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Ein ehemaliger FBI-Agent macht den US-Strafverfolgungsbehörden happige Vorwürfe © pixabay (Symbolbild)

«Weisse Rassisten und Milizen haben US-Polizei infiltriert»

Tobias Tscherrig /  Ein ehemaliger FBI-Agent hat Verstrickungen von US-Strafverfolgungsbehörden in rassistische und militante Aktivitäten dokumentiert.

Gemäss einem neuen Bericht des «Brennan Center for Justice», in dem die Verbindungen zwischen US-Polizeikräften und rechtsextremen Bürgerwehrgruppen untersucht werden, haben weisse rassistische Gruppen in den letzten zwei Jahrzehnten die US-Strafverfolgungsbehörden in allen Regionen der USA infiltriert. Ausserdem hat ein ehemaliger FBI-Agent seit dem Jahr 2000 in mehr als einem Dutzend Staaten Verstrickungen von diensttuenden Beamten in rassistische militante Aktivitäten dokumentiert.

In der neuen Analyse dokumentiert der ehemalige FBI-Agent Michael German ausserdem, wie bereits Hunderte von Polizeibeamten dabei erwischt wurden, wie sie rassistische und von übertriebenem Glaubenseifer geprägte Inhalte in sozialen Medien veröffentlichten. Das berichtet «The Guardian».

Michael German ist kein Unbekannter: Am 16. August legte er in einem ausführlichen Text im «The Guardian» dar, wie US-Strafverfolgungsbehörden in der Vergangenheit nicht auf rechtsextreme innerstaatliche Terrorbedrohungen reagiert haben.

Polizei arbeitete mit Neonazis zusammen
Der Bericht legt dar, dass im Laufe der Jahre in Staaten wie Alabama, Kalifornien, Connecticut, Florida, Illinois, Louisiana, Michigan, Nebraska, Oklahoma, Oregon, Texas, Virginia, Washington und West Virginia jeweils polizeiliche Verbindungen zu Milizen und weissen rassistischen Gruppen aufgedeckt wurden. Wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, soll die Polizei in Sacramento im Jahr 2018 gar mit Neonazis zusammengearbeitet haben, um Anklage gegen antirassistische Aktivisten erheben zu können. Darunter auch einige, die laut Aufzeichnungen von Rassisten mit Messern attackiert worden waren.

Speziell in diesem Sommer, seien zum Beispiel ein stellvertretender Sheriff aus Orange County sowie ein Polizist aus Chicago dabei erwischt worden, wie sie Logos von rechtsextremen Milizen trugen. Ein Polizist aus Olympia sei dabei fotografiert worden, wie er mit einer rechtsextremen Milizgruppe posiert habe. Polizeibeamte aus Philadelphia seien dabei gefilmt worden, wie sie untätig herumstanden, während ein bewaffneter Mob Protestierende und Journalisten angegriffen habe.

Hohe Dunkelziffer
Das genaue Ausmass der Verbindungen zwischen Strafverfolgungsbehörden und Milizen sei schwer zu bestimmen, sagt German gegenüber «The Guardian». «Niemand sammelt die Daten und niemand sucht aktiv nach diesen Gesetzeshütern.»

Die rassistischen Aktivitäten der Beamten seien innerhalb ihrer Abteilungen oft bekannt und führten in der Regel erst nach öffentlichen Skandalen zu Bestrafungen oder Entlassungen, ist im Bericht zu lesen. Nur wenige Polizeibehörden hätten Richtlinien installiert, in denen die Zugehörigkeit zu weissen rassistischen Gruppen explizit verboten sei. Wenn dann Polizeibeamte diszipliniert würden, führten die Massnahmen oft zu langwierigen Gerichtsverfahren.

Das Beispiel «Kenosha»
Die Besorgnis über angebliche Beziehungen zwischen rechtsextremen Gruppen und den Strafverfolgungsbehörden in den USA hat sich seit Beginn der Protestbewegung, die durch die Ermordung von George Floyd durch die Polizei ausgelöst wurde, verstärkt. Dem Bericht zufolge sehen sich Polizisten in Staaten wie Kalifornien, Oregon, Illinois und Washington nun Ermittlungen wegen ihrer angeblichen Affinität zu rechtsextremen Gruppen ausgesetzt.

