Thomas_Cueni

Thomas Cueni, hier in einer Club-Sendung von SRF © srf

Gezielte Irreführung von Thomas Cueni, Interpharma

upg /  Um hohe Medikamentenpreise durchzusetzen, verschafft er sich Zugang zu Bundesräten, Amtsdirektoren, Parlamentariern und Medien.

Thomas Cueni ist Geschäftsführer der Pharma-Lobbyorganisation «Interpharma», finanziert von Novartis, Roche, Actelion, Pfizer, Merck, Bayer etc. Interpharma steht im Ruf, die mächtigste Lobby im Land zu sein. Sie sponsert Parteien, Politiker, Universitäten und Ärzte. «Viele der sogenannten Gesundheitspolitiker hängen am Tropf der Pharmaindustrie», sagt Professor und Chefarzt Thomas Cerny, langjähriger Präsident der Krebsliga Schweiz.

Manipulative Agumentation

Der hoch bezahlte Lobbyist beherrscht zahlreiche Tricks der Rhetorik. Seinen Gesprächspartnern wirft Cueni gerne vor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Er selber ist in dieser Disziplin ein Meister. Ein Beispiel lieferte er in der heutigen Sendung Kontext von Radio SRF 2. Cueni wollte weismachen, wie bescheiden und unbedeutend doch die Ausgaben für Medikamente sind: Wir gäben in der Schweiz 65 Milliarden (jährlich) für das Gesundheitswesen aus, argumentierte er, doch die Kassen würden «nur etwa vier Milliarden» für Medikamente zahlen, also lächerliche sechs Prozent.

Doch damit hat Cueni – nicht wie allenfalls seine Gesprächspartner Äpfel mit Birnen –, sondern Äpfel mit Früchtekuchen verglichen, und ausserdem mit einer falschen Zahl geschummelt:
• Bei den 65 Milliarden handelt es sich um sämtliche Ausgaben, die mit der Gesundheit in irgendeinem Zusammenhang stehen.
• Davon zahlten die Krankenkassen im Jahr 2012 für die obligatorische Grundversicherung 25 Milliarden Franken.
Von diesen 25 Milliarden betrug der Anteil der Medikamente, die den Kassen direkt verrechnet wurden, über 5,6 Milliarden Franken (also keinesfalls «nur etwa 4 Milliarden», wie von Cueni behauptet, sondern 40 Prozent mehr). Aus der offiziellen Statistik des BAG für das Jahr 2012 geht hervor, dass die Apotheken den Kassen für kassenpflichtige Medikamente 3275 Millionen Franken verrechneten, die selbstdispensierenden Ärzte 1639 und die Spitalambulatorien 700 Millionen Franken, zusammen also 5,6 Milliarden. Dazu kommen viele teure Medikamente, welche die Spitäler bei stationären Aufenthalten abgeben und die in den Spitalpauschalen enthalten sind. Mindestens zur Hälfte gehen diese Spitalmedikamente ebenfalls zu Lasten der Kassen. Es kommen deshalb nach Angaben von Josef Hunkeler, langjähriger Medikamentenspezialist beim Preisüberwacher, zusätzlich rund 400 Millionen dazu. Das macht zusammen 5,9 Milliarden Franken, welche die Medikamente den Kassen kosten. Das sind hohe 23,6 Prozent jedes Prämienfrankens.
In keinem Land Europas verschlingen Medikamente einen so hohen Anteil an den gesamten Kassen-Ausgaben.
Pro Kopf der Bevölkerung müssen die Krankenkassen in der Schweiz für Medikamente fast 50 Prozent mehr ausgeben als die Kassen in Holland, und 26 Prozent mehr als in Deutschland (zum kaufkraftbereinigten Wechselkurs von 1.32 umgerechnet).
Diese Zahlen verbreitet die Lobbyorganisation Interpharma in ihren Hochglanzbroschüren und PowerPoint-Präsentationen nicht. Deshalb sind sie auch in den Medien selten anzutreffen.

