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Die Nationalbank oder wenn die Finanzwelt baden geht © Felix 5413-flickr-cc

An Milliardenverluste der Nationalbank gewöhnen

Philipp Löpfe /  Die internationale Finanzordnung spielt verrückt – und die «Buchverluste» der Nationalbank sind leider real.

Die beste Nationalbank ist eine langweilige Nationalbank. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist derzeit alles andere als langweilig. Ob Aufgabe des Mindestkurses oder Negativzinsen, die Schlagzeilen reissen nicht ab. Jetzt muss die SNB einen Quartalsverlust von 30 Milliarden Franken bekanntgeben.

Noch vor kurzem hätte ein solcher Verlust das Ende der Welt bedeutet. Heute wird er mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Wir leben in einer Finanzwelt, in der die normalen Regeln ausser Kraft gesetzt worden sind. SNB-Präsident Thomas Jordan und seine Crew müssen in einer verrückt gewordenen Welt-Finanzordnung versuchen, die Schweiz mehr oder weniger über die Runden zu bringen.

Finanzwelt: Nach Herzinfarkt die Flut

Am Anfang der verrückten Finanzwelt stand der Beinahe-Kollaps im Herbst 2008. Das globale Finanzsystem hat damals einen Herzinfarkt erlitten, der beinahe tödlich verlaufen wäre. Zum Glück erwiesen sich die Zentralbanker als fähige Notfallärzte. Sie fluteten das Finanzsystem mit Geld und verhinderten so das Schlimmste.

Erleidet das Finanzsystem einen Herzinfarkt, dann hat das gravierende Folgen für die Wirtschaft. Die Menschen sind verunsichert, die privaten Haushalte konsumieren und die Unternehmen investieren nicht mehr. Schlagartig bricht die Nachfrage ein.

Mit zwei Massnahmen kann dieser Schock gemildert werden: Mit billigem Geld der Notenbank und mit zusätzlichen Investitionen des Staates. Im Jahre 2009 wurde beides erfolgreich gemacht. Weltweit wurden Programme zur Ankurbelung der Konjunktur aufgelegt. Auch in der Schweiz handelte der Bundesrat umsichtig und beschloss, die Kurzarbeit zu unterstützen.

Eine grosse Depression wie in den Dreissigerjahren konnte so verhindert werden, eine grosse Rezession nicht. Die Politiker verloren bald die Nerven und fielen ins alte Denkschema zurück. Die staatlichen Programme zur Unterstützung der Wirtschaft wurden zurückgefahren und eine verhängnisvolle Austeritätspolitik eingeleitet.

Das Spiel mit dem billigen Geld

Um die Härten dieser verfehlten Wirtschaftspolitik abzufedern, mussten die Zentralbanken die Geldschleusen noch weiter öffnen. Das Resultat ist eine weltweite Geldschwemme und eine wachsende Ratlosigkeit, wie man sie je wieder eindämmen kann.
Die US-Notenbank, die Fed, kündigt seit Monaten an, die Leitzinsen wieder hochzufahren, und findet regelmässig Ausreden, es nicht zu tun. Diese Woche wurde eine längst fällige Zinserhöhung erneut vertagt.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) setzt auf billiges Geld. Sie kauft seit dem März ebenfalls im grossen Stil Staatsanleihen auf. Zunächst schien sie damit Erfolg zu haben. Die europäische Wirtschaft erholte sich leicht.

Nun zeigen sich die ersten Probleme: Die EZB will vor allem die sicheren deutschen Staatsanleihen erwerben. Weil aber Berlin ein ausgeglichenes Staatsbudget anstrebt, gibt es zu wenige davon. Die Folgen sind grotesk: Die Zinsen der deutschen Anleihen steigen, obwohl sie nach Adam Riese eigentlich fallen müssten.

Buchverluste sind reale Verluste

In diesem unberechenbaren Umfeld muss die SNB den Franken auf Kurs halten. Zuerst tat sie dies, indem sie einen Mindestkurs von 1.20 Franken gegenüber dem Euro festlegte. Auf diese Weise hoffte sie, die Exportwirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Um diesen Mindestkurs zu verteidigen, musste die SNB jedoch grosse Mengen an Fremdwährungen, vor allem Euros, aufkaufen. Sie blähte so ihre Bilanzsumme von 100 auf über 500 Milliarden Franken auf.

Langfristig ist der SNB das Risiko zu gross geworden. «Buchverluste» sind leider genau so real wie «Buchgewinne». Auch wenn die SNB Franken in unbeschränkter Höhe selber drucken kann, müssen die Kursverluste, die auf den Fremdwährungen eingefahren worden sind, ordentlich verbucht werden. Anderenfalls geht das Vertrauen in den Franken verloren, und eine Währung, die kein Vertrauen mehr hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes wertlos.

Wann und ob überhaupt die Finanzwelt wieder in Ordnung kommt, ist schwer abschätzbar. Sicher ist jedoch, dass wir uns an wilde Ausschläge in der Gewinn- und Verlust-Rechnung der SNB gewöhnen müssen – und leider auch daran, dass es keine «Buchverluste» gibt.—

Dieser Beitrag ist auf Watson.ch erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Philipp Löpfe war früher stellvertretender Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Heute ist er Wirtschaftsredaktor von Watson.ch.

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2 Meinungen

  • am 2.05.2015 um 12:46 Uhr
    Permalink

    Zitat: «Weil aber Berlin ein ausgeglichenes Staatsbudget anstrebt, gibt es zu wenige davon. Die Folgen sind grotesk: Die Zinsen der deutschen Anleihen steigen, obwohl sie nach Adam Riese eigentlich fallen müssten."

    Frage: Wieso?

  • am 3.05.2015 um 17:38 Uhr
    Permalink

    Das Problem der Schweiz besteht zur Zeit eher darin, dass die Leute zu viel Vertrauen in den Schweizer Franken haben, nicht zu wenig. Deshalb ist der Kurs des Frankens so hoch!

    Verfehlte Wirtschaftspolitik ist es vor allem, wenn man sich auf das ideologisch motivierte Ziel «Wirtschaftswachstum» einschiesst und darob alles andere vergisst. Dann werden reale Ziele, wie zum Beispiel die Senkung der Arbeitslosigkeit, oder die Vermeidung eines riesigen Staatsdefizites, vernachlässigt.
    Das Problem tritt dann voll zutage, wenn das geliebte Wundermittelchen «Wirtschaftswachstum» nicht mehr funktioniert. Dies lässt sich zur Zeit im EU-Raum beobachten. Einerseits erweist es sich als unmöglich, das von der Mainstreamökonomie vorgegebene Wachstumsziel zu erreichen. Andererseits hat das wenige Wachstum, das man erreicht, nur mehr sehr begrenzt die positiven Effekte, die man sich davon verspricht.

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