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«Neat so wenig rentabel wie die Feuerwehr» © de.wikipedia.org

Wie sich die Neat rot und schwarz rechnen lässt

Hanspeter Guggenbühl /  Die Schweiz wird 24 Milliarden Franken in die Neat verlochen. Wie viel davon wieder herauskommt, werden unsere Enkel erfahren.

Red. Im Vorfeld der Einweihung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni dieses Jahres veröffentlichen wir in lockerer Folge mehrere Artikel zu verschiedenen Aspekten der Neat (2).

Die Baukosten der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat) haben sich während der über 50-jährigen Planungs-, Umplanungs- und Bauzeit vervielfacht. Inzwischen lässt sich ziemlich präzis voraussagen: Die Endkosten der Neat belaufen sich nach Vollendung des Ceneri-Basistunnels im Jahr 2020 auf rund 24 Milliarden Franken.

Diese Investitionskosten allein sagen aber nichts aus über die Wirtschaftlichkeit. Diese hängt auch von den Unterhalts- beziehungsweise Betriebskosten und vor allem davon ab, wie viel Ertrag die Investition bis am Ende ihrer Lebensdauer wieder hereinbringt. Bei der Neat rechnet man – ähnlich wie bei Wasserkraftwerken – mit einer Amortisationszeit von mehr als 50 Jahren. Wie sich in dieser langen Zeit der Verkehr, der Wettbewerb, die Transportpreise etc. entwickeln, hängt von einer Vielzahl von Unbekannten ab.

Riesiger Fächer an Resultaten

Zwischen 1988 und 2011 hat der Bund mehrere Studien erarbeiten lassen, welche die Wirtschaftlichkeit der Neat abschätzten und damit das Projekt auch beeinflussten (siehe auch infosperber vom 17.5.2015: «Der Wandel der Neat vom Verkehrs- zum Politprojekt»). Je nach Projektstand, gewählten Annahmen und Berechnungsmethoden klafften die Resultate weit auseinander. Die meisten Ergebnisse aber waren tiefrot. Zwei Beispiele:

  • Eine Studie von Cooper und Lybrand von 1995 zeigte: Die 1992 vom Volk beschlossene Neat-Vorlage mit Basistunnel durch Lötschberg, Gotthard und Ceneri samt neuen Zufahrtslinien erbringt im Lauf ihrer Lebensdauer im optimistischsten Szenario einen Gewinn von drei Milliarden, im schlechtesten Fall einen Verlust von 15 Milliarden Franken. Dieses mehrheitlich negative Resultat bewog den Bundesrat, auf neue Zufahrten zu verzichten, um Kosten zu sparen.
  • Die Rentabilität dieser abgespeckten Neat studierte das Büro Ecoplan im Jahr 2003 und kam zum Schluss: Bis zum Jahr 2070 führt die Neat zu einem betriebswirtschaftlichen Bruttoverlust, der sich je nach Szenario zwischen 10 und 24 Milliarden Franken bewegt; beim mittleren Szenario resultiert ein Verlust von 18 Milliarden. Was sich damals schon zeigte: Selbst beim optimistischsten Szenario lassen sich die Investitionen in die Neat nur teilweise amortisieren.

Schlechtes Resultat, schöner gefärbt

Die neuste Wirtschaftlichkeitsstudie*, wiederum mitverfasst von Ecoplan, stammt aus dem Jahr 2010. Die Investitionskosten für die Neat werden darin auf (heute realistische) 24,4 Milliarden Franken beziffert. Die Erträge, welche die Neat aus dem Güter- und Personenverkehr erhält, fallen im gewählten Zeitraum bis 2070 etwas höher aus als die zusätzlichen Aufwendungen, welche der Betrieb und Unterhalt der Neat samt deren langfristig notwendigen Ersatzinvestitionen verursachen. Grund: Die Verfasser rechneten 2010 mit einer stärkeren Zunahme des Verkehrs durch die Neat als 2003; damit erhöhten sich die Erträge. Unter Berücksichtigung der gestiegenen Baukosten aber bleibt beim mittleren Szenario wie schon 2003 ein Verlust von 18 Milliarden Franken.

Um dieses erneut negative Resultat zu verschönern, änderten die Verfasser der neusten Studie auf Wunsch des Auftraggebers, des Bundesamtes für Verkehr, ihre Berechnungsmethode wie folgt: Sie klammerten die Baukosten von 24,4 Milliarden aus der betriebswirtschaftlichen Rechnung vollständig aus. Gleichzeitig erweiterten sie ihre Studie, indem sie der Neat auch den volkswirtschaftlichen Nutzen im In- und im Ausland zurechneten. Dazu gehören etwa die Reisezeitverkürzungen, welche die Neat Personen und Gütern zwischen Nord- und Südeuropa beschert, oder tiefere Umwelt- und Unfallkosten, die aus der Verlagerung des Transports von der Strasse auf die umweltfreundlichere Schiene resultieren.

Mit der Monetarisierung dieses ziemlich diffusen volkswirtschaftlichen Nutzens lassen sich die Baukosten unter den getroffenen Annahmen nahezu amortisieren. Daraus folgerte das Bundesamt für Verkehr in ihrer Medienmitteilung zur neusten Studie: «Das Grossprojekt Neat hat eine ausgeglichene volkswirtschaftliche Bilanz.»

Wobei diese Bilanz zwischen In- und Ausland unterschiedlich ausfällt: Weil die Schweiz alle Kosten zahlt, ein Teil des volkswirtschaftlichen Nutzens aber im Ausland anfällt, profitiert die EU-Volkswirtschaft, während für die Schweiz allein die volkswirtschaftliche Bilanz ebenfalls negativ ausfällt. Die Neat bleibt damit ein – politisch begründetes – Geschenk an die EU.

Rentabel wie die Feuerwehr

Den Befund aus all diesen komplexen betriebs- und volkswirtschaftlichen Kalkulationen kann man aber auch einfacher deuten. Etwa mit den früheren Worten des ehemaligen Schweizer Verkehrsministers Moritz Leuenberger. Kurz vor der Volksabstimmung über den FinöV-Fonds im Jahr 1998 sagte Leuenberger in einem Interview mit der TCS-Zeitung: «Rentabilität kann ich nicht versprechen, denn die Neat wird voraussichtlich betriebswirtschaftlich so wenig rentabel sein, wie das die Feuerwehr ist.»

* Ecoplan/Infras: «Wirtschaftlichkeit der Neat 2010», Bundesamt für Verkehr, 28.3.2011


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 19.05.2016 um 12:57 Uhr
    Permalink

    Ob wohl die Erbauer der alten Gotthardlinie auch so kompliziert gerechnet haben? Ich würde es ihnen jedenfalls nicht übel nehmen, falls sie dies nicht taten. Energetisch sinnvolle Ansätze und langfristig orientierter Unternehmergeist hat immer Zukunft. Beides trifft für die NEAT (und die Schweiz) zu.

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