Kommentar

Sprachlust: Es ging fast ohne Schmierenkampagne

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  So ähnlich sie klingen: Schmierenkampagne und Schmierentheater sind verschiedenen Ursprungs. Und mit dem Wahlkampf nicht verwandt.

Gab es vor den Wahlen vom vergangenen Wochenende Schmierenkampagnen? So nennt man ja neuerdings bisweilen das Schlechtmachen, das Beschmieren des Gegners. Anläufe dazu kamen vor: Verunglimpft wurden etwa Bundesrätin Sommaruga, die Berner Nationalrätin Kiener Nellen, ihr Bündner Kollege Brand oder die Parteipräsidenten Darbellay und Müller. Aber verglichen mit dem «negative campaigning» in den USA, bei dem Angriffsflächen systematisch gesucht und attackiert werden, waren das läppische Versuche; richtige Schlammschlachten würden hierzulande kaum goutiert.
Und doch zeigt ein Blick in die Mediendatenbank SMD, dass dieses Jahr, wie schon vor vier Jahren, das Wort «Schmierenkampagne» doppelt so häufig in der Schweizer Presse auftrat wie sonst; mit durchschnittlich zwei Nennungen statt einer pro Monat allerdings auf bescheidenem Niveau. Ein zweiter Blick zeigt indessen, dass die Häufung gar nichts mit den eidgenössischen Wahlen zu tun hatte: 2011 ging es fast nur um Affären im Ausland (von einem Leserbrief zu einem ausländerfeindlichen Inserat der SVP abgesehen), und dieses Jahr verhalfen Zürcher Wahlen dem Begriff zur Mini-Konjunktur; einmal ging es um ein Friedensrichteramt, dann immerhin um den Regierungsrat.
Kommt mit dem Wort die Sache?
Wenn früher fast nur von Schmierenkampagnen im Ausland die Rede war, so hat das vermutlich nicht nur damit zu tun, dass «so etwas» vor allem dort vorkommt, sondern auch mit dem Wort selber: Im angelsächsischen Sprachraum ist «smear campaign» ein etablierter Begriff, und «to smear» kann auch beschmieren im Sinn von verleumden bedeuten. Nachrichten aus anderen Weltgegenden kommen ebenfalls häufig auf Englisch zu uns.
Immerhin gibt es auch im Deutschen einen althergebrachten Anknüpfungspunkt: das Schmierentheater, an das vielleicht manche denken, wenn sie von einer Schmierenkampagne reden oder hören. Freilich besteht ein Schmierentheater nicht darin, dass man jemanden anschmiert – oder höchstens in dem Sinn, dass man das Publikum anschmiert, das heisst betrügt, indem man ihm für eine miserable Aufführung Geld abknöpft. Denn «Schmierentheater» bedeutet gemäss Online-Duden «provinzielles, niveauloses Theater»; auch «Schmiere» allein wird so verwendet. Das Wort stammt von «Schmer» ab, Schweinefett wie im Schmerbauch. Es ist sehr vielfältig; neben der fettigen Schmiere, die irgendwo aufgetragen wird, wird es auch für allerhand widerwärtiges, minderwertiges Zeug verwendet.
Keiner stand bei Fifa Schmiere
Bei diesem verächtlichen Wortsinn führt das Grimm’sche Wörterbuch auch die Schauspielerei von Wandertruppen an, während das Digitale Wörterbuch (dwds.ch) einen Umweg über «schmieren» für «unsauber schreiben» annimmt. Tollkühn und unbelegt ist die Annahme, das Schmierentheater heisse so, weil die Wandertruppen jemanden Schmiere stehen liessen, um sich vor dem Eingreifen der Obrigkeit warnen zu lassen. Diese Art Schmiere hat nichts mit allen anderen, fettigen zu tun, sondern «Schmiere stehen» kommt nach einhelliger Erklärung der Wörterbücher via Jiddisch und Rotwelsch vom hebräischen «schmira», Wache.
Auch das Schmiergeld hat einen erstaunlichen Umweg hinter sich: Laut der deutschen Fachzeitschrift «Der Sprachdienst» ist es nicht etwa das Geld, das bezahlt wird, damit etwas läuft wie geschmiert, sondern es hat seinen Namen wahrscheinlich vom «Schmieren bzw. Salben der Hände, um sie für eigene Zwecke weich und gefügig zu machen». Da schliesst sich ein Kreis zum Wort «Schmierenkampagne» in Schweizer Zeitungen: Dieses Jahr kam es auch zum Einsatz, als die Frage noch offen war, was beim Fussballverband Fifa laufe: «Schmiergeld oder Schmierenkampagne?» Anders gefragt: Hände gesalbt oder Köpfe beschmiert?
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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Eine Meinung zu

  • am 25.10.2015 um 19:25 Uhr
    Permalink

    Ich liebe Ihre Kolumnen, Herr Goldstein. Das wollte ich Ihnen einfach einmal sagen.

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