren veröffentlicht – bezahlt vom Hersteller Bayer.
Aus der Anleitung der PR-Agentur für ihre Schreiberlinge:

Im Auftrag von Pharmafirmen, Banken, Automarken, Reisebüros und Parteien hat die PR-Agentur insgesamt mehrere hunderttausend Postings unter falschen Namen veröffentlicht. Das geht aus einer Recherche hervor, die das österreichische Magazin «Datum» Anfang November mit dem Titel «Die Nestflüsterer» veröffentlicht hat. Die NGO «Coordination gegen Bayer-Gefahren» CBG prangert diese Werbung in sozialen Netzwerken als «unlauter» an. Jan Pehrke vom CBG-Vorstand fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen bei Bayer: «Unlautere Medikamentenwerbung hat bei Bayer Tradition. Im vorliegenden Fall sollten ganz offensichtlich die Gesetze umgangen werden, denn Werbung für verschreibungspflichtige Präparate wie Mirena ist verboten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller die Risiken von Medikamenten verharmlosen und schamlos die öffentliche Diskussion manipulieren!».
Bayer Austria erklärte bisher lediglich, sie werde die von «Datum» erhobenen Anschuldigungen «prüfen». Ende Oktober 2014 prahlte Bayer: «Bei den etablierten Pharma-Produkten wuchsen vor allem die Umsätze mit den Hormonspiralen der Mirena™-Produktfamilie mit einem Plus von währungsbereinigt 26,5 Prozent.»
Im Januar 2015 veröffentlichte Bayer Austria eine Stellungnahme: Der Sachverhalt wurde von Bayer Austria geprüft und aufgearbeitet. Dabei sind Aktivitäten einzelner Mitarbeiter festgestellt worden, die nach Auffassung von Bayer nicht im Einklang mit Compliance-Vorgaben stehen. Personelle Konsequenzen wurden gezogen. Unabhängig von der Verantwortlichkeit Einzelner bedauert Bayer Austria den Vorfall.» Bayer habe die Agentur «’mhoch3» aufgefordert, die in den digitalen Medien vorgenommenen Einträge zu entfernen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor vertritt Prämienzahlende und PatientInnen in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.

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Eine Meinung zu

  • am 17.09.2015 um 13:23 Uhr
    Permalink

    Tja, schon damals hatten wir bei der Organon AG mit den unsauberen Methoden im juristischen Graubereich im Kampf um Frauen gegenüber unseren Ärzten der Schering AG – heute Bayer – in diesem brutalen Verdrängungsmarkt zu kämpfen. Rabatte, Gratismuster, Veranstaltungen, Praxis & EDV-Ausrüstung in eindeutig verordnungsbeeinflussender, die med. Fachkenntnisse unterwandernder Weise! Auch ich wurde vom Mutterhause angehalten, gewisse Nebenwirkungen zu unseren Präparaten nicht an die grosse Glocke zu hängen, was ich in der pers. Diskussion mit den Ärzten zu den Vor- & Nachteilen jedoch nicht einhielt. Unzufriedene Anwenderinnen führen früher oder später zu einem Imageproblem, wie dies nun bei Bayer zu beobachten ist!

    Aus diesem Grunde setze ich mich nun als Patientenschützer vehement gegen Rabatte in eindeutig sicherheitsgefährdender Weise ohne jegliche ernsthafte, glaubwürdige Einforderung der Erhebung und Analyse der Indikations- und Outcomequalität, z.B. bei Managed Care Ärztenetzwerken mit Budgetverantwortung in Höhe von 70-80 und bei Versandapotheken von 30-50% ein! Rabatte über 10% gegenüber allen Leistungserbringern sind generell als verordnungsbeeinflussend zu definieren!

    Unsere Parlamentarier unterschätzen leider die Wirkung dieser Vorteilsnahmen und meinen noch immer, unsere Ärzte lassen sich bei der Verordnung nicht von Rabatten, Kickbacks beeinflussen, wahren stets die med. Sorgfaltspflicht! Das ist leider ein Trugschluss und dient nur der pers. Bereicherung!

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