Oskar Lafontaine

Oskar Lafontaine © oskar-lafontaine.de

«Deutschland handelt im Ukraine-Krieg als Vasall der USA»

Red. /  Oskar Lafontaine kritisiert «das Elend der deutschen Aussenpolitik» und fordert eine eigenständige Sicherheitspolitik Europas.

upg. Grosse Medien geben Stimmen wie derjenigen von Oskar Lafontaine kaum mehr Platz. Aus diesem Grund übernimmt Infosperber ergänzend zu den vorherrschenden Einschätzungen seinen Beitrag aus der «Berliner Zeitung». Die Ansicht Oskar Lafontaines liegt quer in der politischen Landschaft.


Eine Fundamentalkritik an der deutschen Regierung

Der Krieg in der Ukraine begann für die grosse Mehrheit der deutschen Politiker und Journalisten am 24. Februar 2022. Mit dieser Sichtweise, die die komplette Vorgeschichte des Einmarschs der russischen Armee in die Ukraine ausklammert, kann Deutschland keinen Beitrag zum Frieden leisten.

Dem Dichter Aischylos wird der Satz zugeschrieben: Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer. Daraus folgt, dass man, um Frieden zu finden, zur Wahrheit, besser: zur Wahrhaftigkeit zurückkehren muss. Und dazu gehört, dass jeder Krieg seine Vorgeschichte hat. Und die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges beginnt mit dem Selbstverständnis der USA, sie seien eine auserwählte Nation mit dem Anspruch, die einzige Weltmacht zu sein und zu bleiben.

Daher müsse die USA alles unternehmen, um das Aufkommen einer anderen Weltmacht zu verhindern. Das gilt nicht nur für China und Russland, sondern ebenso für die EU oder in Zukunft vielleicht für Indien oder andere Staaten. Wenn man diesen Anspruch akzeptiert und gleichzeitig weiss, dass die USA den mit Abstand grössten Militärapparat der Welt haben, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass es das Beste ist, sich unter die Fittiche dieser einzigen Weltmacht zu flüchten.

«Deutschland ist kein souveränes Land»

Diese Überlegung ist aber nur dann richtig, wenn die Schutzmacht eine friedliche Aussenpolitik betreibt und aufkommende Rivalen nicht militärisch einkreist, ständig provoziert und dabei das Risiko eines Krieges in Kauf nimmt. Hat die Schutzmacht auf dem Territorium ihrer Bündnispartner militärische Einrichtungen, von denen aus sie ihre Kriege führt, dann gefährdet sie mit einer aggressiven Geopolitik nicht nur sich, sondern auch die Bündnispartner.

Der Flughafen Ramstein beispielsweise war und ist für die Kriegsführung der USA im Vorderen Orient, in Afrika und in der Ukraine unverzichtbar. Daher ist Deutschland, wenn die Amerikaner Kriege führen, immer Kriegspartei, ob es will oder nicht. Weil er diesen Zusammenhang gesehen hatte, wollte beispielsweise Charles de Gaulle keine Nato-, sprich US-Einrichtungen auf französischem Boden. Ein Land, so sagte er, muss über Krieg oder Frieden selbst entscheiden können.

Dass Deutschland kein souveränes Land ist, wurde wieder deutlich, als US-Kriegsminister Lloyd Austin in Ramstein zu einer Konferenz einlud, in der die Vasallenstaaten ihren Beitrag zum Ukraine-Krieg liefern mussten. Selbstverständlich beanspruchen die USA auch die Entscheidung darüber, ob ein Land wie Deutschland eine Energieversorgungsleitung wie Nord Stream 2 in Betrieb nehmen darf.

Ein Krieg mit langer Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges gehören auch Überlegungen von US-Strategen, nach denen die Ukraine ein Schlüsselstaat ist, wenn es um die Vorherrschaft auf dem eurasischen Kontinent geht. Aus diesem Grund, so der ehemalige Sicherheitsberater Präsident Carters, Brzezinski, in einem 1997 erschienenen Buch mit dem Titel «Die einzige Weltmacht», müsse die Ukraine zu einem Vasallenstaat der USA gemacht werden.

