Kommentar

Sprachlust: Du sollst Äpfel mit Birnen vergleichen

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Ungleiches zu vergleichen, ist kein Unsinn – es ist das einzige sinnvolle Vergleichen. Man darf Ungleiches nur nicht gleichsetzen.

Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen – das weiss doch jedes frühreife Kind. Äpfel sind rund, Birnen länglich – das weiss doch jedes Gartenkind. So vergleicht es unschuldig die beiden Früchte, und es hat völlig recht damit. Man kann und darf da getrost vergleichen, und dennoch hat die Redensart ihre Berechtigung, denn nicht alle Vergleiche sind gleich. Es kommt, und hier geht’s nicht ohne ein bisschen Latein, auf das tertium comparationis an, das Dritte im Vergleich. Das Gartenkind hat die Früchte in Bezug auf die Form verglichen; die Form ist hier dieses Dritte.
Dann sagt das Kind jedoch: «Ich habe lieber Äpfel als Birnen, weil man aus Äpfeln richtiges Apfelmus machen kann.» Da nimmt es die Eigenschaft, Rohstoff für Apfelmus zu sein, als tertium comparationis – das indessen ist ausgesprochen unfair gegenüber den Birnen, aus denen man nun einmal kein Apfelmus machen kann, dafür prima Birnbrot. Unzulässig ist also nicht der Vergleich an sich, sondern ein dazu ungeeignetes Drittes.
Du sollst nicht unfair vergleichen
Genau so wird die Redensart denn auch verwendet: um auf die Untauglichkeit eines Vergleichs hinzuweisen, oft weil er unfair ist. So wäre es absurd, dem Gemeinderat von Guttannen jenen von Muri als Vorbild zu empfehlen – mit der Begründung, der Berner Vorort begnüge sich mit einem viel tieferen Steuersatz als das Bergdorf. Es geht nicht an, daraus auf die Tüchtigkeit des Gemeinderats zu schliessen: Der Apfel Muri gibt nun einmal viel mehr Steuermus her als die Birne Guttannen.
Ökonomen könnten hier noch mehr Latein einstreuen und sagen, Vergleiche seien nur ceteris paribus zulässig. Diese Floskel bedeutet soviel wie «wenn alles andere gleich bleibt», und sie sichert von der Wirtschaftswissenschaft aufgestellte Gesetze dagegen ab, von subversiven Elementen unterwandert zu werden. «Sinkt der Preis, steigt der Absatz» etwa gilt nur ceteris paribus: Für Luxusautos könnte dieses Gesetz seine Wirkung verlieren, wenn gleichzeitig mit der Preissenkung die Boni verschwänden, aus denen die Karossen bisher oft finanziert wurden. Ganz abgesehen davon, dass ein Luxusauto, das billiger wird, für solche Käufer etwas von seinem Reiz verliert.
Ähnlich kann man die Tüchtigkeit von Gemeindebehörden nur ceteris paribus vergleichen, also wenn die Gemeinden «vergleichbar» sind. Nun lassen sich Muri und Guttannen in Bezug auf die Finanzen, um die es hier geht, durchaus vergleichen: Die erste Gemeinde hat viel davon, die zweite wenig. Das ist mit «nicht vergleichbar» jedoch – entgegen dem Wortsinn – nicht gemeint: Man will sagen, sie seien ungleich, nicht einmal ähnlich.
Du sollst nicht hinterlistig vergleichen
Ebenso ging seinerzeit der empörte Ausruf am Wortsinn vorbei: «Da hat einer Evelyne Binsack mit Muammar Ghadhafi verglichen!» Es hatte wohl jemand bemerkt, die Bergsteigerin wie der Diktator schliefen gelegentlich in (je) einem Zelt, und sie damit in Bezug auf dieses tertium comparationis nicht nur verglichen, sondern sogar gleichgesetzt. Das mag zwar geschmacklos sein, ist aber nicht unlogisch – man darf daraus bloss nicht schliessen, er habe die beiden ganz allgemein gleichsetzen wollen.
Allerdings steckt hinter solchen «unschuldigen», gleichsetzenden Vergleichen oft sehr wohl die Absicht, jemanden schlechtzumachen. «Er hat einen Schnauz wie Hitler» sagt man nicht als barbiererischer Kenner, sondern als barbarischer Rufmörder. Denn ein Schnauz macht zum Glück noch keinen Hitler, und es gibt genug andere, wirklich unschuldige Arten, einen Rotzfänger zu beschreiben.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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