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Riederle erklärt seine Welt: Die digitale Generation halte wenig vom eigenen Auto. Stell Dir vor... © KNAUR

…es läuft der Autosalon und niemand geht hin

upg /  «Die Jungen wollen nicht mehr stundenlang das Lenkrad halten, um irgendwohin zu gehen», schreibt der 19-jährige «Digital Native».

Die junge Generation der «Digital Native» tickt anders, behauptet der 19-jährige Philipp Riederle in seinem erfolgreichen, auch von Erwachsenen inspirierten Taschenbuch «Wer wir sind und was wir wollen». Teenager, die schon als Kinder mit Tablets, Smartphones, Facebook, Twitter und WhatsApp aufgewachsen sind, würden sich schon früh als Erwachsene fühlen. Dank Wikipedia könnten ihnen Lehrer nichts mehr vormachen. Das Konsumieren von YouPorn mache Sex ab 14 zu einer normalen Sache. Kreative, interaktive (Geschäfts-) Möglichkeiten ersetzten die langweilige Arbeit von 8-12 und 13-17 Uhr. Der elektronische und in der Folge auch physische Austausch schaffe ein neues, reichhaltigeres soziales Leben. Für seine Generation sei künftig weniger der Schein entscheidend als das Sein.
Weniger Junge mit Führerschein
Als ein Beispiel führt Riederle das Verhältnis der neuen Generation zum Auto an. Er zitiert eine Studie der Universität Frankfurt, wonach der Anteil der Zwanzigjährigen, die einen Führerschein besitzen, seit zehn Jahren auf die Hälfte geschrumpft sei. 1988 seien noch 16 Prozent der Käufer eines neuen Autos zwischen 18 und 29 Jahre alt gewesen. Schon vor drei Jahren sei er auf 7 Prozent gesunken. Sogar in den USA würden Jugendliche zunehmend auf den Führerschein verzichten, wie eine Studie zeige. Demnach sank die Zahl der 17- bis 19-jährigen US-Amerikaner mit Führerschein in den vergangenen 30 Jahren von 80 auf 60 Prozent.

Die «Faszination Automobil» gehöre zum «alten Eisen», meint Riederle. Nicht wenige Menschen würden arbeiten (und leben) mit dem Ziel, sich ein teures Auto zu kaufen, weil es als Statussymbol wichtig sei.
Männer könnten ihre Autos beherrschen und ihre Fähigkeiten ausspielen, elegant zu fahren, zu rasen oder zu parkieren. Auch Nachbarn könne man zeigen, wie viel man wert ist. In Deutschland würden sich fast hundert Prozent der Autofahrer für die jeweils besten halten, die sie kennen.
Männer würden von «Fahrgefühl» faseln und verbrächten einen guten Teil ihres Lebens fahrend auf Autostrassen. Alles werde für Autos geopfert: Geld, Zeit und die Natur. Ein Kilometer Autobahnstrasse koste etwa eine Million Euro – damit man sich anschliessend in den Stau stellen könne.
Schwerfällig durch den Verkehr manövrieren
Die Werbung zeige blitzblanke Autos, die durch verkehrsfreie Gebirgslandschaften auf Lanzarote oder schier undurchdringliche Flusslandschaften peitschen. Eigentlich aber sei ein Auto eine klobige Kiste, die man umständlich besteigen und schwerfällig durch dichten Verkehr manövrieren müsse.
«Meine Generation kann den Kult rund um die Kiste jedenfalls nicht nachvollziehen», erklärt Riederle verallgemeinernd. Das Bedürfnis, eine Technologie zu «beherrschen», hätten die Jungen nicht mehr. Seit Apple seien Gebrauchsanweisungen obsolet geworden. Es brauche keinen Opel-Katalog «Wie helfe ich mir selbst» mehr.
«Es bleibt einem viel erspart»
Der junge «Digital Native» lobt öffentliche Verkehrsmittel, in denen man Zeit und Musse habe, sich physisch und digital auszutauschen, sich zu informieren und viele Aufgaben zu erledigen – mailen, shoppen, lesen, Überweisungen ausfüllen oder Papierkram abarbeiten.
Ohne Führerschein spare man sich die ewige Parkplatzsuche, das Mieten einer Garage, Parkplatzgebühren, Strafzettel und die tägliche Entnervung vor Ampeln und im Stau. Auch müsse man nicht zur Fahrzeugkontrolle, zahle keine Autosteuern und keine Autoversicherung: «Es bleibt einem viel erspart, wofür die Älteren anscheinend mit Hingabe massenhaft Geld ausgeben.» Er begreife das nicht.
Lob auf das Carsharing
Das zeitgemässe Nutzen des Auto bestehe im Carsharing (Mobility): Ein Fahrzeug, wenn man es braucht. Der Besitz eines eigenen Autos mache angeblich frei. «Ist man aber nicht viel freier», fragt Riederle, «wenn man gar kein Auto besitzt, sondern es nur nutzt, wenn man es braucht, so wie Bus, Bahn oder Flugzeug?»

In den Jahren 2010 und 2011 sind jeweils 30’000 Nutzer dazu gekommen, so dass Carsharing-Unternehmen in Deutschland im Jahr 2012 220’000 Kunden hatten (Riederle zitiert die angegebene Quelle falsch und schreibt im Banne eines Wunschdenkens, die Zahl der Carsharing-Mitglieder sei innerhalb von zwei Jahren von 30’000 auf 200’000 gestiegen).
Heute könne man bei Carsharing-Unternehmen ein Auto per Telefon oder per App buchen. Auch den Social-Carsharing-Plattformen wie Nachbarschaftsauto und anderen, auf denen Privatleute ihre Auto anbieten, damit es nicht zu viel herumsteht, gehörten die Zukunft.


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Keine

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Eine Meinung zu

  • am 9.03.2014 um 12:50 Uhr
    Permalink

    Erstaunlich diese Schlagzeile aufgrund der politischen Ereignisse, man sollte sich an Carl Sandburg erinnern, obwohl dieser Ausspruch Bertold Brecht zugeordnet wurde: «Stell dir vor, es herrscht Krieg, und niemand geht hin…..» Wie wahr, wenn man die Ukraine betrachtet! Autosalon, was ist das? Allerdings sollte man sich an die ganze Wahrheit von Carl Sandburg und Bertold Brecht erinnern: «……dann kommt der Krieg zu euch!» Wenn die EU so weiter macht, könnte dies leider bittere Tatsache werden! Dann brauchen wir wirklich keine Autosalon mehr…..

    Gelegentlich wird der Satz fälschlicherweise Bertolt Brecht zugeschrieben und dessen Koloman-Wallisch-Kantate zugeordnet, die wie folgt beginnt:
    "Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
    Und läßt andere kämpfen für seine Sache
    Der muß sich vorsehen; denn
    Wer den Kampf nicht geteilt hat
    Der wird teilen die Niederlage."

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