190515_Amtsgericht_H_T

Der beklagte Arzt verlässt mit Anwältin Martina Felser das Amtshaus © TeleBärn

Dem Betrüger-Arzt drohen Freiheitsentzug und Landesverweis

Urs P. Gasche /  Er praktizierte munter weiter, obwohl die Behörden ihm die Praxisbewilligung entzogen hatten. Er ist vorbestraft*.

Zum ersten Mal stand der Arzt H.T. am 15. Mai im Berner Amtshaus öffentlich vor Gericht. Als Straftat wirft ihm das Gericht eine Praxistätigkeit trotz Praxisverbot vor. Der Allgemein-, Hals-, Nasen- und Ohrenarzt hatte trotz Praxisverbot mindestens zwei Monate lang weiterhin rechtswidrig Patientinnen und Patienten behandelt. Die während dieser Zeit verrechneten Kosten von über 66’000 Franken fordern Krankenkassen zurück. Unter anderen die Krankenkasse Swica tritt als Privatklägerin auf. Gleichzeitig klagt eine seiner Patientinnen wegen Körperverletzung, weil er ihr während dieser Zeit mehr als ein Dutzend Spritzen verabreicht hatte. Das berichtete Tele-Bärn und die Berner Zeitung, dessen Journalisten vor Gericht anwesend waren.
Vor Gericht wurde erwähnt, dass H.T. vorbestraft ist*. Der Staatsanwalt fordert eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Zudem soll eine vor zwei Jahren bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 18’000 Franken nun fällig werden. Ausserdem verlangt er einen fünfjährigen Landesverweis für den Deutschen Arzt. Dies berichtet die Berner Zeitung. H.T. lebt seit 2001 in der Schweiz, arbeitet jedoch seit Anfang 2019 im Bezirk Bregenz im österreichischen Vorarlberg als Arzt für Allgemeinmedizin.

Eingeschriebenen Brief abgeholt, aber angeblich nicht gelesen

Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass ihm die Bewilligung entzogen worden sei, verteidigte sich der Beschuldigte vor Gericht. Er habe zwar Anfang November 2017 den eingeschriebenen Brief des Kantonsarztamts auf der Post abgeholt, jedoch nicht geöffnet: «Ich muss das wichtige Schreiben vergessen oder verlegt haben. Das war keine Absicht.»
Jedenfalls ist der Arzt in dieser Hinsicht ein Wiederholungstäter: Bereits den Strafbefehl mit der Verurteilung wegen gewerbsmässiger unrechtmässiger Bereicherung und Urkundenfälschung, der ihm im März 2017 per eingeschriebenem Brief und auch per A-Post zugestellt wurde, will Arzt H.T. nicht gelesen haben.
Nach einem Strafbefehl habe er zum zweiten Mal auch das Praxisverbot nicht zur Kenntnis genommen, stellte der Richter ungläubig fest. Er vertagte die Verhandlung noch am Mittwoch, um noch die Akten der Gesundheits- und Fürsorgedirektion einzuholen und eine weitere Zeugin zu befragen.
Bis zu einem rechtskräftigen Urteil, das erst in der zweiten Jahreshälfte erwartet wird, gilt die Unschuldsvermutung.

Infosperber hatte bereits am 28. Januar 2018 vor diesem Arzt gewarnt
Den Namen* des Arztes H.T. hatte Infosperber im August 2017 genannt und am 28. Januar 2018 mit weiteren Informationen erneut vor ihm gewarnt. Der Allgemein-, Hals-, Nasen- und Ohrenarzt war im Kanton Bern auch als Schularzt und Vertrauensarzt im Strassenverkehr tätig.

  • Der Hausarzt blieb wochenlang unerreichbar. Seine Patientinnen und Patienten vertröstete er per automatischen E-Mails und auf seiner Webseite von Woche zu Woche («Die Praxis ist betriebsbedingt diese Woche geschlossen.»). Sie hatten wochenlang keinen Zugang mehr zu ihren Krankengeschichten. Der Arzt beantwortete weder E-Mails noch Telefonanrufe, berichteten Patienten.
  • Grossen Krankenkassen zahlte er die betrügerisch abgerechneten Leistungen trotz rechtskräftiger Verurteilung nicht zurück.
  • Die Ärztegesellschaft des Kantons Bern, deren Mitglied er war, wusste von der Verurteilung angeblich nichts und eröffnete kein Verfahren.

Im Januar 2018 stellte Infosperber dem Arzt H.T. folgende Fragen:

    Warum behandeln Sie trotz Verbot weiter? Warum zahlen Sie aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls die geschuldeten Honorare noch immer nicht zurück? Warum informieren Sie Ihre Patienten nicht über die Einstellung Ihrer Praxis? Warum gaben Sie Ihren Patienten keine Möglichkeit, ihre Krankengeschichten abzuholen?

