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Nicht überall gibt es noch Feuerwerk zu kaufen. © cc

1. August-Feuerwerke sind nichts für Herz- und Lungenpatienten

Carlo Schuler /  Die kurzzeitige Belastung mit Feinstaub und Gasen kann Atemnot und Asthma auslösen. – Kein Feuerwerk in Olten wegen CO2-Emissionen.

Die Raketen und Böller zum Nationalfeiertag produzieren sehr viel Feinstaub. Dieser kann für Menschen mit Herz- oder Lungenkrankheiten problematisch sein. Marianne Geiser, Professorin und Lungenforscherin an der Universität Bern rät diesen Personen davon ab, sich in der Nähe eines Feuerwerks aufzuhalten.
Etwas Anderes sind eventuelle gesundheitliche Folgen, die bei wiederholten Belastungen mit Feinstaub allenfalls erst im Laufe vieler Jahre auftreten. Diese Langzeitfolgen sind noch kaum erforscht.

Die Zahlen sind eindrücklich: Rund 1800 Tonnen Feuerwerkskörper werden in der Schweiz pro Jahr verkauft. Beim Abbrennen werden verschiedene Schadstoffe freigesetzt. Unter anderem gelangen so rund 320 Tonnen Feinstaub in die Umwelt. Dies entspricht rund zwei Prozent der jährlichen Feinstaubemissionen in der Schweiz.

BAFU: «Feuerwerk kann Mensch und Umwelt belasten»
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) verweist auf den von ihm im Jahre 2014 verfassten Feuerwerks-Bericht. Die vorhandenen Daten würden zeigen, dass kurzfristige, durch Feuerwerk verursachte Feinstaub-Anstiege für Personen mit Herzkreislauf- oder mit chronischen Atemwegserkrankungen „problematisch“ sein können, erklärt ein Sprecher des BAFU. Für gesunde Personen hingegen habe die Belastung „keine oder vernachlässigbare Auswirkungen“ auf die Gesundheit.

Was auffällt: Das BAFU kommuniziert in diesem Zusammenhang sehr zurückhaltend und vorsichtig. Das mag am vielleicht als „heikel“ empfundenen Thema liegen. Und erstaunt doch: Immerhin geht es dabei unter anderem auch um das Wohlbefinden von Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Und es geht um die Frage, ob eine Reduktion des Feinstaubausstosses in der erwähnten Grössenordnung eigentlich nicht ein erstrebenswertes Ziel sein müsste. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Feuerwerkerei in der Bevölkerung umstritten ist. Das zeigten etwa die vielen positiven Reaktionen nach dem ruhigen 1. August vom letzten Jahr.

Erst auf nochmalige Nachfrage hin „präzisiert“ das BAFU seine Aussagen: „Die zwei Prozent tragen zeitlich und örtlich begrenzt zur Feinstaubbelastung massgeblich bei. Feuerwerk kann Mensch und Umwelt belasten.“

„Fenster und Türen geschlossen halten“
Zwei Prozent mag auf Anhieb nach nicht sehr viel tönen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich aber um einen ausgesprochen hohen Wert. Dieser wird – am 1. August, an Silvester und weiteren Festen – nämlich innert weniger Stunden erreicht. Es braucht wenig Rechenkünste um nachzuweisen, dass in den Abendstunden des 1. August die entsprechenden Werte um ein zig-faches höher liegen als an einem gewöhnlichen Abend des Jahres.
Es sei tatsächlich so, dass die genannte Menge an Feinstaub von Feuerwerken grösstenteils innerhalb weniger Stunden am 1. August und an Silvester erzeugt werde, sagt Basil Thalmann, Umweltchemiker an der Zürcher Hochschule für An-gewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil. „Für diese kurze Zeitdauer sind zwei Prozent relativ viel.“ In Abhängigkeit von der Wetterlage könnten deshalb auch Belastungsspitzen in den Stundenwerten von über 100 ug/m3 gemessen werden. Bei einem „konzentrierten“ Feuerwerk wie etwa beim Züri Fäscht könnten die Spitzen noch viel höher liegen. „Gesundheitlich angeschlagenen Personen mit Atemwegserkrankungen ist deshalb geraten, während der Dauer von Feuerwerken Fenster und Türen geschlossen zu halten.“

Dominik Brunner von der EMPA meint, im Hinblick auf die kurzfristige Belastung seien Feuerwerke auf jeden Fall relevant. An Silvester stelle sich noch das Problem, dass sich im Winter die Schadstoffe schlechter vertikal verteilen und dadurch stärker in Bodennähe akkumulieren würden.

