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Präsident Barack Obama - der Anti-Bush? © the dish

Obama gegen Al Qaida (2): der Un-Bush

Robert Ruoff /  War die Hinrichtung von Anwar al-Awlaki rechtswidrig – oder war sie legal und weise? Ist Obama der erfolgreiche Anti-Bush?

Die Debatte läuft heiss in den USA. «Obamas gezielte Hinrichtung von Anwar al-Awlaki, der in New Mexico geboren wurde und im Jemen starb, wo er für Al Qaida kämpfte, ist ein Sieg für Amerika und für den gesunden Menschenverstand», sagt Richard Miniter, Journalist und Terror-Experte. Während der Yale-Professor Stephen L. Carter verlangt, Obama müsse zuerst einmal die Methoden und Ziele seines Drohnenkriegs erklären. Und dafür Regeln festlegen. Bevor er weiter seinen Drohnenkrieg führt. Während wiederum Glenn Greenwald ganz kompromisslos von der «Ermordung amerikanischer Staatsbürger ohne angemessenen Prozess spricht.»

Andrew Sullivan hingegen, konstatiert in seinem Blog («The Dish») unter dem Titel «The Un-Bush», Obama führe erfolgreich den Krieg gegen Al Qaida, über den seine republikanischen Gegner nur immer grosse Töne gespuckt hätten.

UND DAS IST SULLIVANS TEXT:

«Im letzten Herbst hat der ‚Dish’ einer leidenschaftlichen Debatte Raum gegeben über Moral und Ethik der gezielten Angriffe auf US-Bürger, die sich den Dschihadistischen Feinden angeschlossen haben und die versuchen, die USA anzugreifen. Meine eigene Haltung ist, dass wir im Krieg sind und dass erklärte Feinde und Verräter im aktiven Krieg gegen die USA nicht plötzlich den Schutz der Gesetze einer Gesellschaft anrufen können, zu deren Zerstörung sie entschieden beitragen.

Meine Reaktion auf Anwar al-Awlakis Tod ist deshalb ganz offenkundig nicht die gleiche Haltung wie Glenn Greenwalds, obwohl ich seine Konsequenz und Integrität in dieser Sache respektiere. Auch wenn ich denke, dass er aus seiner Position zu gering einschätzt, was auf dem Spiel steht, und dass er die Natur dieses Krieges verkennt.

Sanft sprechen, stark handeln

«Ich halte offen fest, was die Obama-Administration offenbar listig genug nicht laut sagen will – im Übereinstimmung mit ihrer allgemeinen Haltung gegenüber Al Qaida: Sehr sanft zu sprechen und gleichzeitig rücksichtslos eine ganze Anzahl mittlerer und hoher Führungsfiguren zu töten. Diese Administration ist wirklich, was die Bush-Administration zu sein behauptete: ein unerbittlicher Vollstrecker im Krieg mit dem Terror, bewaffnet mit wirklichem Wissen und tödlich genauer Exekution. Sicher, Jemens al Qaida ist nicht der Kern von Al Qaida in Pakistan/Afghanistan – sie ist weniger global in ihren Zielen, Mitteln und Möglichkeiten. Aber die Beseitigung einer wichtigen Propaganda-Quelle dieser Bewegung hat uns alle sicherer gemacht. Und die Amerikaner, die unter einer von Awlakis mörderischen Fatwas gelebt haben, können heute freier atmen.

Das Gleiche gilt für al Qaida im Allgemeinen. Obama hat in zwei Jahren geschafft, woran Bush in acht Jahren gescheitert ist. Obama hat geschickt alles getan, um die Beziehungen mit der breiteren Welt des Islam wieder herzustellen (trotz der Machenschaften der Israelischen Regierung), während er gleichzeitig rücksichtslos die Planer, Manager und Fusstruppen des Djihad in Afghanistan und Pakistan ausgeschaltet hat. Das heisst: er hat uns unermesslich viel stärker gemacht in unseren weichen wie in unseren harten Mitteln der Macht.

