6191090547_d107e1a3a8_z1

Haifischflossen fein säuberlich in den Strassen Hongkongs zum Trocknen aufgereiht. © cloneofsnake/flickr/cc

Die erbarmungslose Jagd auf Haifischflossen

Red. /  Gegen 73 Millionen Haie werden jährlich allein wegen ihren Flossen gettet. Etliche Länder beginnen, die Schlächterei zu bekmpfen.

Das sogenannte Shark-Finning wurde in den letzten Jahren durch die wachsende Nachfrage aus dem Fernen Osten angetrieben. Haifischflossensuppe wird dort als Zeichen des Wohlstandes und des Glücks des Gastgebers an Hochzeiten, Business Lunches und Firmenfesten serviert. Der Wohlstands-Boom in China, Hongkong und Taiwan (dem grössten Konsumenten) bedeutet, dass sich inzwischen Millionen die Exklusivität von bis 100 US-Dollar pro Teller Suppe leisten können.
Der Suppe werden ausserdem medizinische Heilkräfte für Nieren, Lunge und Knochen zugemessen. In den Tat und Wahrheit sind diese Kräfte nicht belegt. Im Gegenteil: Haifischflossensuppe hat einen derart hohen Quecksilbergehalt, das von ihrem Konsum abgeraten wird. Das Flossenfleisch hat brigens nur sehr wenig Eigengeschmack.
Haie sterben qualvollen Tod
Doch die Jagd auf Hai-(Rücken)flossen ist brutal und sinnlos. 180 Hai-Arten gelten heute als bedroht, 1996 waren es gerade mal 15. Ralf Sonntag, Direktor des International Fund for Animal Welfare in Deutschland, sagt: Shark-Finning ist nicht nur ein riesigers Thema der Arterhaltung, es ist ein Verstoss gegen sämtliche internationalen Standards des Tierschutzes, denn viele Haie leben noch, wenn sie ohne Flossen über Bord geworfen werden. Der Tod nach dem Finning ist grausam. So müssen Haie immer in Bewegung bleiben, um ihre Kiemen mit Wasser zu umspülen. Können sie dies nicht, ersticken sie qualvoll und sehr langsam (teilweise über mehrere Tage).
Haie können den Populations-Verlust, der durch das Finning entsteht, nicht kompensieren, weil ihre Fortpflanzungsrate gering und die Zeit bis zur Geschlechtsreife lange ist (zum Beispiel 12-14 Jahre für das Weibchen des grossen Weissen Hais). Einmal geschlechtsreif, haben sie relativ wenig Nachwuchs. Es gibt kein verstecktes Reservat und die Haie verschwinden schnell. Die meisten haben eine ausserordentlich beschränkte biologische Reproduktivität und können darum leicht überfischt werden, auch wenn man beim Fangen eine geringe Mortalitätsrate annimmt, sagt Ralf Sonntag.
Internationaler Druck nimmt zu
In Cambridge haben Mitglieder der Gruppe Finn Free Cambridge den Stadtbehörden kürzlich eine Petition mit ber 3’500 Unterschriften übergeben. Sie verlangen, dass Cambridge die erste britische Stadt wird, die den Handel mit Haiflossen verbannt. Die Petition ist ein Zeichen zunehmender internationaler Aktivitäten über die letzten zwei Jahre. Alle Länder Mittel- und Südamerikas haben das Shark-Finning inzwischen verboten. Venezuela hat es als letztes Land im Juni verfügt und gleichzeitig ein Reservat von 3’730 Quadratkilometern in der Karibischen See geschaffen. Los Roques, 80 Kilometer vor der Küste, erklärten die Behörden zur Schutzzone, weil es sich dabei um wichtige Aufzuchtsgebiete für Zitronen-Haie, Riff-Haie und viele andere Arten handelt.
Venezuela schliesst sich mit seinem Hai-Reservat anderen Ländern wie Bahamas, Tokelau, Marshall Inseln, Malediven, Palau und Honduras an. Sie haben alle erkannt, dass ein lebender Hai ihrer Wirtschaft weit mehr nützt als ein toter. Eine Untersuchung hat zum Beispiel ergeben, dass ein Riff-Hai vor der Küste Palaus über seine gesamte Lebenszeit rund 1,9 Millionen Dollar einbringt; der Hai-Tourismus allein verschafft Palau ein jährliches Einkommen von rund 18 Millionen Dollar.
Ein Pfund Flossen für 300 US-Dollar
Das Hai-Reservat in Honduras zielt ebenfalls darauf, Einnahmen aus dem Tourismus zu generieren – indem es Taucher anzieht, die Dutzende von Hai-Arten bestaunen können, unter anderen Hammer-Haie und den White-Tip Hai. Das Shark-Finning ist nun in sämtlichen Gewässern Honduras sowohl im Pazifik als auch in der Karibik verboten. Das Reservat wurde im letzten Jahr errichtet, gleichzeitig verbot das Land den Handel mit Flossen. Am ersten Jahrestag verbrannte die Marine über 100 Pfund konfiszierter Flossen. Jedes Pfund hätte auf dem Markt rund 300 US-Dollar erzielt.
In Costa Rica wurde das Shark-Finning zwar schon 2001 verboten. Präsidentin Laura Chinchilla unterzeichnete nun kürzlich eine exekutive Order, mit der jetzt auch die Schlupflöcher geschlossen werden. Noch immer waren nämlich Import und Transport von Hai-Flossen aus anderen Ländern erlaubt. Schätzungen gehen davon aus, dass noch 2011 in Costa Rica bis zu 400’000 Haie ihrer Flossen wegen getötet wurden; von nun an wird aber jedermann, der dabei erwischt wird, gebüsst und verliert seine Fischereilizenz.
… aber die Zeit läuft davon
Auch US-Bundesstaaten haben Gesetze gegen das Shark-Finning erlassen. Illinois tat es im Juni dieses Jahres; Hawaii, Guam, Washington State, Oregon und Kalifornien verfgten entsprechende Verbote bereits früher. Dass die drei letzten Bundestaaten dabei sind, bedeutet, dass alle US-Häfen am Pazifik den Flossen-Handel untersagen.
Im Juli dieses Jahres haben chinesische Behörden angekündigt, Haifischflossensuppe von den Menüs der Staatsbankette zu streichen. In Hongkong haben einige Restaurants die Suppe als Rücksicht auf Gäste aus ihrem Angebot genommen. Rund um die Welt wächst das Bewusstsein gegenüber dem Finning und seinem Einfluss auf die Haifisch-Population – aber angesichts des Tempos, mit der viele Haifisch-Arten verschwinden, läuft die Zeit davon.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Aus dem Englischen übersetzt. Verfasst hat den Originaltext die freie Journalistin Anna Taylor für die Onlineplattform "The Ecologist".

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.