Erst seit Kurzem ist die Polizei in Kenosha Gegenstand von Untersuchungen: Im Zentrum der Ermittlungen steht ihre Reaktion auf bewaffnete weisse Männer und Milizgruppen, die sich in der Stadt versammelt hatten, um Aktivisten der Black Lives Matter-Bewegung entgegenzutreten. Diese demonstrierten wegen eines Polizeieinsatzes vom 23. August, bei dem der Afroamerikaner Jacob Blake durch den Schusswaffengebrauch von zwei Polizeibeamten schwer verletzt wurde. Der Vater von drei Kindern ist nun von der Hüfte abwärts gelähmt.

Schliesslich erschoss der 17-jährige Kyle Rittenhouse zwei Demonstranten. Rittenhouse ist nicht nur Anhänger von US-Präsident Donald Trump, er ist ein grosser Polizei- und Waffenfan und gehört der «Blue Lives Matter»-Bewegung an, die stärkere Bestrafungen für Gewalt gegen Polizisten fordert. Nach seiner Tat lief Rittenhouse mit erhobenen Händen – das Gewehr noch umgeschnallt – auf Polizeibeamte zu. Passanten riefen ihnen zu, der Junge habe soeben Menschen erschossen. Trotzdem griffen die Polizisten nicht ein, was ein geprüftes Video belegt. Erst einige Stunden später wurde Rittenhouse wegen Mordverdachts verhaftet.

Aktivisten in Kenosha sagten, dass die Polizei aggressiv und gewalttätig auf die Demonstranten von «Black Lives Matter» reagiert habe, während sie wenig getan habe, um die bewaffneten weissen Bürgerwehren aufzuhalten. So sagte etwa ein Offizier über Lautsprecher an die Adresse der weissen Milizen: «Wir wissen es zu schätzen, dass Sie hier sind.»

US-Behörden ohne nationale Strategie
German analysiert dieses Polizeiverhalten gegenüber dem «Guardian»: «Militante Rechtsextreme dürfen Gewalt anwenden und weggehen, während die Demonstranten mit gewaltsamen Polizeiaktionen konfrontiert werden.» Diese «nachlässige Reaktion» der Polizeibeamten bestärke gewalttätige Gruppen auf gefährliche und potenziell tödliche Weise: Die gewalttätigsten Elemente innerhalb der rechtsextremen militanten Gruppen glaubten nicht, dass ihr Verhalten von der Regierung sanktioniert werde. Deshalb seien sie viel eher bereit, sich zu zeigen und Gewalttaten gegen Demonstranten zu begehen.

Zwar sei in einigen Teilen der Regierung inzwischen das Bewusstsein für die zunehmende Bedrohung durch rechtsradikale Milizen gewachsen. So hätten etwa das FBI und das Heimatschutzministerium weisse Rassisten direkt als die tödlichste inländische terroristische Bedrohung identifiziert. Gemäss dem Bericht von German stehe sogar in internen FBI-Dokumenten, dass Milizgruppen oft aktive Verbindungen zu Strafverfolgungsbehörden hätten. Allerdings fehle den US-Behörden eine nationale Strategie, um rassistische Beamte oder Beamte mit Verbindungen zu weissen Rassisten zu identifizieren und das Problem auszumerzen. Es sei lange nichts unternommen worden, um dem Rassismus in den Behörden entgegenzutreten.


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2 Meinungen

  • am 2.09.2020 um 17:41 Uhr
    Permalink

    "Nur wenige Polizeibehörden hätten Richtlinien installiert, in denen die Zugehörigkeit zu weissen rassistischen Gruppen explizit verboten sei."
    Wäre denn die Zugehörigkeit zu «andersfarbigen» rassistischen Gruppen zu erlauben?
    "weissen» muss man wohl streichen, sonst ist die Richtlinie auch rassistisch ….

  • am 3.09.2020 um 23:32 Uhr
    Permalink

    Man könnte auch in der Schweiz einige nicht-weisse Bewohner fragen, was sie mit der Polizei schon alles erlebt haben.
    Die NSU-Untersuchungen in Deutschland haben ja gezeigt, dass die Rechtsextremen in der Polizei gut vernetzt sind.

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