Zwar warnten kluge US-Politiker wie George Kennan davor, die Ukraine zu einem militärischen Vorposten an der Grenze Russlands zu machen, aber die Präsidenten Clinton, Busch, Obama, Trump und Biden trieben die Nato-Osterweiterung und die Aufrüstung der Ukraine immer weiter voran, obwohl Russland seit mehr als 20 Jahren darauf hinwies, dass es US-Truppen und Raketen an seiner ukrainischen Grenze nicht akzeptieren werde.

Spätestens mit dem Putsch auf dem Maidan 2014 zeigten die USA, dass sie nicht bereit waren, auf die Sicherheitsinteressen Russlands Rücksicht zu nehmen. Sie setzten eine US-Marionettenregierung ein und taten alles, um die Streitkräfte der Ukraine in die Nato-Strukturen einzubinden. Gemeinsame Manöver wurden abgehalten und die ständigen Einwände der russischen Regierung wurden überhört.

Kein Staat sollte an der Grenze einer Atommacht Raketen einer rivalisierenden Macht ohne Vorwarnzeiten aufstellen und das blauäugig mit der freien Bündniswahl begründen.

Oskar Lafontaine

In diesem Zusammenhang wird das verlogene Argument herangezogen, jeder Staat habe das Recht, sein Bündnis frei zu wählen. Aber kein Staat sollte an der Grenze einer Atommacht Raketen einer rivalisierenden Macht ohne Vorwarnzeiten aufstellen und das blauäugig mit der freien Bündniswahl begründen. Man stelle sich vor, Kanada, Mexiko oder Kuba würden Truppen Chinas oder Russlands auf ihrem Territorium zulassen und gleichzeitig Raketenbasen ermöglichen, von denen aus Washington ohne Vorwarnzeit erreicht werden könnte.

Seit der Kubakrise 1962 wissen wir, dass die USA das niemals akzeptieren und im Zweifel einen Atomkrieg riskieren würden. Aus diesen Überlegungen folgt: Eine aggressive Supermacht kann kein «Verteidigungsbündnis» anführen. Wie lange wird es dauern, bis Deutschland nach all den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte endlich begreift, dass es seine Sicherheit selbst in die Hand nehmen und sich von den USA unabhängig machen muss?

Es gab deutsche Politiker, die die von der US-Politik ausgehende Gefahr sahen und eine eigenständige deutsche Aussenpolitik versuchten. Willy Brandt beispielsweise wusste, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden mit Russland und den osteuropäischen Nachbarn gefunden werden muss. Er forderte Abrüstung und Entspannung und war überzeugt, dass Sicherheit nicht gegeneinander, sondern nur gemeinsam erreicht werden kann. Helmut Kohl verhandelte mit Gorbatschow die deutsche Einheit und erkannte, dass Frieden und Zusammenarbeit mit Russland Voraussetzung für eine europäische Friedensordnung waren.

Hans-Dietrich Genscher war bei den US-Politikern zeitweise in Ungnade gefallen, weil er einen begrenzten Atomkrieg in Europa fürchtete und daher alles tat, um Kurzstreckenraketen und taktische Atomwaffen vom deutschen und europäischen Territorium zu verbannen. Der «Genscherismus» wurde in Washington zum Schimpfwort. Auf die Einstellung mancher US-Strategen, man könnte sehr wohl einen auf Europa begrenzten Atomkrieg führen, hat Klaus von Dohnanyi in seinem hervorragenden Buch «Nationale Interessen» kürzlich wieder hingewiesen.

Wie sich Eskalation verhindern lässt

Aktuell ist eine die Interessen Deutschlands in den Vordergrund rückende Aussenpolitik noch nicht mal im Ansatz zu erkennen. Die führenden Politiker der Ampel, Scholz, Baerbock, Habeck und Lindner, sind treue US-Vasallen. Scholz befürwortet Aufrüstung und ist stolz, in immer kürzeren Abständen Waffenlieferungen an die Ukraine ankündigen zu können. Er handelt, als habe er von der Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts nie etwas gehört. Die Aussenpolitik der FDP wird von der Rüstungslobbyistin Strack-Zimmermann dominiert, die jeden zweiten Tag neue Waffen für die Ukraine fordert.

