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Kinder in Indonesien sind einer gigantischen Flut von Werbung für Zigaretten ausgesetzt (Bildreihe!) © Vanguard

Das tödliche Treiben von Philip Morris

upg /  Was Tabakkonzernen im Westen verboten ist, tun sie umso unverschämter in Ländern wie Indonesien. Ein Film dokumentiert Unerhörtes.

Der schockierende Dokumentarfilm «Geheimnisse der Tabakindustrie» ist ausgezeichnet recherchiert. Bereits im März 2012 ging der Film von «Current TV»* auf Youtube. Das Schweizer Fernsehen hat ihn nicht ausgestrahlt. Deshalb verlinkt ihn jetzt Infosperber und fasst wesentliche Informationen zusammen.
Konzerne wie die Marlboro-Produzentin Philip Morris kennen weder Ethik noch Eigenverantwortung, sondern überziehen ein ganzes Land mit ihren tödlichen Produkten. In Indonesien konnte deren Lobby-Tätigkeit bisher mit Erfolg verhindern, dass Tabak per Gesetz als abhängig machendes Suchtmittel behandelt wird. Deshalb gibt es in diesem Markt mit 240 Millionen Kunden praktisch keine Einschränkungen der Tabakwerbung, und für Kinder keine Rauchverbote. Die Werbung der Tabakkonzerne ist überall präsent: Im Fernsehen, auf den Strassen und an unzähligen öffentlichen Orten wie Fussballstadien oder Rockkonzertbühnen, die von Tabakkonzernen gesponsert sind. Kinder und Jugendliche können im ganzen Land von fliegenden Händlern einzelne Zigaretten für weniger als fünf Rappen kaufen. Die Menschen begegnen keinen Informationen darüber, wie schädlich und tödlich das Rauchen ist. Keine Warnhinweise beim Verkaufen. Nichts.
In der Hauptstadt Dschakarta kostet ein Päckli Zigaretten 90 Rappen. In New York hat der frühere Bürgermeister Michael Bloomberg dafür gesorgt, dass ein Päckli 11 Franken kostet, die Tabakwerbung verschwunden ist und weitreichende Rauchverbote gelten. Bloomberg befürchtet, dass dieses Jahrhundert weltweit noch über eine Milliarde Menschen an den Folgen des Rauchens sterben werden. Tabak sei der «grösste, einzelne Killer» und das Rauchen die «grösste vermeidbare Todesursache».
70 Prozent der Männer rauchen
Weil den Tabakkonzernen ihr Geschäft in den USA und in Europa vermiest wurde, erobern sie umso aggressiver die grossen «Märkte» in Entwicklungs- und Schwellenländern. Mit Erfolg: In Indonesien rauchen unterdessen 70 Prozent der Männer, ebenso die meisten Jugendlichen und immer mehr Kinder. Die Konzerne wissen es genau: Jeder zweite Kettenraucher stirbt an den Folgen des Rauchens. Doch in der Zigarettenwerbung sind Warnungen vor Gesundheitsschäden nicht ersichtlich. Die Konzerne tun alles, was nicht verboten und geahndet wird, um ihren Zigaretten-Absatz zu steigern. Ihre Werbung fährt die alte Masche mit Freiheit und Abenteuer.

Allein Philip Morris gibt in Indonesien pro Jahr 200 Millionen Dollar für Werbung und Marketing aus. Davon werde kein Cent ausgegeben, um Kinder und Jugendliche anzusprechen, behauptet Anne Edwards im Film, Sprecherin von Philip Morris International. Tatsächlich aber richten sich gesponserte TV-Sendungen wie «Wer wird der grösste Rockstar», Fussballspiele und viele andere Events zu einem schönen Teil auch an Jugendliche. Ebenso die riesigen Reklame-Bildschirme auf öffentlichen Plätzen in Grossstädten (siehe Bildreihe).
Philip Morris-Sprecherin Edwards meint schliesslich im Film-Interview: «Wenn wir die Zigaretten hier nicht verkaufen, tun es einfach andere.» Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Gleichzeitig lobbyieren Konzerne bei Parlamentariern und Regierungen, um jegliche gesetzlichen Restriktionen für Werbung und Verkauf zu verhindern. Als weiter auszubauende Eldorados gelten nach Indonesien die bevölkerungsreichen Länder Südafrika, Kolumbien, Mexiko, Pakistan und China.
Konzern angeblich für «wirksame Regulierung»
Auf seiner Webseite macht der Konzern nicht mit Bildern, aber im Text darauf aufmerksam, dass Rauchen abhängig macht und Krebs erzeugen kann. Der Konzern unterstütze auch eine «wirksame Regulierung», allerdings nur eine, die den Schaden vermindert (harm reduction). Eine solche Regulierung würde nicht das Rauchen verhindern oder vermindern wollen, sondern den Schaden, den das Rauchen anrichten kann («Harm reduction is a policy approach to a harmful activity which seeks to reduce the harm caused by the activity rather than to prevent the activity itself.»).
Doch in der ganzen 200-Millionen-Dollar-Werbung in Indonesien ist nichts zu lesen und zu hören, wie Raucherinnen und Raucher das grosse gesundheitliche Risiko vermindern könnten. Es wird bis zum Ende dieses Jahrhunderts in den Entwicklungs- und Schwellenländern mit insgesamt über 800 Millionen nikotin-bedingten Todesfällen gerechnet – es sei denn, dort greifen die gleichen Massnahmen wie in New York und Europa.

Current TV war von 2005 bis 2013 ein US-TV-Sender. Aktionäre waren u.a. Al Gore, Joel Hyatt und Ronald Burkle. Anfang 2013 verkauften die Aktionäre den Sender an das in Katar stationierte Unternehmen Al Jazeera Media Network. Al Jazeera ersetzte Current TV durch den Sender Al Jazeera America.

Siehe auch «Die Tabak-Industrie pusht das Rauchen mehr denn je» vom 28.8.2012.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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3 Meinungen

  • am 10.12.2013 um 14:28 Uhr
    Permalink

    Wirklich ein Skandal! Kann man da bei der UNO klagen?

  • am 10.12.2013 um 23:41 Uhr
    Permalink

    "If we stop selling cigarettes, somebody else is going to do it instead.» – Die Sprecherin von Philips Morris bei Minute 39:30. Woher nur kenne ich dieses Argument?

  • am 11.12.2013 um 12:17 Uhr
    Permalink

    Woher? Von der Krieggewinnlerin CH (Waffenlieferantin) und Hehlerin CH (Steuerhinterziehung, viele Kantone).

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