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Baumwollernte in Turkmenistan © novastan.org, CC

So verdienen Online-Händler an Produkten aus Zwangsarbeit

D. Gschweng /  Auch wenn verbotene Produkte nicht mehr in den Läden landen, in Online-Shops sind sie in der Regel problemlos zu erhalten.

Jeden Herbst zwingt die turkmenische Regierung Hunderttausende Turkmenen, Baumwolle zu pflücken, darunter auch Kinder. Bürger und Journalisten, die versuchen, diese Missstände öffentlich zu machen, werden verhört, inhaftiert oder sogar gefoltert. Wer Baumwolle aus Turkmenistan kauft, investiert also ziemlich sicher in Zwangsarbeit und finanziert ein Unrechtsregime.

Die US-Zollbehörde CBP hat die Einfuhr von Baumwollprodukten aus Turkmenistan deshalb im Mai 2018 verboten. Mehr als 45 internationale Unternehmen wie Adidas, Marks&Spencer oder auch H&M unterzeichneten in der Folge ein öffentliches Dokument, in dem sie versicherten, künftig auf turkmenische Baumwolle zu verzichten. Verkauft wird sie dennoch, und zwar online.

Produkte aus Zwangsarbeit sind online problemlos zu kaufen

Charlotte Tate und Eric Gottwald vom Internationalen Arbeitsrechtsforum (ILRF) fanden bei Amazon, Ebay und auf der Online-Plattform des US-Einzelhandelsgiganten Walmart Handtücher, die als «Made in Turkmenistan» beworben wurden.

«Wenn turkmenische Baumwolle vom US-Markt verbannt und von grossen Bekleidungsmarken gemieden wird, wie kommen dann Amazon, Walmart und eBay damit durch?», fragten sie sich in einem Kommentar auf der Seite der Thomson Reuters Foundation. Ein Teil der Antwort ist ihre Marktplatz-Funktion. Weder Amazon noch Walmart oder Ebay fassen diese Handtücher direkt an. Stattdessen werden sie von «Drittanbietern» verkauft. Diese nutzen die grossen Plattformen, um an Reichweite zu gewinnen. Die Plattform-Betreiber erhalten als Gegenleistung einen Teil des Verkaufserlöses – und verdienen also mit.

Der eigentliche Verkäufer der Handtücher, ein Unternehmen namens Goza Towels mit Sitz im US-Bundesstaat Virginia, versprach, den Fall zu untersuchen. Es sei möglich, dass die Handtücher vor dem Verbot importiert worden seien und es sich lediglich um einen Abverkauf handle. Laut der Webpage des Unternehmens werden Produkte aus «100 Prozent turkmenischer Baumwolle» jedoch weiterhin angeboten.


Auf der Website von Goza Towels findet sich Ende Februar 2019 noch ein Hinweis auf turkmenische Baumwolle.

Amazon habe einige «100% Baumwolle»-Produkte von seiner Seite entfernt, nachdem das Unternehmen von einem Reporter der Thomson Reuters Foundation kontaktiert worden war, schreiben Tate und Gottwald. Der «Goza-Shop» bei Amazon ist aber weiterhin online und verkauft Baumwollprodukte. Allerdings waren bei einer Prüfung durch Infosperber Ende Februar 2019 keine Handtücher mehr im Sortiment. Ebay und Walmart leiteten die Anfrage lediglich an Goza weiter.

Bleibt die ethische Frage, ob Online-Anbieter wie Amazon, Ebay und Walmart es sich leisten können, Waren anzubieten, die in Zwangsarbeit hergestellt worden sind, auch wenn das über Dritte geschieht. Und ob wir solche Produkte kaufen sollen …

Wenn diese Unternehmen Geld ausgeben können, um Produktpiraterie zu bekämpfen, könnten sie auch mehr tun, um ihre Marktplätze frei von Zwangsarbeits-Produkten zu halten. Zumindest sollten sie ihre Richtlinien für «verbotene Produkte» aktualisieren, ihre Marktplätze aktiv überwachen und betroffene Produkte entfernen, schlagen Tate und Gottwald vor.


Ausschnitt aus der Liste der für Händler verbotenen Produkte auf der Website von Walmart

Laut der betreffenden Liste bei Walmart wäre eine Handhabe schon da. Auf seiner Händler-Site führt das Unternehmen ein Verbot für alle Produkte auf, die «nach geltendem Recht nicht in allen US-Staaten verkauft werden dürfen».

Eine schwarze Liste gibt es bereits, aber die Kontrolle lahmt

Eine Liste verbotener Produkte gibt beispielsweise das US-Arbeitsministerium heraus. Sie enthält 148 Waren aus 76 Ländern, die mit Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt wurden. Nach den vor drei Jahren verschärften Einfuhrgesetzen ist der Staat sogar verpflichtet, dies zu überwachen und die Liste regelmässig zu aktualisieren. Wie sich zeigt, ist das in der Praxis kein ganz einfaches Unterfangen. Web-Shops, die ihre Produkte direkt vertreiben, sind fast gar nicht zu kontrollieren. Ausserdem handelt es sich oft um weiterverarbeitete Produkte, die aber aus verbotenem Material hergestellt werden.

Einfuhr und Verkauf von unter unmenschlichen Bedingungen hergestellten Produkten sind nicht beschränkt auf Baumwollhandtücher – und auch nicht auf die USA. Infosperber hat schon mehrmals auf menschenrechtswidrige und unmenschliche Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht:

  • «USA: Produkte von Sklavenarbeit endlich verboten», Infosperber im Februar 2016
  • «Palmöl-Produktion: Zu zweit arbeiten für einen Lohn», Infosperber im Mai 2018
  • «Die Ausbeutung in der Textilindustrie geht weiter», Infosperber im Juni 2016
  • «21 Millionen Menschen arbeiten unter Zwang», Infosperber im Juni 2012

  • Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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