Kommentar

Warum ich zum US-Steuerdeal Nein sage

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. René Zeyer ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott» und war viele Jahre lang Kommunikationsberater ©

René Zeyer /  Bis zum 21. Juni haben die eidgenössischen Räte Zeit, den Rechtsstaat zu schützen. Dann ist wahrscheinlich die Schlussabstimmung.

upg. René Zeyer ist Autor einer Argumentationsschrift gegen den vom Bundesrat vorgeschlagenen Dringlichen Bundesbeschluss, der den Banken erlaubt, Mitarbeiter- und Finanzdaten an die USA zu liefern. Die frühere Justizministerin Elisabeth Kopp liess das 12-seitige Papier zu Beginn der Session sämtlichen National- und Ständeräten verteilen. Laut Kopp ist es staatsbürgerliche Pflicht der Bundesversammlung, Nein zu sagen: «Meine Sorge um den Rechtsstaat ist stärker als mein Grundsatz, mich nicht gegen eine Vorlage des Bundesrates zu äussern.» Leserinnen und Leser von Infosperber finden das Argumentarium unter diesem Kommentar als Attachment.

DIE WICHTIGSTEN ARGUMENTE VON RENÉ ZEYER

Wer die Auswirkungen einer Annahme des vom Bundesrat vorgeschlagenen «Ermächtigungsgesetzes», auch bekannt als Dringliches Bundesgesetz zur Beilegung des Steuerstreits mit den USA, verstehen will, muss kurz hinter den verschleiernden Vorhang blicken.

Es geht um den Rechtsstaat

Der Deal ist Ausdruck eines Rechtsimperialismus, er erniedrigt die Schweiz und ihre Institutionen. Alle Alternativen seien noch schlimmer. Das ist falsch. Es gibt Alternativen.
Es geht um den Rechtsstaat Schweiz. Selbst wenn mehrere Schweizer Banken Bankrott erklären müssten: Im Vergleich zu einer Kapitulation des Rechtsstaats wäre dies das kleinere Übel.

Worin bestünde die Kapitulation? Darin, dass das Parlament die Rechtshoheit über den Finanzplatz Schweiz für ein Jahr den USA übergeben würde. So etwas war zur Kolonialzeit üblich.

Das Verbot rückwirkender Gesetze

Was immer man davon halten mag: Ein Schweizer Bankangestellter handelte bis 2009 legal und in völliger Übereinstimmung mit Schweizer Gesetzen, wenn er in der Schweiz US-Kundengelder entgegennahm und sich nicht nach deren steuerlichem Zustand erkundigte. Ein Schweizer Bankangestellter handelte auch nach 2009 völlig rechtskonform, wenn er das tat. Er handelt bis heute in Übereinstimmung mit allen Gesetzen und Bestimmungen. Wenn er nun dafür nachträglich und rückwirkend kriminalisiert werden soll, wäre das ein rechtsstaatlicher Skandal.

Das Bundesgesetz will sogar erlauben, dass Banken Daten eines Mitarbeiters mit allen Belegen seiner Handlungen an die USA ausliefern dürfen. Welche Sanktionen die USA ergreifen werden, wollen diese erst bekanntgeben, wenn das Gesetz angenommen ist.

Die Erpressung

Bei aller berechtigten Entrüstung über Schweizer Banken, die in den USA systematisch Rechtsbruch begangen haben: Auch hier hilft eine einfache Frage weiter, um hinter den Vorhang zu schauen. Wieso hat es noch keine einzige Bank, nicht nur aus der Schweiz, keine einzige Bank weltweit gewagt, das Normalste der Welt zu tun? In einem Rechtsstaat ist das Normalste der Welt: Es gibt eine Anklage, der Angeschuldigte verteidigt sich, es gibt einen Prozess, es gibt ein Urteil eines unabhängigen Gerichts. Stattdessen krochen alle Banken zu Kreuze, ohne Prozess, erklärten sich «freiwillig» für schuldig.

