Teixeira

Alex Teixeira: Für 50 Millionen Euro sichert sich Jiangsu Suning die Dienste des Fussball-Profis © Football.ua/Wikimedia Commons/cc

Chinas Fussballclubs im Kaufrausch

Peter G. Achten /  Fussballzwerg China will an die Weltspitze – um jeden Preis. Clubs investieren Unsummen in Top-Spieler und Trainer aus dem Ausland.

Nimmt man das analoge und digitale Nachrichtenrauschen der letzten Wochen zum Massstab, wird China in nicht allzu ferner Zukunft die Fussball-WM ausrichten, ja sogar Weltmeister werden. Und wer weiss, vielleicht wählt die Fifa ja irgendwann einmal einen Chinesen – einen waschechten Kommunisten, igitt! – zu ihrem Präsidenten!

Das alles mag dereinst passieren, gegenwärtig allerdings dümpelt der Fussball, zumal die chinesische Super League mit ihren 16 Teams, noch träge dahin. In China sind die europäischen Ligen weit populärer und für Wetten einträglicher als das heimische Schaffen.

Mehr Fans im «Joggeli» als im Arbeiter-Stadion

Zwar hat sich der Fussball von den Skandalen der Nullerjahre erholt. Damals wanderten der Präsident und der Vizepräsident des Chinesischen Fussball-Verbandes sowie mehrere Spieler, Schiedsrichter und Trainer wegen Korruption, Spielmanipulationen und Wettskandalen ins Gefängnis. Heute ist der Fussball mehr oder weniger sauber. Die Fans allerdings sind noch nicht in Massen in die Stadien zurückgekehrt. Als bekennender FCB-Fan (FC Basel und FC Beijing Guoan) muss Ihr Korrespondent feststellen, dass im Basler «Joggeli» mehr Zuschauer die Spiele ihrer Mannschaft verfolgen als im Pekinger Arbeiter-Stadion. In China sind die Sportarten Ping-Pong und Basketball halt nach wie vor beliebter als Fussball.

Das wird sich, wenn nicht alle Zeichen trügen, in absehbarer Zeit ändern. Denn Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping ist ein bekennender Fussballfan. Schon in der Schulzeit soll er lieber nach dem runden Leder getreten haben als Ping-Pong zu spielen. Auch Xi’s Vor-vor-vor-vor-Gänger, der «Grosse Vorsitzende» Mao Dsedong, soll der Legende nach als «überragender Torhüter» gewirkt haben. Und überhaupt: Den Europäern und zumal den Engländern sei ein für allemal ins Stammbuch geschrieben, dass man im Reich der Mitte bereits vor über 2000 Jahren mit einem Lederball gekickt hat. Mithin haben also die Chinesen – wie so vieles – auch den Fussball erfunden.

«Das Volk hat Sehnsucht nach Fussball»

Gegenwärtig ist China noch immer ein Fussball-Zwerg, aktuell auf Rang 82 der Fifa-Weltrangliste. Erst einmal konnte sich die Nationalmannschaft für eine WM qualifizieren. China wurde im Jahr 2002 Gruppenletzter mit 0 Treffern und 9 Gegentoren – eine noch heute tief empfundene «Schmach». Und das ausgerechnet in den Nachbarstaaten Südkorea und Japan. Doch Japan und Südkorea haben es mit ausländischer Hilfe den Chinesen vorgemacht. Heute sind die asiatischen Konkurrenten den Chinesen weit voraus.

Bereits 2011, ein Jahr vor Machtantritt, formulierte Parteichef Xi seine Fussball-Wünsche: «China soll sich für eine WM qualifizieren, eine WM austragen und eine WM gewinnen.» Xi, der für die Nation den «Chinesischen Traum» ökonomisch, sozial und kulturell skizziert hat, ist sich sicher, dass das «Volk Sehnsucht nach Fussball» hat. Fussball war offenbar auch Thema auf höchster Parteiebene. So forderte die amtliche Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China) die «Wiederbelebung des chinesischen Fussballs». Vor einem Jahr gaben Partei und Regierung die entscheidende Losung aus: «Eine Wiedererstarkung des Fussballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer grossen Sportnation.»

Den Worten folgten Taten. In Grund- und Mittelschulen steht neuerdings Fussball auf dem Lehrplan. Rund 30‘000 Fussball-Internate mit mehreren hunderttausend Schülern wurden gegründet. Das Know-how wird mit ausländischen Jugend-Trainern importiert.

Ein riesiger Wachstumsmarkt

Auf Xi‘s vielen Ausland-Reisen ist Fussball immer wieder ein Thema. Bei einem Staatsbesuch in Grossbritannien liess er sich beim Premier-League-Club Manchester City blicken. Kein Zufall, denn eine chinesische Investorengruppe mit der staatlichen CITIC Capital und der privaten China Media Capital (CMC) stieg mit 377 Millionen Euro oder 13 Prozent der Anteile bei der City Football Group (CFG) ein. Der von Abu Dhabi gesteuerten City Football Group gehören die Clubs Manchester City, New York City, Melbourne City und teilweise der japanische Verein Yokohoma an.

