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Vegane Burger und Co. sorgen zunehmend für Umsatz. Längst gibt es sie auch bei McDonald's und Burger King. © piqusels

Big Meat frisst Vegi-Hersteller

Daniela Gschweng /  Fleischproduzenten haben erkannt, dass vegi und vegan die Kasse klingeln lassen, und kaufen Erfinder alternativer Produkte auf.

Immer mehr Menschen probieren Sojaburger, Seitan-Geschnetzeltes und Lupinen-Schnitzel. Die Zahl der Produkte, die Fleisch ersetzen oder eine ganz neue Lebensmittelklasse darstellen, wird grösser. Inzwischen können die meisten durchaus mit konventionellen Produkten mithalten. Noch ist ihr Marktanteil klein, wächst aber stetig.

Bis vor einigen Jahren stammten Fleischalternativen vor allem von kleinen Start-ups, die jahrelang an Rezepturen bastelten und nur wenige Produkte führten. Am Markt hatten sie es oft schwer.

Grosse Konzerne wittern das grosse Geschäft

Fleischkonzerne, die auf neue Vegi- oder Veganlinien setzen, haben es da leichter. Distributionsnetz und entsprechende Finanzkraft sind schon vorhanden. Fleischverarbeiter wie Bell haben ihr Sortiment längst um fleischfreie Produkte erweitert.

Nach eigenen Angaben ist Bell der grösste Bio-Tofu-Produzent der Schweiz. Das deutsche Unternehmen Rügenwalder Mühle, ein klassischer Fleischproduzent, verkaufte 2021 sogar erstmals mehr vegane und vegetarische Produkte als solche aus Fleisch.

Unternehmen wie Rügenwalder oder Bell können es auch verkraften, wenn ein Produkt nicht so gut läuft. Wie zum Beispiel der Insektenburger, den Rewe 2018 ins Sortiment aufnahm.

Den Burger gibt es zwar immer noch, richtig erfolgreich ist er bisher nicht. «Bugfoundation», das den Insektenburger herstellt, wurde im September 2021 vom Fleischverarbeiter Kupfer übernommen. Vorher hatte schon dessen Mutterkonzern Wiesenhof in die Insektenbrater investiert.

80 Prozent des Markts gehört bereits den Konzernen

Wie «Bugfoundation» ergeht es vielen Start-ups, die neuartige Lebensmittel oder Novel Foods herstellen, berichtet der «Guardian». Das britische Medium stützt sich dabei auf zwei aktuelle Reports. Der eine stammt von der Non-Profit-Organisation «Food and Water Watch», der andere von IPES (International Panel of Experts on Sustainable Food Systems). 

Die Käufer der Start-ups sind oft die ganz Grossen: Fleischverarbeiter wie JBS und Cargill haben in den letzten Jahren viel in pflanzenbasierte Fleischalternativen und «Lab Meat» investiert. Sie gesellen sich damit zu den Lebensmittelriesen wie Kellogg’s, die bereits 80 Prozent des Markts für Fleischalternativen kontrollieren.

Laut IPES wird der Mark für Fleischalternativen bis 2025 auf schätzungsweise 28 Milliarden Dollar anwachsen; damit würden sich die Umsätze gegenüber 2020 versechsfachen.

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Portfolios der vier grössten US-Fleischverpacker an kultivierten und pflanzenbasierten Fleischalternativen; * bezeichnet Minderheitsbeteiligungen.

Für Konsumenten nur wenig transparent

Dass grosse Unternehmen kleine schlucken, ist nichts Ungewöhnliches. Von hunderten Kleinunternehmen, die ein marktfähiges Produkt ausgetüftelt haben, können am Ende nicht alle überleben. Der Markt für Future Foods wird sich mit zunehmendem Erfolg konsolidieren.

Die Konzerne behalten dabei gerne den Namen der kleinen Labels bei, der für eine alternative, umweltfreundliche Kultur steht. Für Konsumentinnen und Konsumenten sind die neuen Eigentumsverhältnisse oft nicht ersichtlich.

«Bei den meisten dieser Produkte sieht man den Namen des Mutterkonzerns nicht auf dem Etikett», sagt Philip Howard, Professor an der Michigan State University und Hauptautor des IPES-Berichts gegenüber dem «Guardian»; «Menschen, die Fleischalternativen kaufen, sind sich möglicherweise nicht bewusst, dass sie diese grossen Unternehmen unterstützen».

