Kommentar

Maulkorb für Medien, wenn es um Banken und Geldwäsche geht

Dominique Strebel © zvg

Dominique Strebel /  Rangliste von «Reporter ohne Grenzen»: Die Schweiz landet bei der Pressefreiheit auf Platz 14. Das sind die Gründe.

Die Schweiz hat nicht nur ein Problem mit Art. 47 des Bankengesetzes, der es erlaubt, Journalisten zu bestrafen, wenn sie über Missstände berichten, die dem Bankgeheimnis unterstehen. Der Schutz der Banken vor wichtigen Recherchen hat System: So ist bei Geldwäscherei auch der Quellenschutz ausgehebelt.

Mit blinden Flecken und toten Winkeln lebt es sich schlecht. Das weiss, wer schon einmal rückwärts mit dem Auto einen Pfosten gerammt hat. Die Schweiz leistet sich so einen blinden Fleck in einem zentralen Wirtschaftsbereich: im Finanz- und Bankwesen. Und rammt Pfosten um Pfosten. 

Das zeigt sich im Skandal um die Credit Suisse, den «Suisse Secrets» – die einmal mehr den gesamten Finanzplatz dem Verdacht aussetzen, ein Hort der Geldwäscherei zu sein. Und das kann angesichts des Ukrainekriegs zur Zeitbombe werden für alle Schweizer Banken, die russische Oligarchen als Kunden haben. 

Gemäss dem Datenleck soll die Zürcher Grossbank CS von 1940 bis ins letzte Jahrzehnt Geld von Despoten und Kriminellen angenommen haben. Die Bank weist die Vorwürfe zu «angeblichen Geschäftspraktiken entschieden zurück». 

Kein Quellenschutz

Die Schweiz hat aber mehr als nur einen blinden Fleck, sie hat sich ihren Sehnerv bewusst herausoperiert. Warum? Whistleblower, die Informationen über Geldwäscherei oder mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften öffentlich machen, können von den Medien nicht geschützt werden. Denn der Gesetzgeber nimmt Whistleblower ausgerechnet bei diesen Delikten vom Quellenschutz aus. Das tut er sonst fast nur bei schweren Straftaten wie Mord, Vergewaltigung oder Pornografie mit Minderjährigen.

Wenn eine Bankangestellte einem Journalisten von Geldwäscherei erzählt, ist der Journalist in der Regel rechtlich verpflichtet, ihren Namen einem Staatsanwalt zu nennen. Ausnahmen gibt es nur, wenn das Strafverfolgungsinteresse nicht überwiegt. Damit ist klar: Kaum eine Angestellte einer Bank wird einen Schweizer Journalisten auf Geldwäscherei hinweisen. Whistleblower sind so gezwungen, sich an ausländische Journalisten zu wenden – wie im Fall CS. Die Daten gingen an die «Süddeutsche Zeitung».

Wenn der Whistleblower sich einer Schweizer Journalistin offenbart hätte, wäre sein Schutz nicht garantiert gewesen. Auch die Journalistin wäre ins Visier der Justiz geraten: Wenn sie über Missstände berichtet, die dem Bank- oder dem Finanzmarktgeheimnis unterstehen, kann sie in der Schweiz mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden (Art. 47 Bankengesetz). 

Die Rolle des Nationalrats

«Es gehört nicht zur Aufgabe von Journalisten, geheime, intime, persönliche Daten, die gestohlen wurden, in den Medien auszubreiten», sagte FDP-Politiker Andrea Caroni 2014 im Nationalrat, als die Regelung beschlossen wurde. Nach dem Fall CS rudert Caroni zurück und meint, möglicherweise sei der Regler nicht perfekt eingestellt. Umgehend fordert er aber weitere Einschränkungen des Quellenschutzes – etwa für vertrauliche Kommissionssitzungen. 

Die Forderung hat einen persönlichen Hintergrund. Caroni hatte als Präsident der Gerichtskommission 2021 grosse Mühe, einen neuen Bundesanwalt zu finden. Genervt darüber, wie die Medien über einzelne Kandidaturen berichteten, forderte er, dass Parlamentarier überwacht werden müssten und der Quellenschutz von Journalisten auszuhebeln sei. Das Problem waren aber weder Quellenschutz noch Medien, sondern die Mitglieder der Gerichtskommission. Sie hatten die Geheimhaltung zu wenig ernst genommen und Infos ausgeplaudert. Caroni hätte bei ihnen für Ordnung sorgen müssen – statt bei den Nachrichtenüberbringern.