Diese Fragen liess der Arzt unbeantwortet.

Infosperber kam zum Schluss, dass die Patientinnen und Patienten das Recht haben, informiert darüber zu entscheiden, ob sie sich (neu oder weiterhin) von einem Arzt behandeln lassen möchten, obwohl dieser Behandlungen zu Lasten der Kassen und der Patienten während zwei Jahren betrügerisch abrechnete, die betrügerisch erworbenen Honorare nicht zurückzahlte und seinen Patientinnen und Patienten mehr als zwei Monate lang den Zugang zu ihren Krankengeschichten wie Diagnosen, Laborbefunde oder Röntgenbilder verweigerte.

Ein Praxisarzt ist zwar selbständig erwerbend, profitiert aber vom Vertragszwang der Kassen und ist eingebunden ins steuer- und prämienfinanzierte Gesundheitswesen. Es wird deshalb ein besonders sorgfältiger Umgang mit den Finanzmitteln erwartet. Unrechtmässig erworbene Honorare belasten die betroffenen Patienten mit zu viel Selbstbehalten oder Anteilen an der Franchise. Unrechtmässig belastete Honorare und Kosten gehen zu Lasten der Krankenkassen, was im Endeffekt zu höheren Prämien für alle führt.
Aus allen diesen Gründen hatte Infosperber den vollen Namen des Arztes genannt und eine Foto von ihm von seiner Webseite veröffentlicht.

Arzt verlangt von Infosperber 120’000 Franken Schadenersatz

Im Dezember 2019 hatte Arzt H.T. Infosperber vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland wegen Ehrverletzung eingeklagt. Weil er wegen der Namensnennung auf Infosperber nach der Praxisschliessung keine neue Stelle gefunden habe, fordert er 120´000 Franken Schadenersatz für entgangenes Einkommen. Zusätzlich verlangt H.T. eine Genugtuung in Höhe von 15’000 Franken wegen eines «schweren seelischen Schmerzes, welcher sich in Schlaflosigkeit, einer konsternierten Deprimiertheit sowie existentiellen und finanziellen Ängsten äussert» (so seine Anwältin).
Bei beiden Summen seien 5 Prozent Zins ab dem 21. August 2017 zusätzlich zu berechnen.
Am 20. März wies Infosperber die Klageforderungen des Arztes vollumfänglich zurück. Das Verfahren ist hängig.

Geprellte Kassen und Patienten dürften leer ausgehen

Geprellte Krankenkassen, von denen sich der Arzt H.T. rechtswidrige Rechnungen auszahlen liess, sowie Patientinnen und Patienten, die zu viele Franchise-Anteile und Selbstbehalte zahlten, müssen ihre Forderungen wahrscheinlich ans Bein streichen. Denn gemäss Auskunft des Betreibungsamts Bern-Mittelland ist der Arzt mit unbezahlten Forderungen von insgesamt fast 240’000 Franken verschuldet. Für 30’500 Franken sind Verlustscheine ausgefüllt. Unter den Gläubigern befinden sich die Steuerverwaltung, die Gemeindeverwaltung, eine Grossapotheke und verschiedene Krankenkassen.

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*Den vollen Namen des Arztes nennt Infosperber nicht mehr, weil Patientinnen und Patienten sowie andere Krankenkassen nicht mehr gewarnt werden müssen. Auch bei den früheren Artikeln haben wir aus diesem Grund den Namen gelöscht.
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Infosperber-Artikel vom 21. August 2017
«Dieser Arzt ist ein uneinsichtiger Betrüger»
Infosperber-Artikel vom 28. Januar 2018
«Betrüger-Arzt lässt seine Patientinnen und Patienten im Stich»
Infosperber-Artikel vom 12. Februar 2018
«Dieser Arzt lässt seine Patientinnen und Patienten weiter im Stich»
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*Fälschlicherweise hiess es zuerst, H.T. sei in Deutschland vorbestraft. Vorbestraft ist er vielmehr in der Schweiz durch einen rechtskräftigen Strafbefehl von 28. März 2017 wegen gewerbsmässig unrechtmässiger Bereicherung und Urkundenfälschung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor vertritt die beklagte Schweizerische Stiftung zur Förderung Unabhängiger Information SSUI, welche die Online-Zeitung Infosperber herausgibt. Die Klage ist noch hängig.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 20.05.2019 um 08:20 Uhr
    Permalink

    Keine Zeit um Briefe, Eingeschrieben, zu lesen, aber Zeit um gegen Infosperber zu klagen. Peinlich an der ganzen Sache die Ärztegesellschaft des Kantons Bern, Gesundheitsdirektion des Kantons und die KK, die wegschauten oder gutgläubig zahlten. Ein unabhängiges Portal muss den Skandal aufdecken! Typisches Beispiel das im Gesundheitswesen nicht der Patient, Kunde, im Mittelpunkt steht!

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