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Der kritisierte Bayer-Monsanto-Konzern sieht von einer Klage gegen die «taz» nun doch ab. © taz

«Bayer-Monsanto-Konzern verdient an Krebsleiden gleich doppelt»

Urs P. Gasche /  Die «taz» nennt es ein «Krebs-Rundumpaket»: Zuerst Milliarden mit Glyphosat verdienen und dann mit Medikamenten gegen Krebs.

Zuerst wollte der Bayer-Monsanto-Konzern der Berliner Tageszeitung «taz» verbieten, die oben abgebildete Titelseite zum Pestizid Glyphosat weiter zu verbreiten und im Archiv aufzubewahren. Doch die «taz» wehrte sich mit Erfolg dagegen.
Es war im 24. Oktober 2018, als die Zeitung auf der Titelseite die Persiflage eines Pharmainserats abbildete mit dem Untertitel: «Der Bayer-Konzern vertreibt Glyphosat, ein Mittel, das wohl Krebs verursacht. Er verkauft aber auch eines, das Krebs heilen soll.»
Auf einer Wolke schwebte eine Sprühflasche mit dem Glyphosat-haltigen Pestizid «Roundup» und dem Werbespruch «Super: macht Krebs».
Rechts daneben das Bayer-Medikament «Aliqopa», welches für die Krebsart indiziert ist, welche Wissenschaftler auch mit Glyphosat in Verbindung bringen. Darauf der Werbespruch «Super: heilt Krebs».
Der Bayer-Konzern wollte die Zeichnung nicht als Satire verstehen und beauftragte einen spezialisierten Medienanwalt, die «taz» abzumahnen: Die Zeitung solle sich verpflichten, nie mehr zu behaupten, Glyphosat verursache Krebs, und die beanstandete Titelseite aus dem Archiv löschen. Falls die «taz» nicht spure, drohte Bayer mit einem Prozess und einer Strafe.
Den weltweit tonnenweise versprühten Unkrautvertilger Glyphosat hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft. Letztes Jahr kaufte der deutsche Pharmakonzern Bayer für über 60 Milliarden Dollar den US-Konzern Monsanto, der unter anderem Glyphosat herstellt. Seither muss Bayer für allfällige Schadenersatzforderungen wegen Glyphosat aufkommen.
In den USA hat ein Geschworenengericht die Bayer-Tochter Monsanto zu Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt, weil «Roundup» zu einer Krebserkrankung eines Mannes erheblich beigetragen habe. Tausende weitere Klagen sind hängig.

Die «taz» wehrt sich mit Erfolg
Viele Medien krebsen zurück, wenn sei von Konzernen Abmahnungen oder Klagedrohungen erhalten. Sie glauben, sich den zeitlichen und finanziellen Aufwand nicht leisten können, um sich zu wehren.
Die «taz» aber griff zu einer rechtlichen Möglichkeit, die auch Verlagen in der Schweiz zur Verfügung stünde: Sie reichte selber gegen den Bayer-Konzern eine «negative Feststellungsklage» ein. Ein Gericht soll feststellen, dass die Zeitung die Titelseite weiterhin verbreiten darf, und dass Bayer nicht mehr das Gegenteil verlangen kann. Verliert Bayer eine solche negative Feststellungsklage, müsste der Konzern auch die Kosten des Gerichtsverfahrens und der Anwälte der «taz» zahlen.
«Wenn wir bei der ‹taz› eine dreiste Abmahnung erhalten, empfehle ich eigentlich immer eine negative Feststellungsklage», erklärte «taz»-Rechtsanwalt Johannes Eisenberg in der «taz». Denn wenn diese Leute mit einer peinlichen und selbstverständlich öffentlichen Niederlage vor Gericht rechnen müssen, «dann sitzt ihnen das Abmahnungswesen vielleicht nicht mehr ganz so locker».
Eisenberg hatte recht: Bayer wollte es nicht auf ein Gerichtsurteil ankommen lassen und teilte dem «taz»-Anwalt mit: «Unsere Mandantin [Bayer] verpflichtet sich rechtsverbindlich, gerichtlich nicht gegen die von Ihrer Mandantin als Satire eingeordnete Berichterstattung auf dem Titelblatt der vorzugehen.»
Eisenberg kommentierte: «Die Beklagte [Bayer] wollte eine kritische Berichterstattung mit Drohungen unterbinden und hat jetzt Sorgen, dass diese Drohung ins Leere geht. Allein deshalb will sie den Prozess nicht. Sie kneift.»
Negative Feststellungsklagen auch in der Schweiz
Nach Drohungen mit Klagen könnten auch Schweizer Medien zum Rechtsbegehren einer negativen Feststellungklage greifen, so lange noch keine Klage rechtshängig ist, erklärt der Luzerner Medienanwalt Rudolf Mayr von Baldegg auf Anfrage. Medienanwalt Anreas Meili bestätigt dies. Doch offensichtlich greifen Verlage in der Schweiz selten zu dieser Möglichkeit des schweizerischen Prozessrechts.
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Hintergründe über Glyphosat im Infosperber-DOSSIER:
«Der Unkraut-Killer Glyphosat»

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Weiterführende Informationen


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4 Meinungen

  • am 20.02.2019 um 11:51 Uhr
    Permalink

    ‹Die Zeitung solle sich verpflichten, nie mehr zu behaupten, Glyphosat verursache Krebs,…›
    Nichts verursacht Krebs, auch Glyphosat nicht. Da muss man Monsanto völlig recht geben. Aber vieles begünstigt Krebs, so wohl auch Glyphosat, nur ist begünstigen etwas völlig anderes als verursachen.

  • am 20.02.2019 um 14:56 Uhr
    Permalink

    "Man MUSS vertrauen» höre ich so oft, wenn Zweifel geäussert werden.
    Die professionell arglistige Minderheit hat beim Täuschen leichtes Spiel mit der arglosen Masse von hochspezialisierten Fachidioten , geistig betäubt von Wegwerf-Konsum u. Sport-Events. Demnächst gibts noch Glücksgefühle mit CBD u. THC in der schönen neuen Welt.

  • am 25.02.2019 um 15:59 Uhr
    Permalink

    Ich glaube, die TAZ hat hier unbewußt ein Törchen geöffnet, das den Blick in die Hölle, in den unverstellbaren Abgrund boshafter Gier offenbart.
    Ich glaube, dieses Zusammenspiel ist eigentlich selbstverständlich in unserer westlichen Gesellschaft. Krebs verursachen und dann mit elendig teuren Therapien gegenrechnen. Ein wahnwitziges Geschäftsmodell, alleine der Glaube daran, dass dies so sein könnte, da klingelt der gesunde Menschenverstand und sagt: «das kann doch gar nicht sein!"
    Nur leider, wieso nicht. Menschen werden rund um das Mmittelmeer wie Vieh geschlachtet, in der westlichen Welt wimmelt es nur so vor Grauen, blickt man in die Geschichte. Zu glauben, das sei alles Vergangenheit, das ist vielleicht einfach nur verblendet. Wer weiß.

  • am 25.02.2019 um 16:34 Uhr
    Permalink

    @Rolf Schrader: Das zuständige Gericht in den USA und die WHO sind offensichtlicher anderer Meinung als Sie. Das Gericht hat sich dabei sicher nicht auf blosse Vermutungen gestützt. Ob Verursachen oder Begünstigen: Ich betrachte das als Haarspalterei.

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