SENDUNG HIER HÖREN

Siehe «Bund sichert Pharmaindustrie überrissene Einnahmen»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war Teilnehmer an der Diskussionsrunde der Sendung Kontext von SRF 2 vom 13.3.3013 mit Thomas Cueni, Interpharma, und Andreas Schiesser, Santésuisse.

Zum Infosperber-Dossier:

Lobbyist_Hand

Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

10 Meinungen

  • am 13.03.2013 um 11:52 Uhr
    Permalink

    Hmmm, warum bin ich nicht überrascht? Warum gibt es Stimmen, die behaupten, dass gewisse Gesetze nicht in Bern, sondern an anderen Orten (Basel?) geschrieben wurden uind werden? Warum ist die Pharma nicht aus dem Wissen heraus eine Macht, sondern aufgrund der Finanzkraft?
    Die Politik ist leider von der Pharma (nicht nur, aber sehr stark) unterwandert. Es werden Gesetze verabschiedet, die in erster Linie der Pharma nützen, dann evtl. am Rande auch noch ein bisschen dem Bürger. So auch das Epidemiengesetz, das Tierseuchengesetz und, wäre es durchgekommen, auch das Präventionsgesetz.
    Es braucht in der Politik Veränderungen, die aber nur das Volk herbeibringen kann. Es gibt zwar durchaus auch volksnahe Volksvertreter, die sind in Bern aber in der Minderheit. Denn Zustände, wie Sie immer näher an die Schweiz kommen (Ungarn, Italien, Spanien, Portugal usw.) will hier in der Schweiz niemand, nehm ich mal an. Noch geht es dem «normalen Scxhweizer» relativ gut: der Fernseher läuft und der Kühlschrank ist voll. Noch!

  • am 13.03.2013 um 13:14 Uhr
    Permalink

    Ich denke, nach Economiesuisse ist Interpharma der nächste Verband, der zurecht herunter geholt wird.

  • am 13.03.2013 um 15:47 Uhr
    Permalink

    "Der hoch bezahlte Lobbyist beherrscht zahlreiche Tricks der Rhetorik….» die rethorischen Tricks dieses zynischen Pharma-Zuhälters sind mir beim Kontext heute morgen auch unangenehm aufgefallen, ziemlich frech und unkultiviert, möchte ich noch anfügen. Man könnte auch anständig geschäften.
    Seit dem KK-Obligatorium ist immer mehr kollektives Geld zu holen, das wird schamlos ausgenützt. Die Konsumhaltung der Versicherungsnehmenden erleichtert diese Praxis. Die Eigenverantwortung der Versicherten muss dringend gestärkt werden.
    Danke, Herr Urs P. Gasche, ich fand Ihren Diskussionsbeitrag sehr gut und fundiert.
    Frage: gibt es nicht eine HP mit all nutzlosen oder gefährlichen und deshalb zurückgezogenen Medikamenten?

  • am 13.03.2013 um 20:15 Uhr
    Permalink

    Hallo Herr Lachenmeier, ich empfehle Ihnen diesbezüglich das Buch von Philippe Even und bernard Debré » Guide des 4’000 Médicaments utiles, inutiles ou dangereux – Le Cherche-Midi 2012". Entsprechender Link zu finden auf der Facebook-Seite «Faire Medikamnentenpreise"

  • am 14.03.2013 um 09:47 Uhr
    Permalink

    Es geht ja nicht «nur» um faire Preise, sondern um die Nützlichkeit von Medikamenten; bzw deren Gefährlichkeit! Mit einem leichtgläubigen «Patientengut» hat das Kartell ein leichtes Spiel…
    ZDF «Das Pharmakartell» in youtub:
    http://www.youtube.com/watch?v=dKtzuXo-riI
    http://naturheilt.com/blog/die-pharmaindustrie-wie-wir-patienten-belogen-werden/
    H5N1 antwortet nicht – Auf der Suche nach dem Killervirus
    http://www.youtube.com/watch?v=Q9-ha2timl4

  • am 14.03.2013 um 11:25 Uhr
    Permalink

    Tatsächlich sind die hier genannten gravierenden Schwachstellen – sozusagen systemische Schwachstellen – in der Schweiz seit langem bekannt. Warum ändert sich trotzdem in dieser Richtung kaum etwas? Weil ein korrumpiertes Parlament das verhindert. Und es betrifft nicht allein nur den Pharmamarkt.