Die Grünen haben sich von einer Partei, die aus der deutschen Friedensbewegung kam, zur schlimmsten Kriegspartei im deutschen Bundestag gewandelt. Die Äusserungen von Annalena Baerbock, wir sollten «Russland ruinieren», muss man schon faschistoid nennen. Auch die grösste Oppositionspartei fällt aus. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist als ehemaliger Angestellter des US-Finanzgiganten Blackrock ein treuer Atlantiker, fordert noch mehr Waffenlieferungen und wollte sogar Nord Stream 1 abschalten.

Die deutsche Aussenpolitik schadet den Interessen unseres Landes und ist kein Beitrag zum Frieden in Europa. Sie braucht eine völlige Neuorientierung. Wenn durch die Geopolitik der USA die Gefahr eines Krieges zwischen Atommächten besteht, dann ist es Aufgabe der deutschen und europäischen Politik, alles zu tun, um unser Territorium aus dieser Auseinandersetzung herauszuhalten.

Gorbatschow: «Euphorie und Triumphalismus sind den westlichen Staats- und Regierungschefs zu Kopf gestiegen»

«Anstatt neue europäische Sicherheitsinstitutionen aufzubauen und die Entmilitarisierung Europas voranzutreiben – wie es die Nato-Mitgliedsstaaten in der Londoner Erklärung von 1990 versprochen haben – erklärte sich der Westen, allen voran die Vereinigten Staaten, zum Sieger. Euphorie und Triumphalismus sind den westlichen Staats- und Regierungschefs zu Kopf gestiegen. Sie haben die Schwäche Russlands und das Fehlen eines Gegengewichts ausgenutzt, um ein Monopol auf die Führung in der Welt zu erheben und sich geweigert, diesbezügliche Warnungen ernst zu nehmen.»
Michael Gorbatschow im «Spiegel» 2/2015

Europa muss sich von den Vereinigten Staaten abkoppeln und eine vermittelnde Funktion zwischen den rivalisierenden Weltmächten einnehmen. Deutschland und Frankreich zusammen haben das Potenzial, eine eigenständige europäische Aussen- und Sicherheitspolitik aufzubauen.

Es ist höchste Zeit, damit zu beginnen. Wir können uns nicht immer darauf verlassen, dass bei einer kriegerischen Zuspitzung besonnene Militärs einen atomaren Weltbrand verhindern. Beispielhaft sei hier der sowjetische Marineoffizier Archipov genannt, der in der Kuba-Krise den Abschuss eines Atomtorpedos verhinderte, oder der sowjetische Oberst Petrow, der sich 1984 entschied, als die russischen Computer irrtümlich einen Anflug atomar bestückter Interkontinentalraketen der USA meldeten, den für diesen Fall eigentlich befohlenen atomaren «Gegenschlag» nicht auszulösen.

Es ist an der Zeit, Friedensinitiativen nicht länger allein dem türkischen Präsidenten Erdogan zu überlassen. Wenn schon die USA nach eigenem Bekunden nicht bereit sind, auf einen Waffenstillstand und ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine hinzuarbeiten, so ist das doch das existenzielle Interesse der Europäer.

Der Gründer der Musikgruppe Pink Floyd, Roger Waters, hat recht, wenn er darauf hinweist, dass man auf der Grundlage der Minsker Vereinbarungen auch jetzt noch einen Frieden erreichen kann. Wenn dagegen die USA erklären, ihr Ziel sei es, Russland so zu schwächen, dass es nie mehr wieder einen ähnlichen Krieg beginnen könne, so ist das blanker Zynismus. Wie viele Ukrainer und Russen sollen denn noch sterben, bis die USA ihrem geopolitischen Ziel, Russland entscheidend zu schwächen, hinreichend nahegekommen sind?

Europa hat jetzt die höchsten Energiepreise. Europäische Industriebetriebe sind dabei, abzuwandern und neue Niederlassungen in den USA zu gründen. Auch die Riesenaufträge für die US-Rüstungsindustrie und die exorbitanten Gewinne, die die umweltschädliche US-Fracking-Industrie einfährt, zeigen überdeutlich, wem dieser Krieg und die Sanktionen nützen.