Weil die USA allen Angeschuldigten mit der «Todesstrafe» drohen: Bist du nicht willig und geständig, knipsen wir dich aus. Denn wenn wir nicht nur ein paar Angestellte anklagen, sondern dich als Bank, dann verlierst du schlagartig den Zugang zur Dollarwelt, und dann bist du innerhalb von 48 Stunden tot.
Eine solche Erpressung kann ein Rechtsstaat nicht zulassen. Er kann auch nicht Hand dazu bieten, dass diese Erpressung stattfindet.

Alte Masche: alternativlos

Das Wort kennen wir aus der Eurozone, und wir wissen, wie gut eine Politik funktioniert, die es benutzt: «alternativlos». Der Bundesrat sagt: Alle Kritik an unserem Gesetzesvorschlag ist verständlich. Aber es gibt keine Alternative dazu. Jeder, der diesem Gesetz nicht zustimmt, könnte schuldig werden am Zusammenbruch von Schweizer Privatbanken, Schweizer Kantonalbanken und einer Schweizer Grossbank. Das würde uns Milliarden kosten, das Gesetz jedoch ist gratis. Also schluckt.

Das ist falsch. Der Schweizer Staat könnte einen Rettungsschirm für seine Banken aufspannen. Nein, keinen finanziellen, keine Nothilfe à la UBS. Sondern die Schweizer Nationalbank könnte den Gegenpart bei Dollargeschäften für Schweizer Banken übernehmen. Und plötzlich würde alles an seinen richtigen Platz fallen, würden viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Die Vorteile der Alternative

Täte das der Bundesrat (oder würde ihn das Parlament dazu zwingen), dann würden gleichzeitig mehrere Dinge geschehen:

  • Den rechtsimperialistischen USA wäre ihre Erpressungswaffe aus der Hand geschlagen: Wenn wir dich anklagen, bist du tot.
  • Der Schweizer Staat hätte bewiesen, dass er ein wehrhafter und souveräner Rechtsstaat ist.
  • Und am schönsten: Alle Schweizer Banken, die sich tatsächlich etwas haben zu Schulden kommen lassen, müssten dafür Verantwortung übernehmen. Wenn ihre Rechtsbrüche in den USA stattfanden, müssten sie sich dort vor Gericht verantworten, bei einem Schuldspruch die Strafe, die Sanktionen, die Bussen hinnehmen.

Wunderbar!

Verantworten müssten sich nur die wahren Schuldigen und ihre Auftraggeber in den Chefetagen der Schweizer Banken. Der Bankangestellte, der sich in der Schweiz nichts zuschulden kommen liess, müsste keine Angst mehr davor haben, der Willkür der USA ausgeliefert zu werden. Die Verantwortlichen in den Chefetagen müssten hingegen befürchten, bei ihrer nächsten Einreise in die USA gleich bei der Immigration in Handschellen gelegt zu werden.

So einfach wäre das, und so gerecht. Wie es sich eben für einen Rechtsstaat geziemt. Wer sich anschaut, was die Schweizer Parlamentarier in den knapp drei Wochen der aktuellen Session alles bewältigen müssen, dem wird es schwindlig. Da bleibt vielen National- und Ständeräten gar nicht die Zeit, sich in komplexe rechtsstaatliche und finanztechnische Probleme einzuarbeiten. Aber letztlich ist es einfach: Wer für den Schweizer Rechtsstaat ist, muss Nein stimmen. Da gibt es keine Alternative.

Der Beitrag erschien auf Journal21.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. René Zeyer ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott» und war viele Jahre lang Kommunikationsberater in der Finanzbranche.

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Eine Meinung zu

  • am 5.06.2013 um 12:34 Uhr
    Permalink

    Einverstanden! Aber: Kanzlerin Merkel sagt alternativlos wenn sie ihre Meinung durchdrücken will. BR E. Widmer-Schlumpf wird wohl das gleiche sagen. Bei beiden geht es um die persönliche Karriere. Beide haben starke Persönlichkeiten in ihrem politischen Umfeld schrittweise ausgeschaltet. Die Folgen werden für das entsprechende Land schwerwiegend.

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