  • am 14.03.2013 um 17:43 Uhr
    Permalink

    @Lachenmeier: Es gehr sehr wohl um „faire Preise“. Das Parlament fordert das WZW-Kriterium „Zweckmässigkeit“ gemäss KVG Art. 32 Abs. 1 im finanziellen Interesse der Industrie und des Bundes (Steuererträge, Arbeitsplatzsicherung) weder bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste (SL) noch bei den wiederkehrenden Preisüberprüfungsrunden bewusst ein! Bei der Umsetzung dieses Kriteriums könnte die Behandlungsindikation, die Therapiesicherheit und der Behandlungsnutzen nach Markteinführung des neuen Präparates ‚praxisgerecht’ gegenüber der medizinisch im Nutzen bestens bekannten Standardtherapie einer jeweiligen Erkrankung abgeklärt werden. Diese Erkenntnisse liessen sich in einer leistungs- und kostengerechten Steuerung umsetzen. Ohne Qualitätssicherung und Nutzenerhebung basiert aber alles nur auf Annahmen. Das öffnet dem Marketing der Pharmaindustrie Tür und Tor für finanzielle Fehlanreize bei der Verordnung und Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten. Zusammen mit der Ärzteschaft kann so ein eigentliches ‚Condition Branding’ zu deren wirtschaftlichen Vorteilen betrieben werden. Der Arzt handelt schlussendlich zum angeblichen, aber nie überprüften Nutzen des Patienten und empfiehlt ihnen zu deren Sicherheit weitere med. Untersuchungen, Massnahmen und/oder medikamentöse Interventionen. Wenn schon der Arzt den Nutzen nicht kennt, wie soll dann der Patient – in 95% aller Fälle nicht medizinisch ausgebildete Mitbürger – die Zweckmässigkeit der empfohlenen Therapie beurteilen können?! In Treu und Glauben folgt doch der Patient meistens den Empfehlungen seines behandelnden Arztes infolge des leicht missbräuchlichen und korrumpierbaren Arzt-Patientenverhältnisses durch die Pharmaindustrie und ‹konsumiert› entsprechend. Herr Lachenmeier, im finanziellen Interesse sind Ärzte sehr schnell leichtgläubig:

    „Wir haben einen globalen Pharmamarkt. Wir haben (in Deutschland) keine nationalen Zulassungen mehr. Wir haben 90% der Medikamente, die von der europäischen Arzneimittelagentur zugelassen werden. Die Gefahr geht nicht von den Phase 1 Studien aus. Die Gefahr geht davon aus, dass diese Studien, die methodisch besser sind von den pharmazeutischen Herstellern als viele akademische Studien, die falschen Botschaften vermitteln. Die Daten sind manipuliert, im Nutzen übertrieben und letztlich Schäden auch verschwiegen werden. Ich glaube, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir diese Situation verbessern. Das werden wir nur können, indem wir die unabhängige Forschung unmittelbar nach der Zulassung stärken. Das werden wir nur tun können, indem Ärzte nicht mehr von den pharmazeutischen Herstellern über ihre Produkte informiert werden, sondern indem wir unabhängige Fort- und Weiterbildung haben. Ich finde es geradezu absurd, dass sich ein Mediziner zu 90/95% nach Zulassung eines neuen Wirkstoffes von der Industrie mit Hochglanzbroschüren über die Vorteile, und geringen Nachteile natürlich, dieses Wirkstoffes informieren muss. Das führt genau zu dem, was Frau Horel gesagt hat. Wir haben nur 20, maximal 20% der Wirkstoffe, die neu zugelassen werden, die wirklich innovativ sind. D.h. sie bedeuten einen therapeutischen Fortschritt. Die meisten sind überflüssig und wir kriegen diese Information nicht zu den verschreibenden Ärzten und darum müssen wir kämpfen!“

    Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

    Deshalb wird das WZW Kriterium „Zweckmässigkeit“ weder von Bundesrat Berset, noch von Pascal Strupler (Bundesamt für Gesundheit), Jürg Schnetzer (Swissmedic) und unseren Parlamentarier(inne)n umgesetzt. Es geht schlicht und einfach um viel zu viel Geld! Solange man die Kosten noch auf die Prämien- und Steuerzahler verteilen kann …

  • am 14.03.2013 um 18:17 Uhr
    Permalink

    @Andreas Keusch, vielen Dank, dem kann ich gewiss beipflichten. Ich hatte keineswegs geschrieben, es gehe nicht um die Kosten, sondern nicht «nur". Viele Medikamente schaden mehr als nützen, welche? Ist es nicht ein verwerfliches «Länzgi-und-Dieb-Spiel": Innovation/Pseudoinnovation und die «Länzgi» erfüllen ihre Aufgabe in freundschaftlicher Rücksicht und Gemächlichkeit, vielleicht auch Abhängigkeit… Dann gibt es auch noch den Nocebo-Effekt, eine tolle Möglichkeit für dauernde Kundenbindung.

  • am 14.03.2013 um 20:37 Uhr
    Permalink

    @Lachenmeier: Hier den gesunden ‹volkswirtschaftlichen› Mittelweg/Nutzen zu finden, ist nicht ganz einfach und die grosse Herausforderung für unseren Gesetzgeber. Gemäss der Gesamtschau des Bundesrates «"Gesundheit 2020 – Die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates» sollten aber stets die Menschen und deren Wohlbefinden im Mittelpunkt jeglicher Massnahme stehen. Grosse Worte, aber leider nichts …. , wie Sie korrekt festgestellt haben!

  • am 15.03.2013 um 21:09 Uhr
    Permalink

    Die Antwort ist ganz einfach. Es geht um Geld. Um sein Geld. Er muss tun was von oben befohlen, sonst gefährdet er sein Einkommen. Man beisst die Hand nicht welche einem füttert. Wir sind nicht mehr Schweiz, sondern eine Geldoligarchie. Gstaad, Davos und St. Moritz sind die Hauptsitze und/oder Ferienorte der 30 Familien welche die 300 Grosskonzerne besitzen, welche 97% des Weltkapitals in den Händen halten. Sie diktieren was in unserem Lande zu geschehen hat, welcher Angestellte was wo zu sagen hat. Indirekt, diskret, unauffällig. Und viele nehmen gerne die rosarote Brille an, welche sie dem Volke anbieten. Demokratie ist weitgehend eine Illusion geworden. Und viele hoffen, bettelnd neben den Tischen der Supermagnaten, das für sie auch ein paar Brotkrummen vom Tische fallen. 30’000 da, ein Verwaltungsratsmandat dort, eine als Weiterbildung getarnte Ferienreise dort für Aerzte, u.s.w. Es ist nur eine Frage der Zeit bis der Volkszorn durchbricht, und es zu einem Aufstand des Gewissens kommt, der schnell sehr blutig werden könnte. Ich denke es ist nicht mehr zu verhindern, eine Umkehr richtung sozialer Gerechtigkeit ist nicht mehr möglich, es ist zu spät. Auch die Zückerlein wie die gewonnene Abzockerinitiative wird von diesen Firmen sehr schnell geschickt umgangen, die Lachen ja nur, und denken das der Dampf jetzt draussen ist und dass das Volk sich nun wieder beruhigt. Doch die Menschen sind nicht mehr wie vor 50 Jahren Autoritätsgläubig, sie sind nicht mehr so dumm, das Volk hat dazugelernt.
    Wir brauchen eine neue Verfassung, die Entkoppelung von Regierung und Wirtschaft. Denn Geld heisst der neue Gott, und er muss in die Schranken gewiesen werden.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...