Angesichts dieser Situation sollten auch die aussenpolitisch unbedarften Ampelpolitiker begreifen, dass an der Selbstbehauptung Europas kein Weg vorbeiführt. Ein erster Schritt wäre das Drängen auf einen Waffenstillstand, die Vorlage eines Friedensplanes und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2.

Die Fortsetzung der aktuellen Politik hingegen führt zu einer Verarmung grosser Teile der Bevölkerung, zerstört ganze Branchen der deutschen Industrie und setzt Deutschland der Gefahr aus, in einen Atomkrieg verwickelt zu werden.

Oskar Lafontaine

Oskar Lafontaine, 78, Autor dieses zuerst in der «Berliner Zeitung» veröffentlichten Gastbeitrages, war Ministerpräsident des Saarlandes, 1990 Kanzlerkandidat der SPD und von 1995 bis 1999 SPD-Vorsitzender und Finanzminister im Kabinett Schröder. Von 2005 an arbeitete er in führenden Positionen in der Linkspartei. Am 17. März 2022 gab er seinen Austritt bekannt und ist seither parteilos.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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27 Meinungen

  • am 3.09.2022 um 11:22 Uhr
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    „Deutschland und Frankreich zusammen haben das Potenzial, eine eigenständige europäische Aussen- und Sicherheitspolitik aufzubauen.“

    Ach ja – diese neue Anmassung ist bisher nur den Briten sauer aufgestossen, warum wohl? Etwa nicht, weil die andern „Grossen“ am Futtertopf dieser EU hängen, eine Art politischer Prostitution?
    Und des Schweizers Frage: für sowas sollen wir auch bezahlen?

  • am 3.09.2022 um 11:34 Uhr
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    Leider zeigt uns Herr Lafontaine in keiner Weise auf, wie eine «eigenständige europäische Aussen- und Sicherheitspolitik» konkret aussehen soll. Henry Kissinger: Können Sie mir eine Telefonnummer nennen, wenn ich mit Europa sprechen will?

  • am 3.09.2022 um 11:56 Uhr
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    Oskar Lafontaine vergisst nur, uns zu sagen, wer über diese Position mit Putin verhandeln soll und ob Putin von seinen Zielen und der Ukraine ablässt, wenn Europa sich von den USA abkoppelt. Oskar Lafontaine war eben noch nicht geboren, als man 1939 mit Hitler in gleicher Weise hätte verhandeln müssen, Appeasement hiess das damals. 60 Millionen Tote war 1945 das Resultat. Nur weil kein Lafontaine damals verhandelte?

    • am 4.09.2022 um 16:11 Uhr
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      Was für eine platte Argumentation. Würden Sie auch George W. Bush wegen dessen unprovoziertem, mit Lügen (Massenvernichtungswaffen, Beteiligung an «9/11») gerechtfertigtem und aus eigensüchtigen Motiven (Zugriff auf irakisches Öl/Gas, neue US-Militärstützpunkte) betriebenen Irak-Überfall, bei dem Hunderttausende irakische Zivilisten den Tod fanden, mit Hitler auf eine Stufe stellen? Haben in Ihren Augen NATO-«Massenmörder wie Bush und Blair» (so der britische Dramatiker Harold Pinter in seiner Nobelpreisrede 2005) ein Anrecht auf Angriffskriege? Von jenen, die Putin mit Hitler und Stalin auf eine Stufe stellen, hört man fast durchgängig sehr wenig zu NATO-Kriegsverbrechern.

  • am 3.09.2022 um 12:15 Uhr
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    Lafontaine: «Die Äusserungen von Annalena Baerbock, wir sollten «Russland ruinieren», muss man schon faschistoid nennen»
    Dass die Grünen einmal zum Erfüllungsgehilfen der US-(Nuland)-Politik werden würden, war bei der Parteigründung nicht abzusehen. Zu hoffen war damals, dass sich praktische Politik komplett wandeln könnte.. Daher nochmal ein Grundgedanke einer der Gründerväter J. Beuys:

    https://www.youtube.com/watch?v=0T-PqxTQBHw
    «Der erweiterte Kunstbegriff, wie ich das nenne, vollzieht die wirkliche Umwandlung, um eine neue Welt, eine neue Erde aufzubauen. Die alten Prinzipien, also was man für diese Prinzipien für Wirtschaft und Staat, also was man zu Richtlinien gemacht hat, durch die letzten 300 Jahre, sagen wir mal, die haben sich ja erwiesen als Mensch und Leben zerstörend. Also müssen ganz neue Prinzipen gehandhabt werden und in die Praxis überführt werden. Also die ganze Gesellschaft muss hier ihre Ordnung auf ganz neuen Ideen aufbauen.“