Die Bush-Katastrophe – der Obama-Erfolg

«Vergleichen Sie die zwei Präsidenten: Der eine hat in Afghanistan einen Krieg ausgelöst, den er dann hat vor sich hinsiechen lassen, und im Irak hat er einen ungerechtfertigten Krieg gestartet, der zu einer Katastrophe des Massensterbens und des Chaos geworden ist. Er hat die Gegensätze mit der arabischen wie mit der islamischen Welt auf die Spitze getrieben und keinen einzigen grösseren Sieg gegen den Feind davon getragen. Bush hat auf vielfältige Weise Al Qaida den Weg in den Irak geöffnet, wo sie nie war, und ihrer Führung die Flucht nach Tora Bora erlaubt. Und gleichzeitig hat das Folterprogramm unsere Nachrichtendienste im Mark verdorben und unsere moralische Stellung in der Welt zerstört.

Obama hat die Folter beendet und einen wirklichen Krieg geführt, nicht nur ein ideologisches Spektakel aufgeführt. Er hat fast das ganze Al Qaida-Netz von 9/11 zerstört (ausser Zawahiri ist keiner übrig), ihre Reihen in Afghanistan und Pakistan gelichtet, Osama bin Laden gefunden und getötet, und das in einem kühnen Feldzug, den allein der Präsident unermüdlich vorangetrieben hat, und er hat dabei zusätzlich eine Fülle von Erkenntnissen über Al Qaida gewonnen. Das hat er erreicht als Resultat von Mut und Zähigkeit und nicht von Feigheit und Folter.

Die Schwäche der Republikaner…

«Ich weiss, in den nächsten Wahlen wird es um die Wirtschaft gehen. Aber es sollte bei den Wahlen auch darum gehen aufzudecken, dass die Republikaner auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit fundamental schwach sind. Sie sind gefangen in ihrer eigenen Ideologie, und sie haben acht Jahre lang bewiesen, dass sie eher posieren und sich brüsten als intelligente, unnachgiebigen und ethisch abgesicherte Nachrichtenbeschaffung zu betreiben, die erst jetzt zum Sieg führt.

…die Stärke Obamas

«Mit anderen Worten: Obama gewinnt den Krieg, den Bush zu verlieren drohte. Und seit (der Rede von) Kairo sind wir Zeugen des Aufblühens wirklicher demokratischer Kräfte im Nahen Osten – was wir in den Bush-Cheney Jahren niemals gesehen haben. Trotz aller unermüdlichen Anstrengungen der Israelis, die US-Aussenpolitik gegen den Djihadismus zu zerstören, hat Obama erfolgreich den Job gemacht. Wenn er es versäumt, das bei den nächsten Wahlen geltend zu machen, wird er nach meiner Beurteilung eine wichtige Gelegenheit platzen lassen, um gegenüber den Republikanern einen strukturellen Vorteil auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit zu verstärken.

Im Jahr 2001 habe ich gezweifelt, ob Bush der Präsident sein würde, der diesen Krieg gewinnt, obwohl ich es hoffte. Ich habe mich gefragt, ob seine Irrtümer zu einem Nachfolger führen würden, der daraus lernt. Diese Hoffnung hat sich jetzt erfüllt – schneller und entscheidender, als ich mir das zu erträumen wagte.»

Das ist der Text von Andrew Sullivan. Über die Frage der Rechtsgrundlagen und den Anspruch auch von mutmasslichen Terroristen auf einen fairen Prozess geht er mir zu zügig hinweg. Ich habe ihn trotzdem übersetzt, weil er glasklar ist, diskussionswürdig – und weil ich ihm ansonsten in weiten Teilen folge.

Aber andere denken anders. Zum Beispiel Noam Chomsky. Er denkt, Osama bin Laden habe einen grossen Sieg davon getragen. Auch darüber wird Infosperber an dieser Stelle berichten. – Vielleicht schliesst ja der eine Gedanke den anderen nicht aus.

(Folgt Teil 3: Der Sieg des Osama Bin Laden)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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