Das gilt auch im Fall Credit Suisse. Das Problem sind nicht die Medien. Es sind die Banken, die trotz allen Skandalen die Herkunft von Kundengeldern zu wenig sorgfältig prüfen. Deshalb braucht es Whistleblower und Medien: weil die manchmal das letzte Mittel gegen blinde Flecke und tote Winkel sind. Sie sind es, die Licht ins Dunkel bringen – von allen Seiten und in alle Ecken. Damit das möglich ist, muss nicht nur das Banken- (und Finanzinformations-) Gesetz geändert werden, sondern auch der Ausnahmekatalog des Quellenschutzes.

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Dieser Text erschien erstmals am 3. März im «Beobachter».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor ist Chefredaktor des «Beobachters».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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6 Meinungen

  • am 6.05.2022 um 10:00 Uhr
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    Der Täterschutz zieht sich wie ein roter Faden durch die CH Gesetzgebung. Ob alkoholisierter Raser, Vergewaltiger oder sonstige Kriminelle.Sie kommen oft gut weg. Maulkörbe für JournalistInnen geht in ähnliche Richtung: Mögliche Korruptionsgeschäfte von Banken dürfen nicht aufgedeckt werden. Wie vor 100 Jahren : Überbringer von schlechten Nachrichten werden geköpft.

  • am 6.05.2022 um 11:36 Uhr
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    Ich frage mich warum ich erst so alt werden musste damit der Glaube an Demokratie, Recht und Freiheit zerstört wird. Früher wäre ich wohl selbst aktiver gewesen.
    Es ist fast eine Umkehr der Strafe. Jemand macht was falsch, gesetzeswidrig, und ein anderer wird bestraftweil er das aufdeckt.
    Die Perversion von Ehrlichkeit, Recht und Freiheit und das schlimme daran, es interessiert anscheinend niemanden?

  • am 6.05.2022 um 11:46 Uhr
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    Das erinnert mich an die Bücher von Alexander Ziegler und seinen unerschütterlichen Glauben an gute Werte und an einen Ethos in der Wirtschaft, für welche er eingetreten ist, und deswegen Leiden musste. Auch andere, ich denke da an einige Journalisten und Autoren, mussten Leiden für ihre Recherchen. Wenn Namen nicht publiziert werden um Selbstjustiz entgegen zu wirken, kann ich das verstehen, doch der Traum das vor dem Gesetz alle gleich sind, wird wohl noch lange nicht in Erfüllung gehen.

  • am 7.05.2022 um 03:16 Uhr
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    Vor 60 Jahren war mein Berufswunsch, Lehrer zu werden. Mein Vater war dagegen und unterzeichnete hinter meinem Rücken einen Lehrvertrag mit einer Zürcher Privatbank. Was ich dort während drei Jahren Lehrzeit erlebte, war weit mehr, als ich am Lehrerseminar hätte lernen können. Aber das Meiste war negativ. Ich hätte damals wiederholt als Whistleblower auftreten können. Viele Belege, die ins Ausland verschickt wurden, mussten wir als Lehrlinge in unbezahlten Überstunden von Hand anschreiben und mit neutralen Briefmarken bekleben und auf der Post von Hand abstempeln lassen, um jeden Verdacht auf Bankkorrespondenz zu verwischen. Am letzten Tag meiner Lehre habe ich mein Bankkonto aufgelöst und mein kleines Guthaben an die Post transferieren lassen. Und ich habe damals, beschlossen, nie wieder etwas mit einer Bank zu tun haben zu wollen. Banker sind Bankster und ein Grossteil ihrer Kunden sind es auch. Nur Genossenschaftsbanken schliesse ich von dieser Kritik aus.

    • am 7.05.2022 um 15:26 Uhr
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      Danke für Ihre Offenheit und Ehrlichkeit. Leider sind Sie die löbliche Ausnahme. Ich bin sicher dass es auch heute noch hinter den verschlossenen Bankentüren genau gleich zu und her geht. Die inhaltslosen Pressemitteilungen z.B. der CS tönen seit Jahren gleich,nachdem wieder ein Skandal aufgedeckt wurde.

  • am 7.05.2022 um 17:57 Uhr
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    Wenn ich den Amis für etwas dankbar bin, so ist es die Tatsache, dass sie den Schweizern in Bezug auf die Steuerhinterziehung etwas Anstand beigebracht haben. Leider wird das Bankgeheimnis = Steuerhinterziehungsgeheimnis im Inland unvermindert angewendet.

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