    • am 4.09.2022 um 02:55 Uhr
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      Wie die schönen «Grundgedanken» (etwa von Joseph Beuys) durchsetzen?
      GRÜNEN-Mitgründer Gerd Bastian, Generalmajor, war gegen den NATO-Doppelbeschluss. 1995 stimmte noch ein Parteitag der Grünen für den Austritt aus der NATO; Friedensengel Olof Palme für ein blockfreies Europa; Martin Luther King. Alle starben an einer Kugel.
      US-Außenministerin Madeleine Albright ermahnte Außenminister Joschka Fischer im Herbst 1998, seine Partei möge vom kritischen Verhältnis zur westlichen Allianz abrücken. Fischer entsandte gemeinsam mit Kanzler Schröder und Verteidigungsminister Scharping (beide SPD) sowie ungehindert von seiner Partei erstmals seit 1945 deutsches Militär in einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien.
      Habeck verlangt von der Partei DIE LINKE ein Bekenntnis zur NATO-Mitgliedschaft als Vorbedingung für künftige Koalitionsgespräche.
      «Diejenigen, die den Frieden lieben, müssen lernen, sich ebenso effektiv zu organisieren wie diejenigen, die den Krieg lieben.» Martin Luther King Jr.

      • am 4.09.2022 um 21:49 Uhr
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        Olaf Palme wurde durch eine Kugel beseitigt. Er vertrat nicht US-konforme Ziele für Europa. De Gaulle, der aus der NATO austrat, konnte man wohl nicht mit einer Kugel beseitigen. Sarkozy hat Frankreich dann wieder in dieses Verteidigungsbündnis hinein geführt. Frankreich könnte auch einen Beitrag für ein eigenständigeres, von den USA weniger abhängiges Europa tun. Aber Macron ist dafür der falsche Präsident.

  • am 3.09.2022 um 13:49 Uhr
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    Was mag bloss die Ursache sein, dass das Volk über Jahrhunderte betrachtet nichts aus Kriegen gelernt zu haben scheint bzw. sehenden Auges erneut in die Katastrophe zu laufen tendiert, sogar wenn es die ultimative wäre? Kognitive Ignoranz/Dissonanz, Abilene-Paradox, Stockholm-Syndrom, oder wie immer man das benamst? Ich finde, Gedanken zur Psychologie (und zum Mechanismus der hochgelobten «Demokratie») lohnen sich. Zitat: «Ich würde es nicht glauben, selbst wenn es wahr wäre.»

  • am 3.09.2022 um 14:47 Uhr
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    Im Prinzip stimmt die These im Aufhänger:
    Die Westeuropäer verlassen sich darauf, dass die USA für ihre Sicherheit sorgen. Sie lehnen sich bequem zurück, überlassen den Amerikanern die Kosten und die Opfer und maulen dann vom Sofa aus herum, wenn es die Amerikaner nicht nach ihren Vorstellungen von einer besseren Welt machen.
    Amerikanische Sicherheitspolitik ist langfristig extrem hemdsärmlig, aber vom Militär her mit einem zuverlässigen Realitätssinn. Man muss sich klar sein, dass es keine gerechten oder guten Kriege gibt. Kriege gewinnen nicht die besseren, sondern diejenigen, die weniger Fehler machen.
    Selbstgerecht und vom Sofa aus macht man keine Fehler und kann risikolos den Bessermenschen heraushängen.
    In dem Sinn: Für die eigene Sicherheit sorgen können die Kontinentaleuropäer nur, wenn sie auch bereit sind, das Kriegshandwerk zu lernen und sich die Finger schmutzig zu machen.

