Sprachlupe: Xmas steht für Cash statt für Christus

Daniel Goldstein /  Statt fröhlich und gnadenbringend ist die Weihnachtszeit merry und gabenbringend, sie heisst Xmas Time und: Sie hat schon begonnen.

Stünde in Bern nicht noch der Zibelemärit bevor, so wäre auch in der Bundesstadt das weihnächtliche Verkaufsfieber bereits voll ausgebrochen. So aber bleibt dem Samichlaus ab Ende November nur ein kurzes Zeitfenster, um sich in den Schaufenstern für seinen Auftritt am 6. Dezember mit Schmutzli und Eseli aufzuwärmen. Im Berner Umland kann er sich zudem, vielsprachig wie er ist, zuvor an der «Après-Weihnachts-Märit-Party» ergötzen. Allerdings hat er auch nach seinem grossen Tag noch keine Ruhe, wie man seit etlichen Jahren sieht: Er muss als Santa Claus mit seinem Rentierschlitten herumkurven und Weihnachtsgeschenke verheissen.
Das Fest, für das Santa die Werbeglöcklein klingeln lässt, heisst nun auch hierzulande immer penetranter Xmas und wird uns mit dazu passender Musikberieselung eingetrichtert. Manchmal gibt sich die Abkürzung noch als englisch zu erkennen, etwa wenn ein Gratisblatt teure Weihnachtsgrüsse fürs urdeutsche Handy als «Merry mobile Xmas» verkauft. Oder wenn ein Einkaufszentrum, nennen wir es XY-Center, für «X-mas-Shopping» wirbt.
Santa, der Pusher
Aber es geht auch quasi auf Deutsch: «Xmas-Geschenke» prangten in einem Titel besagten Blatts, und «X-mas Ausverkauf» bot ein Schuhgeschäft an (da war übrigens der Bindestrich ins englische Wort gerutscht, statt vor dem deutschen zu stehen). Englisch gilt eben als up to date, cool und verkaufsfördernd. Sehr oft, wenn englische Wörter für etwas verwendet werden, das auch eine angestammte deutsche Bezeichnung kennt, geht es um den kommerziellen Aspekt, und genau deswegen werden solche Wörter gepusht (der Duden lässt auch schon «gepuscht» gelten, aber weniger gern).
News sind jene Nachrichten, mit deren Verbreitung besonders gut Geld verdient werden kann. Neuerdings heisst es Coffeetainment, wenn die Kaffeemaschine nicht nur mit Kaffee, sondern auch farbenfroh Freude macht. Kids sind Kinder, bei denen Werbebotschaften gut ankommen. Und wenn sie gamen wollen, brauchen sie elektronische Spiele – möglichst solche, die etwas kosten. Wer nicht nur Wörter pusht, sondern auch die Dinge, die mit ihnen verkauft werden sollen, ist ein Pusher – auch wenn diese Bezeichnung eigentlich Rauschgifthändlern vorbehalten ist.
Von der Kirchen- zur Handelsmesse
Es hat durchaus seine guten Seiten, wenn die Werber mit ihrem Englisch zu erkennen geben, dass sie uns etwas andrehen wollen. Wer «Xmas» sieht, weiss gleich, woran er ist: Hier geht’s um Cash, nicht um Christus – obwohl das X als griechisches Ch ja just für den Gesalbten steht und «mas» für Messe. Für die kirchliche, nicht für die Kirchweih oder sonst eine Handelsmesse. «XXXmas» in einer hiesigen Reklame bedeutet wohl nicht Dreifaltigkeit, sondern den ebenfalls aus dem Kommerzenglisch stammenden Superlativ von extra. Und die X-men sind nicht Christenmenschen, sondern Superhelden, die aus Comics und Filmen Kassenschlager machen können (Steigerungsform: Blockbuster).
Wie gemütlich klingt’s dagegen, wenn ein Buchverlag für «Mord und Totschlag unterm Weihnachtsbaum» Reklame macht. Oder wenn man sich unter der Verheissung «Weihnachten und nicht pleite» mit Unterhaltungselektronik eindecken kann. Verkaufsfördernd ist Weihnachten auch dann, wenn es nicht Xmas heisst, und es lässt sich sogar zum «Hardcore-Weihnachtserlebnis» steigern, wie es einst einem Chefredaktor beim Besuch im Outlet-Center zuteil wurde.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe»
— darin: «Englisch schwärmen und stürmen»
— darin: «Shprekken See Doitsh?»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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