Zwischen intransparent und Etikettenschwindel

Dabei achtet gerade diese Kundschaft oft besonders darauf, wie authentisch und nachhaltig Hersteller und Produkt sind. Sowohl pflanzenbasierte Lebensmittel aus Weizenprotein, Soja, oder Hülsenfrüchten wie auch im Labor erzeugte Proteine sind zum Beispiel deutlich klimafreundlicher als Fleisch. Nach einer Studie der Johns Hopkins-Universität ist ihr CO2-Fussabdruck um 34 bis 93 Prozent kleiner. «Lab Meat», das im Labor kultiviert wird, verursacht dabei mehr Treibhausgase als pflanzenbasierte Fleischalternativen.

Jemand, der ein Sojaschnitzel kauft, möchte damit womöglich keinen Konzern unterstützen, der massgeblich zur Zerstörung des Amazonasregenwalds beiträgt (JBS), wenigstens in der Vergangenheit Palmöl aus zweifelhaften Quellen bezog (Kellogg’s) oder seine Arbeitskräfte ausbeutet. 

Ob Käuferinnen einen Marketing-Claim wie «Das Leben ist besser, wenn Sie weniger Fleisch essen» (Vivera) noch ernst nehmen können, wenn sie ein Produkt kaufen, dessen Hersteller letztes Jahr vom weltgrössten Fleischverpacker JBS gekauft wurde?

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So wirbt Vivera für seine Produkte, das Unternehmen aber gehört seit 2021 dem Fleischverarbeiter JBS.

Novel Foods könnten denselben Weg gehen wie Craft Beer

Philip Howard von IPES befürchtet, dass sich der Markt für Future Foods so entwickeln könnte wie die Brauerei-Industrie. In den USA gebe es fast 9000 Brauereien, erklärt er. Die meisten belieferten wenig mehr als die unmittelbare Nachbarschaft. Die grossen Brauereikonzerne hätten die meisten grösseren Craft-Beer-Hersteller aufgekauft. Das kommt einem in der Schweiz bekannt vor.

Die Grossen drohen die Kleinen aus dem Geschäft zu drängen

Kleinere Erzeuger könnten zukünftig Schwierigkeiten haben, Rohstoffe für ihre Produkte zu bekommen, sagt Celia Homyak, Co-Direktorin des Alternative Meats Lab der UC Berkeley. Sie befürchtet, dass sich grosse Firmen den Zugriff auf Zutaten aneignen werden.

Teilweise sei das ein normaler Prozess, die Innovationskraft der Kleinen dürfte aber darunter leiden, sagt sie. Andere Branchenkenner befürchten dasselbe. Die Konzentration auf wenige Marktteilnehmer fördert die Entwicklung im Bereich Future Foods eher nicht, obwohl sie aus Klimasicht sehr zu begrüssen wäre.

Howard befürchtet, dass «Big Food» auch Impulse in anderen Bereichen erstickt und weiterhin auf Massenproduktion, Monokulturen und energieintensive Verarbeitung setzt.

Am Ende könnte die Marktstruktur bei neuartigen Lebensmitteln aussehen, wie jetzt bei der Rindfleischproduktion, sagt Amanda Starbuck von «Food & Water Watch». Dort kontrollieren vier Konzerne – JBS, Cargill, Tyson und National Beef Packing – 85 Prozent des Marktes.


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Eine Meinung zu

  • am 26.05.2022 um 10:51 Uhr
    Permalink

    … und jetzt wäre interessant zu erfahren, welche in der Schweiz (v.a.in Grossverteilern wie Coop) angebotenen fleischlos-Marken (noch) nicht von den Grossen geschluckt worden sind.
    N.B. 1: 20 Jahre bevor unsere „innovativen“ Grossverteiler dem Hype jetzt aufzusitzen beginnen, führten die Reformhäuser schon Fleischersatz-Produkte – und führen sie immer noch; nur weniger blickfängerisch, d.h. kleiner verpackt wegen kleinerer Verkaufsfläche. (Ein Besuch hilft kleine Strukturen fördern – siehe Nebenthema des Artikels.)
    N.B. 2.: Wie steht‘s um Bio-Produkte in diesem Segment? Ich fand in „meiner“ Coop-Filiale kein einziges mit Bio-Label 🙁

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