    • am 5.09.2022 um 16:14 Uhr
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      Besser kann man es nicht sagen. Krieg und Zivilisation bedingen sich, Krieg ist der Vater aller Dinge (Heraklit). Auch wenn der Unilateralismus der Amis, wie im Irak, immer wieder Brechreiz erzeugt, hab ich viel lieber diese Urdemokraten als Partner als die totalitären Chinesen oder Russen.

  • am 3.09.2022 um 16:29 Uhr
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    Oberst Petrow verhinderte am 26. Sept. 1983 einen drohenden Atomkrieg – nicht 1984.
    Und Herr Erdogan plustert sich als Friedensengel auf, während er gleichzeitig in Syrien Krieg gegen die Kurden führt – dies hätte Herr Lafontaine auch erwähnen dürfen.
    Und alle durchaus zutreffenden Erklärungen der Vorgeschichte rechtfertigen keinen Angriffskrieg.

    • am 4.09.2022 um 16:44 Uhr
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      Zusätzlich zu den von Lafontaine genannten Kriegsursachen gab es die sofort nach dem 2014er Putsch gestartete nationalistische Politik Kiews gegen die russischstämmigen Ostukrainer, Kiews Krieg gegen die Ostukraine (lt. OSZE 14.000 Kriegstote bis 24.02.2022, – diese Kriegstoten haben westliche Politiker und Medien nie wirklich interessiert), die von der OSZE dokumentierte massive Zunahme des Beschusses der Ostukraine durch Kiew ab dem 16.02.2022, die im Dezember 2021 von der NATO plump verweigerten Sicherheitsgarantien für Russland und die Ankündigung Selenskyjs im Januar 2022, die Ukraine atomar bewaffnen zu wollen. Ein solches Ausmaß an Kriegsursachen hat es zwar bei keinem US/NATO-Angriffskrieg gegeben, rechtfertigt aber in der Tat keinen Angriffskrieg.

  • am 3.09.2022 um 17:35 Uhr
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    Die USA können es sich erlauben, z. B. Gas- oder Ölimporte aus Russland mit einem Embargo zu belegen, weil sie eben diese Rohstoffe nicht aus Russland importieren. Dass viele der von russischen Lieferungen abhängigen EU-Staaten, allen voran Deutschland, untertänigst auf diesen Zug aufspringen, zeigt eindeutig, dass nicht ökonomischer und politischer Sachverstand diese Entscheidung prägen, sondern politische Abhängigkeit von und Nibelungentreue zu den Amerikanern. Warum hecheln die deutschen Politiker den USA so hinterher? Weil wir seit dem 2. Weltkrieg noch keinen Friedensvertrag haben? Oder glauben die gewählten «Volksvertreter» wirklich, Russland will ganz Europa unterjochen?

    • am 4.09.2022 um 17:06 Uhr
      Permalink

      Russlands Militärausgaben betrugen lt. schwedischem Friedensforschungsinstitut Sipri im Jahre 2021 knapp 66 Mrd. US-Dollar. Die Militärausgaben der NATO: fast das 18-Fache dieses Werts. Die polit-medialen Kreise der NATO-Staaten wissen sehr genau, dass Russland keinen groß angelegten militärischen Angriff auf Europa führen kann (und in meinen Augen auch nicht führen will). Die «russische Gefahr» wird schon seit vielen Jahren instrumentalisiert, um damit eine expansionistische und eskalierende NATO-Politik gegen Russland zu rechtfertigen.

      Aus russischer Sicht stellt sich dies ganz anders dar, wie der nun vom Westen zu Unrecht gegen Putin instrumentalisierte Michail Gorbatschow nach einer NATO-Tagung in Warschau 2016 unzweideutig feststellte:

      «Die Nato hat angefangen, sich auf den Übergang vom Kalten Krieg zu einem heißen Krieg vorzubereiten. Sie sprechen nur über Verteidigung, aber im Grunde treffen sie Vor-bereitungen für Angriffshandlungen.»

  • am 3.09.2022 um 19:09 Uhr
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    Die Ansichten von Oskar Lafontaine sind immer sehr aufschlussreich und schützen vor einer Filterblase. War auch bei Christian Müller so. Schade dass er nicht mehr bei Infosperber ist.

