Sperberauge

Ein haarsträubendes weiteres Zitat für die Geschichtsbücher

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Vier Tage vor der Pleite der Credit Suisse belogen Aufsichtsbehörde und Nationalbank die Öffentlichkeit: Es sei alles paletti.

Es lohnt sich, diese Schönfärberei nochmals im Wortlaut nachzulesen. Als über der Credit Suisse bereits düstere Wolken aufzogen, verkündeten die Aufsichtsbehörde Finma und die Schweizerische Nationalbank am 15. März in einem gemeinsamen Communiqué:

«Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA und die Schweizerische Nationalbank SNB informieren, dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgeht. Die für die Schweizer Finanzinstitute geltenden strengen Kapital- und Liquiditätsanforderungen sorgen für die Stabilität der Institute. Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität. Die SNB wird im Bedarfsfall der CS Liquidität zur Verfügung stellen.»

Der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney bezweifelt, dass die Credit Suisse Mitte März die «gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität» erfüllte. In einem Interview mit «Inside Paradeplatz» verlangt er von der Finma und der SNB Transparenz darüber, ob sie sich in ihrem Communiqué irreführend auf die CS-Bilanz von Ende 2022 bezogen oder auf den Zustand von Mitte März. Erst dann könne man feststellen, ob diese Behörden die Öffentlichkeit belogen haben. Chesney zweifelt daran, dass die Credit Suisse am 15. März alle Anforderungen erfüllte und vier Tage später bankrott sein konnte.

Infosperber wies am 25. März darauf hin, dass Behörden und Politikern wegen des labilen finanziellen Kartenhauses kaum etwas anderes überigbleibt, als die Öffentlichkeit zu belügen. Denn wenn Bankkunden zu viele Guthaben von einer Grossbank in kurzer Zeit abziehen, kommt die Bank wegen des völlig ungenügenden Eigenkapitals schnell ins Schlingern.

Aus diesem Grund sollten die Medien beruhigende Aussagen von Behörden, Experten und Banker nicht zum Nennwert weiterverbreiten, sondern stets darauf hinweisen, dass keiner dieser Exponenten je die Wahrheit sagen würde, falls am Bankenhimmel düstere Wolken aufziehen. 

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Siehe auf Infosperber:

Zitate für die Geschichtsbücher zum Fall Credit Suisse. Es gab Schönredner, die heute nicht gern an ihre Aussagen erinnert werden. Und es gab Warner, die jetzt zu wenig zu Wort kommen.

Um das Vertrauen in Grossbanken zu bewahren, müssen Behörden und Banker lügen. Es wäre sinnvoller, wenn sie das labile Geldsystem stabil machen würden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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4 Meinungen

  • am 28.03.2023 um 14:08 Uhr
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    Weshalb geht das Volk nicht auf die Strasse? So wie für Velowege in der Stadt Zürich beispielsweise.

  • am 28.03.2023 um 17:56 Uhr
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    Der Satz «wenn Bankkunden zu viele Guthaben von einer Grossbank in kurzer Zeit abziehen, kommt die Bank wegen des völlig ungenügenden Eigenkapitals schnell ins Schlingern» ist nicht richtig. Selbst wenn eine Bank 30 Prozent der Bilanz mit Eigenkapital finanziert hätte, könnte die Bank illiquid werden. Nämlich dann, wenn (im Extremfall) die 70 Prozent Fremdkapital in Form von Sichtguthaben täglich fällig wären, die Aktiven aber zu 70 Prozent in Festhypotheken angelegt wären. Banken sind immer potentiell illiquid. Deshalb braucht es eine Zentralbank, die im Notfall gegen die Hinterlegung guter Aktiven Liquiditätshilfe leistet.

    • Favorit Daumen X
      am 28.03.2023 um 20:32 Uhr
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      Das ist korrekt. Ich meinte nicht, dass ein ungenügendes Eigenkapital der einzige Grund einer Bankenpleite sein kann. Es braucht m.E. eine ganze Reihe von Massnahmen – zusätzlich zu deutlich mehr Eigenkapital –, damit Grossbanken nicht mehr «Too big to fail» sind, den Regeln des Wettbewerbs unterworfen werden und von keiner Staatsgarantie mehr profitieren. Zusätzliche sinnvolle Massnahmen wären wohl eine Abtrennung spekulativer Investmentgeschäfte, Revisionsgesellschaften, die nicht von den geprüften Banken selber bezahlt werden, mehr Kompetenzen für die Aufsichtsbehörde Finma, so dass diese beispielsweise auch Bussen verhängen kann, oder eine Mikrosteuer auf allen Finanztransaktionen, so dass sich Millisekunden-Wettgeschäfte nicht mehr rentieren.

  • am 28.03.2023 um 20:41 Uhr
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    Die Oeffentlichkeit zu belügen ist eines, doch noch schlimmer ist, dass Anleihenshalter (AT1) und die Aktionäre davon ausgegangen sind, dass für die nächsten Wochen alles in Ordnung sei. Ja, Aktionäre noch Aktien und Anleihensnehmer noch AT1 aufgrund dieser Aussagen des FINMA und SNB zugekauft haben.
    Sache ist, dass hier Vorsatz einer Falschinformation im Raum steht d.h. verkauft mir ein Autohändler im Wissen, dass die Bremsen des Autos nicht funktionieren, das fehlerhafte Auto, dann liegt ein Vorsatz vor und der Autohändler kann belangt werden. Das liegt meines Erachtens auch im Falle der FINMA und der SNB vor, denn drei Tage nach der öffentlichen Gutsprache kann eine systemrelevante Bank «bankrott» bzw. durch den Staat gerettet werden müssen. Massive Haftungsklagen stehen im Raum.
    Meine Meinung ist, dümmer geht es nicht mehr, wenn man dieses TOTALE SYSTEMVERSAGEN Schönschwatzen will!

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