Wie das CFG-Beispiel zeigt, sind Chinas Unternehmer und Investoren nicht nur weltweit in verschiedenen Industrie-, Agrar- und Dienstleistungsbereichen sehr aktiv. Schwerreiche chinesische Unternehmer kaufen oder beteiligen sich auch an ausländischen Clubs in Spanien, Frankreich oder Grossbritannien. Chinas Sportindustrie verspricht enorme Chancen. Heute wird das Volumen auf rund 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. In zehn Jahren sollen es nach amtlichen Schätzungen an die 700 Milliarden sein. Davon werden rund 300 Milliarden allein auf den Fussball entfallen. China ist also auch hier bald der weltweit grösste Markt.

«Der chinesische Fussball befindet sich in einer entscheidenden Entwicklungsphase mit besten Wachstumschancen», sagte Li Ruigang, der Vorsitzende der auch in der Unterhaltungsindustrie tätigen China Media Capital. Li hat sich vor zwei Jahren die Fernsehrechte der chinesischen Super League für acht Milliarden Yuan (umgerechnet 1,25 Mrd. Schweizer Franken) bis 2020 gesichert. Zwanzigmal mehr als bis anhin, notabene.

92 Millionen für zwei Transfers

Derzeit sind die Clubs der Super League in einem wahren Kaufrausch. In der winterlichen Transfer-Periode geben die chinesischen Clubs mehr Geld aus als die englische Premier League, die ja wahrlich nicht gerade knausrig ist.
Neu ist, dass nicht mehr altgediente Kämpfer zum Ende ihrer Karriere für horrende Summen nach China ziehen. Vorbei die Zeiten, als alternde Stars wie Didier Drogba oder Nicolas Anelka sich im Reich der Mitte noch schnell eine goldene Nase verdienten. Anelka soll 300‘000 Dollar verdient haben. Pro Woche und netto. Doch heute ziehen Fussballstars in vollem Saft nach China. Kürzlich hat der 29 Jahre alte Kolumbianer Jackson Martinez für 42 Millionen Euro von Atletico Madrid zu Guangzhou Evergrande gewechselt. Er ist nicht der einzige. Der 26 Jahre alte brasilianische Stürmer Alex Teixeira wurde im Februar für eine Summe von 50 Millionen Euro zu Jiangsu Suning transferiert.

Auch ausländische Trainer sind hoch begehrt und werden mit Fantasie-Summen angelockt. Der dem Immobilien-Tycoon Xu Jiayin gehörende Club Guangzhou Evergrande – Landesmeister seit 2011 – beschäftigte schon Weltmeister-Trainer Marcello Lippi und den Fussballstar Fabio Cannavaro. Auch die Bayerische und Schweizer Trainer-Ikone Ottmar Hitzfeld soll laut «Blick» von Guangzhou ein saftiges Angebot von 25 Millionen Euro netto erhalten haben. Hitzfeld lehnte laut dem Boulevard-Blatt ab. Seit einem Jahr trainiert Brasiliens Weltmeistercoach Luiz Felipe Solari die millionenschwere Guangzhou-Truppe, an der neuerdings auch Jack Ma, Gründer und Chef des weltweit grössten digitalen Warenhauses Alibaba, beteiligt ist.

Dort im Süden hat der rührige Immobilien-Milliardär Li auch die grösste Fussballschule der Welt mit 2500 Schülern eröffnet. Partner ist Real Madrid. Von dort kommen Trainer, die den chinesischen Assistenz-Coaches vom kleinen Fussball-ABC bis hin zu ausgeklügelten Fussball-Strategien alles beibringen.

Auch in den anderen 15 Clubs der Super League ist reichlich ausländisches Personal auf dem Rasen, sei es als hochbezahlte Spieler, sei es als Trainer. Aber auch in der zweiten chinesischen Liga, der China League One, wird geklotzt. Dort wurde im Winter für Transfers mehr ausgegeben als in der deutschen Bundesliga, der französischen Ligue 1 oder der spanischen La Liga. Auch die Nationalelf wurde immer wieder von Ausländern gecoacht, allerdings mit wenig Erfolg. Immerhin wurde China vor sechs Jahren Ostasienmeister und im vergangenen Jahr zweiter. Derzeit trainiert der Chinese und ehemalige Nationaltrainer und Spieler Gao Hongbo wieder die Nationalelf. Im nächsten Match gegen die Malediven im März, das versteht sich von selbst, ist ein Sieg ein absolutes Muss.

Fussball-WM 2026 in China?

Wird also China mit so viel Geld, so vielen Talenten und so viel Hoffnung eine Fussball-Supermacht? Cai Zhenhua, Präsident des Chinesischen Fussballverbandes, bleibt trotz Xi Jinpings «Chinesischem Traum» bescheiden. Mit den richtigen Reformen, meint er, könne die Nationalmannschaft innerhalb der nächsten zwanzig Jahre die WM-Teilnahme bis zum Achtelfinale schaffen und im Fifa-Weltranking auf einen Platz unter den Top-30 vorrücken. Für viele steht aber bereits jetzt fest, dass China die WM 2026 ausrichten wird. Das scheint so gut wie sicher, denn das wirtschaftliche Potential ist einfach zu verführerisch.

Bei der einzigen WM-Teilnahme Chinas 2002 hat Ihr Korrespondent in China trotz der «Schmach» – wohl wegen der damaligen ökonomischen China-Euphorie – einen chinesischen WM-Titel bis 2018 prognostiziert. Noch einmal lasse ich mich auf die Äste heraus und träume den «Chinesischen Traum»: Spätestens, aber allerspätestens 2038 wird China im Final stehen und – jawoll! – die Schweiz mit 4:3 schlagen. Wetten dass?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Peter Achten arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in China.

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