  • am 3.09.2022 um 22:21 Uhr
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    Einfach nur grossartig diese, wenn auch knallharte, Diagnose Lafontaines! Warum wollen so viele diese eigentlich doch ganz einfachen Zusammenhänge nicht verstehen? Weil sie nicht wollen. Und warum wollen sie nicht? Vielleicht weil sie umdenken müssten. Ist das so anstrengend? Müsste man diese Kraft nicht aufbringen, wenn so viel auf dem Spiel steht? Wenn Denkfehler verheerende Kriege auslösen können – was dann? Denken lernen, unabhängig, eigenständig, lebensnah. Hauptsächlich in der Schule. Wo denn sonst?

  • am 4.09.2022 um 00:38 Uhr
    Permalink

    Ach, wenn es doch so einfach wäre, die USA ist einfach an allem Schuld, Deutschland tritt aus der NATO aus, und wir alle leben in Frieden.

  • am 4.09.2022 um 07:52 Uhr
    Permalink

    Einige Kommentare zeigen, wie weit bei uns durch die einseitige Berichterstattung der Medien unsere westliche Konditionierung gediehen ist und den Blick auf das Wesentliche verhindert. Oskar Lafontaine sagt im Endeffekt, dass wir dabei sind uns selbst zu zerstören. Und alle schauen zu.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 4.09.2022 um 09:09 Uhr
    Permalink

    Was auch alle hier geäusserten kritischen Kommentare sein mögen, die geistesgeschichtliche Zeitenwende wurde von der Ampelkoalition in Rekordzeit vollzogen.

    Ich finde die Stellungnahme von Herrn Lafontaine erfrischend. Das sollte auch den jüngeren in der Ampelkoalition zu denken geben.

    Habe ich etwa Hampelkoalition gehört ? Von den «puppets on a string» bis zu den «running dogs of US imperialism» ist wohl nur ein kurzer Weg. Die Ölbarone und Waffenschmiede wird dieser plötzliche Geisteswandel in den obersten Exekutivorganen Europa’s freuen. Die andern werden wohl frieren und Kerzen kaufen müssen.

    Das ganze klingt aber irgendwie nach Zauberlehrling.

  • am 4.09.2022 um 09:20 Uhr
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    Die grünen und linken befeuern diesen Krieg damit sie einen Wohlstandsabbau in Europa hinbekommen von dem sie schon lange träumen! Die Industrie wandert ab die Leute haben weniger Geld und so erreichen sie das 0 CO2 Ziel noch schneller! Wir wurden verraten.

  • am 4.09.2022 um 10:28 Uhr
    Permalink

    Es ist interessant, hier in manchen Kommentaren wieder zu lesen, wie Aversionen besseres Wissen übertrumpfen. Ist es wirklich im Sinne von Frieden und Demokratie, sich der Weltherrschaft anstrebenden USA zu unterwerfen und Milliarden in die Aufrüstung zu investieren, oder könnte man es vielleicht auch mal damit versuchen Friedenspolitik zu betreiben und legitime Interessen aller Seiten gelten zu lassen? Zum friedenspolitischen Denken müsste auch gehören, dass Krieg nicht mit dem ersten Schuss beginnt, sondern die Fortsetzung des ewigen Kampfes um Herrschaft über Ressourcen, Transportwege und Märkte und der dazu notwendigen permanenten Ausdehnung der militärischen geopolitischen Machtbereiche ist. Als Hinweis nur: Die NATO gibt gegenüber Russland annähernd das zwanzigfache mehr für Rüstung aus und verfügt über das hundertfache an Militärstützpunkten in aller Welt.

  • am 4.09.2022 um 18:37 Uhr
    Permalink

    Derselbe Lafontaine hatte ja noch im Februar behauptet, die amerikanischen Warnungen vor einem bevorstehenden Einmarsch der Russen in der Ukraine sei reine Kriegspropaganda. Und jetzt will er Nordstream 2 in Betrieb nehmen, obwohl Putin Gas abfackelt und Nordstream 1 fast ausser Betrieb gesetzt ist ? Wie soll denn bitte ein ‹Friedensplan› für die Ukraine aussehen ? Mit Verlaub, aber das ist wohl eher ein Euphemismus für ‹Kapitulation›. Lafontaine mag Recht haben mit vielem, was er zur Beziehung USA-EU im Allgemeinen sagt, aber wenn es um den aktuellen Krieg in der Ukraine geht, sind seine Vorschläge fern von jeder Realität.

