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Der Spieler: Zum Achtzigsten eines Spiel-Pioniers

Synes Ernst. Der Spieler /  Bernward Thole ist eine der prägendsten Figuren der deutschsprachigen Spieleszene. Eine Würdigung zu seinem runden Geburtstag.

»Ich selbst bin dann mal weg. In Ägypten zum Spielen.« Das hat Bernward Thole vor drei Jahren in seiner letzten Spielkolumne für die »Oberhessische Presse« geschrieben. Aber einer wie er, der die Entwicklung des Brett- und Gesellschaftsspiels in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren entscheidend mitgeprägt hat, tritt nicht einfach von der Bühne ab und ist dann weg. Warum das so ist, wird deutlich, wenn man aus Anlass seines 80. Geburtstags, den er am 2. November in Marburg gefeiert hat, seine Leistungen würdigt und dabei jene Leitlinien herauszuarbeiten versucht, an denen er sich immer orientiert hat.

Bei allen seinen Tätigkeiten hat sich der promovierte Literatur- und Medienwissenschaftler Thole immer als Vermittler verstanden. »Dem Homo Ludens eine Gasse bahnen«: Diesen Leitspruch hatte er schon früh von seinem Vorbild Eugen Oker übernommen. Dieser war einer der ersten Spielerezensenten im deutschsprachigen Raum gewesen, und das für die renommierte Wochenzeitung »Die Zeit«. Als Spielekritiker wollte Thole, wie er selbst sagt, »bei den Leserinnen und Lesern Interesse und Spielfreude wecken, um sie an den Spieltisch zu bringen«. Deshalb erzählte er in seinen Rezensionen immer auch Geschichten und berichtete über eigene Spielerfahrungen. Von »Schachtelhuberei und Regelnachbeterei«, wie man dies in Besprechungen heute oft antreffe, hielt Thole nichts. Er bezeichnete sie einmal gar als »Gräuel«.

Mitarbeitende des Kritikers

Auch als Spielkritiker suchte Thole immer wieder den Kontakt mit dem Publikum. Der Grund: »Ich will mit den Menschen spielen, um zu beobachten, wie eine Spielidee bei ihnen ankommt, wie tragfähig diese für ein Spiel ist, das vier Personen 45 Minuten lang in den Bann ziehen soll.« Insofern betrachtete Thole die Menschen in seinen Spielrunden als »Mitarbeitende«, deren Erfahrungen und Erlebnisse sein Urteil über ein Spiel mitprägten. Spielkritik fand für ihn also nicht im luftleeren Raum statt, sondern im Austausch mit spielenden Menschen, die ihm immer wieder neue Eindrücke vermittelten. Nicht zuletzt prägten solche Erfahrungen eine Vorliebe für bestimmte Spiele: »Wenn man sieht, welche Art von Spielen Menschen zum Spielen bringen, sind es Spiele mit Esprit, Spiele mit einer gewissen Doppelbödigkeit, kurz: ›spielerische‹ Spiele.« Das sind Tholes Spiele, ganz im Gegensatz zu den »konstruierten« Spielen, »bei denen die Korsettstangen noch herausschauen«, wie er einmal sagte.

Menschen übers Spiel zusammenführen – das wollte Thole nicht nur als Spielerezensent. Dass die Preisverleihungen des 1978 gegründeten »Spiels des Jahres« in den Anfangsjahren im Vergleich zu heute eher glanzlos-bescheiden über die Bühne gingen, hängt nicht so sehr mit damals fehlenden finanziellen Mitteln zusammen. Die Einbettung in einen Spieleabend für Familien entsprach vielmehr der Vorstellung des Jury-Mitbegründers Thole, der mit dieser Form auch gleich jene zentrale Botschaft von »Spiel des Jahres« umsetzen wollte, die seine ganz persönliche war: Menschen für das Kulturgut Spiel begeistern und sie gleichzeitig im Spiel zusammenbringen und verbinden.

Kein Elfenbeinturm, sondern mitten im Leben

Dem für Thole wesentlichen Vermitteln und Verbinden sollte auch das Deutsche Spielearchiv dienen, das er 1985 in Marburg (heute in Nürnberg) gegründet hatte. Wer etwas über Spiele wissen wollte, sollte im Archiv fündig werden. Dieses aber durfte sich nicht zum wissenschaftlichen Elfenbeinturm entwickeln, sondern musste nach den Vorstellungen Tholes mitten im spielerischen Leben stehen. Spieleabende für alle standen daher von Anfang an auf dem Programm, wiederum mit dem Ziel, Menschen übers Spiel zusammenzubringen und miteinander zu verbinden.

Als einige Spielbegeisterte, unter ihnen Bernward Thole an vorderster Front, vor vierzig Jahren ihre ersten Kritiken veröffentlichten oder bescheidene Spielabende für Familien organisierten und in diesem Rahmen ihre ersten »Spiele des Jahres« bekanntgaben, galten sie als Exoten. Spielende Erwachsene? Dazu noch Spiel als Kulturgut? Waren das nicht Spinner oder Verrückte? Ja, sie waren verrückt. Sie liessen glücklicherweise nicht locker und kämpften unbeirrt für die Sache des Spiels.

Eine wahre Renaissance

Mit Erfolg: Seit einigen Jahren erlebt das Brett- und Gesellschaftsspiel eine wahre Renaissance. Spielveranstaltungen schiessen aus dem Boden, die grösste von ihnen – die Internationalen Spieltage in Essen – zieht mittlerweile über 170’000 Besucherinnen und Besucher an, alles Menschen, die sich für Spiele interessieren und miteinander spielen wollen. Jährlich kommen mehrere hundert Neuerscheinungen auf den Markt, die Spielepublizistik blüht, und der Bekanntgabe der Preisträger von »Spiel des Jahres« fiebern jeweils Tausende entgegen (nicht nur Direktinteressierte aus den Verlagen).

Niemand hätte Mitte der 1970er Jahre dem Gesellschaftsspiel eine solche Entwicklung prognostiziert. Die Spiel-Pioniere aus jener Zeit, allen voran Bernward Thole, dürfen auf ihre Leistung stolz sein.

Bernward Thole (im Jahr 2004)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt.

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Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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