Ueli_Maurer

Kritik an SVP-Bundesrat Ueli Maurer aus den eigenen Reihen: «Die Sache ist unsauber.» © wef/flickr/cc

Das Märchen von den Olympia-Defiziten

Niklaus Ramseyer /  Eine Milliarde sollen die Steuerzahler für «Defizite» der Olympiade in Graubünden zahlen. Dabei sind die Spiele höchst profitabel.

«Die Bündner Regierung rechnet bei einer Durchführung von Olympischen Winterspielen im Graubünden mit einem Defizit von 1 bis 1,3 Milliarden Franken», vermeldete die Handelszeitung schon im letzten September (siehe Link unten). Die «Gesamtausgaben für Kandidatur, Vorbereitung und Durchführung der Winterspiele 2022» würden nämlich «1,9 bis 2,3 Milliarden Franken» kosten. Und eine Milliarde sei «die Höhe der Defizitgarantie, die der Bund bereit ist zu übernehmen».

Maurers Milliarden-Spielchen

Seither weibelt vorab Bundespräsident und Sportminister Ueli Maurer (SVP) landauflandab für die Milliarde, die er auf Kosten der Steuerzahler für die drei Wochen Sport-Spektakel aus der Bundeskasse locker machen will. Dabei ist unklar, wie er ausgerechnet auf eine Milliarde kommt: Die Winterspiel-Kandidatur für 2006 im Wallis, die vor dem IOK (Internationales Olympisches Komitee) dann keine Gnade fand, rechnete noch mit ungedeckten Kosten von bloss 30 Millionen.

Maurer verschweigt zudem, dass in seiner Milliarde die Kosten für Sicherheit, die etwa in Vancouver 2010 über eine halbe Milliarde ausmachten, nicht enthalten sind. Da müssten dann die Polizeien auf Kosten der Kantone und die Schweizer Armee auf Bundeskosten tausende von Überstunden leisten, warnt der St. Galler Sportspezialist und SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Er hält generell fest: «Die ganze Sache ist einfach unsauber.»

Milliarden-Gewinne für das IOK

Unsauber ist auch, dass die Bündner Olympia- Kandidatur jetzt schon im Hauruck-Verfahren durchgeboxt werden soll: Den Entscheid, wo die Winterspiele 2022 stattfinden sollen, fällt das IOK erst 2015 in Kuala Lumpur. Wer sich sonst noch bewerben will, steht auch nicht fest. Und vor allem: Die «Vorgaben» für die Vergabe seiner Winterspiele 2022 will das IOK erst im kommenden Mai präsentieren.

Erst recht unsauber sei es, im Zusammenhang mit solchen Spielen, die vorab in St. Moritz geplant seien, dauernd von «Defiziten» zu reden, stellt Nationalrat Büchel fest. Defizite gebe es der «Knebelverträge» wegen, die das IOK den Austragungsorten aufnötige, nämlich nur für diese. Büchel: «Der Stutz geht ans IOK – die Rechnungen zahlen die Bündner und die Schweizer.» Und «der Stutz» für das IOK mit seinem Hauptsitz in Lausanne fällt nicht zu knapp aus: In der letzten Olympiade (Vierjahres-Periode von 2009 bis und mit 2012) habe das 109 Mitglieder zählende «sehr undurchsichtige» Komitee rund 8 Milliarden Dollars einkassiert, rechnet «Business Insider» vor (siehe Link unten). Das seien 47 Prozent mehr als noch 2005 bis 2008. Von «Defizit» weit und breit keine Spur.

Bündner müssen draussen bleiben

Die IOK-Milliarden kommen vorab von Fernsehrechten und Sponsoren. Und dies steuerfrei: Der Bundesrat gewährt dem IOK den Status einer Non-Profit-Organisation. Das Komitee selber betont, die Organisation brauche für sich selber weniger als 10 Prozent ihrer Einnahmen. Der Rest komme der Sportförderung und anderen wohltätigen Zwecken zugute.

So oder so wird die Bündner Bevölkerung, die schon am 3. März über die Olympia-Kandidatur abstimmen muss, 2022 von den Spielen selber nicht viel sehen: Sogar für Angehörige der Athleten sei es fast unmöglich, Tickets zu bekommen, klagt das renommierte Anwaltsbüro Moriarty & Leyendecker. Eintrittskarten gebe es nämlich fast nur noch für «die Reichen und die Mächtigen». Und zusehends nur noch in «Luxuspaketen» mitsamt Limo-Service und Privatjet. Die Familien der Athleten müssten derweil «von Ferne zuschauen». Nur am Fernsehen – wie die meisten Leute an den Austragungsorten erst recht. Was Wunder macht sich vorab der teure Luxus-Kurort St. Moritz für die Sache stark.

Schweizer Volk soll zahlen und schweigen

Das alles will SVP-Nationalrat Büchel in Bern jetzt auf den Tisch bringen. Er sagt: «Die Bündner müssen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abstimmen.» Und er fordert für die Parlamentsdebatte über Maurers Milliarde, die auch schon im März durch die Räte gepeitscht werden soll: «Erstens gibt es vom Bund höchstens eine fixe Summe – und darüber hinaus keine weiteren Garantien. Zweitens ist diese Summe mit einer Milliarde Franken viel zu hoch angesetzt. Und drittens und vor allem geht es nicht an, dass die Schweizer Steuerzahler die Spiele berappen, aber nichts dazu sagen sollen. Darum verlange ich eine referendumsfähige Vorlage.»

NACHTRAG
«Lieber einen Pinot trinken als Entwicklungshilfe für St. Moritz»
In einem Leitartikel des Berner «Bund» schreibt Chefredaktor Artur Vogel am 9.2.013:
«Eine Milliarde des Bundes, das heisst von den Steuerzahlern, für die Promotion von St. Moritz und Davos, die das nicht nötig haben; vage Versprechen der Nachhaltigkeit, von denen niemand zu wissen scheint, wie sie genau aussehen soll; dazu ein Internationales Komitee, welches den Gewinn einstecken, aber keine Steuern bezahlen will, nicht einmal die Mehrwertsteuer, das Privilegien für seine Verbandsbonzen reklamiert und das ganze Risiko auf andere (uns) abwälzen will: Den Sinn dieser Veranstaltung – verzeiht mir, liebe Freunde! – sehe ich noch immer nicht ein. Trinkt lieber Bordeaux, einen Toskaner, oder doch einen Pinot aus der Bündner Herrschaft?»


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