  • am 5.09.2022 um 00:15 Uhr
    Permalink

    Zitat nicht aus Spiegel 2/2015!
    2022-08-31, Leser https://taz.de/Michail-Gorbatschow-ist-tot/!5878475
    2021-03-02, Leser https://taz.de/Letzter-sowjetischer-Praesident-wird-90/!5749609
    2015-01-11 https://www.spiegel.de/politik/ausland/gorbatschow-warnt-vor-grossem-krieg-in-europa-a-1012201
    2015-01-09 https://www.spiegel.de/politik/alles-kann-uns-um-die-ohren-fliegen-a-0112e3ce-0002-0001-0000-000131
    2015-01-09 https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/131242917
    2015-01-09 https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2015-3
    2015-01-06 https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/es-faellt-schwer-nicht-schwarz-zu-sehen-731
    2015-01-04 https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-2015-2
    2014-11-09 https://www.spiegel.de/politik/ausland/henry-kissinger-fuerchtet-wie-gorbatschow-neuauflage-des-kalten-krieges-a-1001870
    2014-11-09 https://www.spiegel.de/politik/nach-bestem-wissen-a-977e3bba-0002-0001-0000-000130223346
    2014-11-09 https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/130223346

  • am 5.09.2022 um 11:34 Uhr
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    Nun ja, alle Natomitglieder sind nach Herrn Lafontaine Vasallen der USA. Da ist es nur ein kurzer Schritt zur Behauptung, die USA seien ebenso verantwortlich für den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine wie Rußland. Deutsche Politik muss sich insbesonders in die Politik der EU einfügen. Die EU-Länder haben sich einstimmig für eine Unterstützung der Ukraine, sich gegen den Invasor zu verteidigen, ausgesprochen. Pro Kopf des BIP gehört Deutschland wahrlich nicht zu den Ländern, die besonders herausstechen bei Waffenlieferungen. Da liegt man doch eher im unteren Mittelfeld. Für mich ist Herr Lafontaine als Politiker aus der Zeit herausgefallen.

  • am 5.09.2022 um 13:27 Uhr
    Permalink

    Nehmen wir an, dass Oskar Lafontaine mit seiner messerscharfen Analyse eine Facette der Wahrheit getroffen hat. Nehmen wir also ausserdem an, dass der Westen und allen voran die USA mit seinen «Vasallenstaaten» so etwas wie eine Mitverantwortung an der historischen Entwicklung dieses Krieges ist. Hiesse das dann, dass Wladimir Putin eine «Legitimation» besitzt, um die souveräne Ukraine zu überfallen?
    Das würde ja ausserdem bedeuten, dass Putin sich zurecht als das wahre Opfer des Westens und die Ukraine als verlängerter Arm der USA der Täter ist. Und als Opfer hätte Putin das Recht auf Selbstverteidigung. Ist es das, was uns Oskar Lafontaine weis machen will?
    Spätestens hier muss man erwachen und erkennen: Putin ist und bleibt ein menschenverachtender, machtgetriebener, kranker Diktator und Kriegsverbrecher. Putin ist nicht Opfer, sondern Täter und solche Menschen gehören weggesperrt und bestraft, bevor sie noch mehr Elend, Tod und Verwüstung anrichten.

  • am 5.09.2022 um 17:18 Uhr
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    Gut, dass man sich regelmässig Presseberichte abspeichert:

    „Washington warnt vor zu grosser Abhängigkeit der EU von russischem Gas und will das Bauprojekt mit Sanktionen stoppen. Auch die Ukraine und mehrere EU-Staaten wollen das Projekt verhindern. Ursprünglich sollte die Leitung Ende vorigen Jahres fertig sein. Deutschland, wo Nord Stream 2 anlanden soll, hatte die Sanktionen der USA kritisiert.“
    (27.05.2020, dpa)

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