Im Prinzip seien die Langzeitfolgen kurzfristiger Feinstaubemissionen in der Betrachtung der durchschnittlichen Langzeitbelastung (Jahresmittel) enthalten, erklärt Meltem Kutlar Joss vom Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH). Dies sei beispielsweise so in der Schweizer SAPALDIA-Studie dokumentiert. Einmalige Spitzenbelastungen würden minimalst zur langfristigen Belastung beitragen: „Man weiss auch, dass die Folgen langfristiger Belastung schwerer wiegen als jene kurzfristiger Belastungen.“

Studien wären extrem aufwändig
Marianne Geiser, Professorin und Lungenforscherin am Institut für Anatomie der Universität Bern, war an einer Studie beteiligt, welche sich mit den gesundheitlichen Folgen von Feuerwerken in China befasste. Was die Situation in der Schweiz betrifft, so verweist Professorin Geiser auf den erwähnten Bericht des BAFU aus dem Jahre 2014. Die kurzfristige, aber signifikante Belastung der Luft mit Feinstaub und Gasen durch das Abbrennen von Feuerwerk sei in dieser BAFU-Publikation gut dokumentiert. Die problematischen Stoffe und ihre möglichen gesundheitlichen Folgen seien somit ebenfalls bekannt: „Es steht zweifelsfrei fest, dass solche einge-atmeten Emissionen für Personen mit bestehenden Herzkreislauf- und Lungener-krankungen unmittelbare Folgen haben können.“ Professorin Geiser erwähnt dabei als mögliche Beispiele Atemnot, das Auslösen eines Asthmaanfalles oder die Ver-schlimmerung eines vorbestehenden Krankheitsbildes. Betroffenen Personen wer-de daher empfohlen, die Nähe eines Feuerwerkes zu meiden. Das gelte auch für andere empfindliche Personengruppen.
Die möglichen langfristigen gesundheitlichen Folgen einer oder mehrerer, in grösseren zeitlichen Abständen erfolgenden Expositionen für empfindliche Personen seien kaum erforscht: „Entsprechende Studien wären sehr schwierig durchzuführen und mit einem extrem hohen Aufwand verbunden.“

Die Verantwortung für allfällige konkrete Massnahmen schiebt das BAFU den Kan-tonen und Gemeinden zu. Diese hätten die Kompetenz, das Abbrennen von Feu-erwerk zeitlich zu begrenzen. Deshalb seien bundesweite Einschränkungen „zurzeit nicht angezeigt“.


Raketen mit Russpartikelfiltern oder Katalysatoren wären eine schöne Erfindung, gibt es jedoch nicht. (Bild: Postillion)
Olten will keine Feuerwerke mehr
Die Stadt Olten allerdings hat einen Ausstieg aus der Feuerwerkerei bereits beschlossen. Der Stadtrat von Olten hat nämlich entschieden, künftig auf städtische Feuerwerke an der Bundesfeier zu verzichten. Stadtschreiber Markus Dietler nennt verschiedene Gründe. So hätte in der Vergangenheit das Feuerwerk wegen der herrschenden Trockenheit nicht abgefeuert werden können, weil der Kanton ein Feuerwerksverbot erlassen hatte. Dietler meint, das dürfte in Zukunft wegen der Klimaentwicklung noch vermehrt vorkommen. Bei der letzten Absage im vergangenen Jahr habe es aus der Bevölkerung zahlreiche positive Rückmeldungen gegeben. Dies wegen dem wegfallenden Lärm und der so vermiedenen Luftverschmutzung. Im vergangenen Jahr sei zudem im Parlament ein Postulat mit 34:2 Stimmen erheblich erklärt worden, welches den Stadtrat beauftragte, Alternativen zu diesem städtischen Feuerwerk zu prüfen. Die Umsetzung war erst im Jahr 2020 vorgesehen.

Das Ganze sei aber im vergangenen März durch die vom Parlament angenommene Forderung nach einer Ausrufung des Klimanotstandes des lokalen OK Klimastreik überlagert worden. Der Stadtrat entschied deshalb, auf das Feuerwerk an der Bundesfeier bereits ab diesem Jahre zu verzichten.

Migros und Denner stellen Verkauf grösstenteils ein

Gemäss Migros-Sprecherin Angela Zollinger hat die Genossenschaft Migros Aare den Ausstieg aus dem Verkauf von Feuerwerk bereits im Dezember 2018 be-schlossen. Die Migros Ostschweiz und die Migros Luzern verzichten seit Anfang Juli 2019 auf den Feuerwerksverkauf. Die Migros Basel und die Migros Zürich ver-kaufen noch bis zu diesem 1. August Feuerwerk. Danach stellen sie den Feuer-werksverkauf komplett ein. Somit wird die Migros nur noch im Tessin und in der Westschweiz entsprechende Ware verkaufen.

Die genannten Genossenschaften würden aufgrund der Klimaentwicklung und der damit verbundenen Planungsunsicherheit auf den Verkauf von Feuerwerk verzich-ten, so Zollinger. In den kommenden Jahren sei mit sehr trockenen und heissen Sommern wie 2018 zu rechnen. Mit dem generellen Verkaufsverzicht würden künf-tig die Umwelt, Mensch und Tier entlastet.

Ebenfalls kein Feuerwerk verkauft Denner, dies jedenfalls in den firmeneigenen Filialen. „Der Feuerwerksverkauf ist für uns kein Thema“, teilt Denner auf Anfrage mit. Gründe seien ökologische Bedenken, trockenes Wetter und die sinkende Nachfrage.

Lidl, Aldi und Coop verkaufen weiterhin Feuerwerk.

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Infosperber-DOSSIER: Giftstoffe in der Umwelt
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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor ist auf freier Basis journalistisch tätig.

Zum Infosperber-Dossier:

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Gifte und Schadstoffe in der Umwelt

Sie machen wenig Schlagzeilen, weil keine «akute» Gefahr droht. Doch die schleichende Belastung rächt sich.

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Eine Meinung zu

  • am 1.08.2019 um 14:31 Uhr
    Permalink

    Warnung an alle: leben ist lebensgefährlich!

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