Kommentar

Adie Fasnacht: War das ein Drama?

Linda Stibler © Claude Giger

Linda Stibler /  Ein herber Schmerz für FasnächtlerInnen, aber durchaus verkraftbar. Übrig beibt ein mulmiges Gefühl. Ein Rückblick.

In Basel sind die «drei scheenschte Däg» vorbei. Sie waren nicht schön und für alle, die sich vorher darauf gefreut hatten, eine herbe Enttäuschung. Trotzdem: Kinder und Erwachsene trösteten sich, boten einige Fantasie auf, um sich dennoch zu treffen, sangen anstatt zu pfeifen und zu trommeln, lachten zusammen und kreierten sofort bissige Sprüche auf die obrigkeitlichen Massnahmen.
Für alle jene, die die Fasnacht nicht mögen, sich über den unausweichlichen Räpplisegen ärgern und sich vor dem ständigen Lärm zu Hause einbunkern oder fliehen, war das wunderbar.
Positiver Effekte auch für die Umwelt – quasi eine erholsame Verschnaufpause. Insbesondere die gigantischen Abfallberge wurden für einmal vermieden. Und das Übermass an Fasnachtstouristen blieb ebenfalls aus, auch wenn jene, die das Weltkulturerbe gerne bestaunt hätten, natürlich bitter enttäuscht waren.

So weit so gut oder so ungut. Alles im grünen Bereich? Nein! Zurück bleibt ein mulmiges Gefühl: Die an Hysterie grenzende Verbreitung von Angst im Umgang mit dieser neuen Krankheit hat sich über kurze Zeit hochgeschaukelt. Es kam groteskerweise in vielen Läden zu Hamsterkäufen, als ob eine Katastrophe bevorstünde. Kein Wunder, standen auch die Behörden unter Druck. Zuerst hielt man stand und der Bundesrat riet als Landesvater unermüdlich und verdienstvoll zum Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen.

Dann aber kamen die Verbote: Ums Himmels Willen nur keine Todesfälle! Zwar gehören Todesfälle zu jeder Krankheit und generell zum Leben, aber das Risiko will keiner wahrhaben. Der Staat soll bitte dafür sorgen, dass es verschwindet. Es ist den Behörden daher kein Vorwurf zu machen, dass sie Massnahmen ergriffen. Doch man ist weit davon entfernt, zu wissen, ob diese Massnahmen auch etwas brachten oder bringen. Wissen kann man höchstens, dass solche Viren sich an keine Grenzen und keine Verbote halten. Wissen könnte man auch, dass sich das weltweite Ausbreiten von neuen Krankheiten in regelmässigen und immer kürzer werdenden Abständen zeigen wird.

Das gilt im Übrigen auch für invasive Pflanzen und Tiere, die andere Arten bedrängen, deren Einwanderung man aber ebenso wenig verhindern kann. Denn die Ursache liegt in der Globalisierung, im ungebremstem Austausch von Gütern und Menschen. Hier müsste man umdenken und sich fragen, wie nötig und sinnvoll das ist oder ob es nicht an der Zeit wäre, unsere Lebensweise zu verändern? Oder anders gefragt: ist die Alternative dazu, dass wir in immer kürzeren Abständen unter Notstandsmassnahmen leben sollen?

Und gerade an diesem Punkt taucht eine unheimliche Vorstellung auf: Diese globalisierte und nur auf Profit ausgerichtete Lebensweise mit ihren weltumspannenden Risiken ruft geradezu nach diktatorischen Entscheiden, die langsam aber sicher die demokratischen Strukturen aushebeln.

Wir kehren zurück an die Basler Fasnacht, zu einem eher harmlosen Beispiel. Es waren einige Leute auf der Strasse zu beobachten, die sich trotz allem gemeinsam trafen, die Kinder in ihren Kostümen trösteten, oder sich selber etwas schadlos halten wollten, auch mal den Stachel des Widerstands zeigten. Denn schliesslich – und das muss ja auch noch gesagt werden – wurde in den benachbarten deutschen Städten und Dörfern unverdrossen Fasnacht gefeiert. Doch in Basel war die Polizei nicht als Ordnungsmacht, sondern als Drohung präsent – sehr zurückhaltend und freundlich, aber unübersehbar. Die Leute sollten keine Kostüme tragen, keine Musik spielen, nicht trommeln und pfeifen und sich nicht zusammenrotten. Das alles auf der Allmend, die allen gehört. In Baselland wurde sogar vorübergehend der Ausschank in jenen Restaurants verboten, wo sich Leute zum gemeinsamen Feiern treffen wollten. Die Polizei setzte bei vereinzelten Zuwiderhandlungen gar Tränengas ein. Das gibt zu denken: Wie schnell sind unbestrittene Bürgerrechte weggewischt!

Kommt hinzu, dass diese Verbotsserie unglaubliche wirtschaftliche Schäden verursacht. Angefangen bei den Restaurants und Hotels, aber auch bei den Zulieferern, bei den unzähligen temporären Arbeitskräften, die natürlich selten Arbeitsverträge hatten, bei den bereits eingekauften und sogar schon zubereiteten Lebensmitteln. Versicherungen decken solche Schäden selten. Und es ist absehbar, dass die öffentliche Hand einspringen muss, um die schlimmsten Ausfälle abzumildern. Profitieren werden die Grossen und leer ausgehen werden die Kleinen. Auch das gehört in die schöne neue Welt!


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2 Meinungen

  • am 8.03.2020 um 12:03 Uhr
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    Danke, Frau Stibler, für diesen tollen un-hysterischen Artikel. Diese ganze Corona-Panik geht mir schon so dermassen auf die Nerven, dass ich gestern am liebsten mit den ungehorsamen Frauen in Zürich mitmarschiert wäre. Zeit dazu hätte ich gehabt, das geplante Konzert im KKL fand ja nicht statt. Es ist überall zu hören und zu spüren, dass diese drastischen Massnahmen die Menschen verunsichern: «Wenn die Regierung solche Verbote ausspricht, dann muss die Situation viel schlimmer sein, als wir denken.» Eigentlich eine verständliche Schlussfolgerung – also wundert euch nicht über sinnlose Hamsterkäufe etc.

  • am 8.03.2020 um 12:27 Uhr
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    Wer bist du, Corona Virus? «Ein Teil von jener Kraft, die Krankheit zeugt und dann Gesundheit schafft». Wie das? Verhaltensänderung ist möglich. Kein «Mehr», sondern weniger. Weniger Grossevents mit Grossmüllabfuhr, weniger Verkehr, weniger Reiserummel, mehr Orientierung am Kleinen, Lokalen, Begrenzten. Schade nur, dass die Motive dieser Änderungen auf Angst und Zwang beruhen, statt auf Einsicht und Zukunftsvertrauen.

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