Kommentar

Der neuste Mist aus der Agrarforschung

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Vor hundert Jahren ersetzte das Auto das Pferdegespann. Jetzt folgt die Ein-PS-Elektro-Hybrid-Kutsche.

Als sich 1879 die Pferdekutschen rasend schnell vermehrten, prophezeiten englische Statistiker, im Jahr 1910 werde London im Pferdemist versinken. Statistisch stimmte die Rechnung, aber die Extrapolation liess den technischen Wandel ausser Acht. Alsbald ersetzten nämlich neue Autos die alten Pferdekutschen. Ihr Mist in Form von CO2 verdreckt heute nicht mehr die Strassen, sondern belastet die Atmosphäre.

Jetzt möchte die nationale Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux das Rad zurück und zugleich weiter drehen. Anfang Woche präsentierte sie den Medien eine selbst entwickelte «E-Kutsche»; der darin eingebaute Elektromotor verschont das Zugpferd vor Überlastung. Mit dieser grandiosen Erfindung soll das Pferd wieder auf die Strassen zurück kehren und Benzinkutschen ersetzen. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsbeschaffung für die Freiberger Hengste, die im nationalen Gestüt in Avenches Hafer und Bundessubventionen verzehren, sondern – edler – um die «Integration von Pferden in den öffentlichen Raum».

In der Praxis soll die erste Ein-PS-Elektro-Hybrid-Kutsche in Avenches eingesetzt werden, um Müll einzusammeln. Bleibt nur noch die Frage, was mit dem Müll respektive Mist geschieht, den die Pferde dabei selber produzieren und auf dem Asphalt deponieren. Zusammenwischen geht kaum. Denn die meisten Gemeinden haben die alten Besen inzwischen mit benzinbetriebenen knatternden Laubbläsern ersetzt. Aber Rossbollen mit Laubbläsern zusammen kehren? Dieser Schuss kann hinten hinaus respektive ins Auge gehen.

Vielleicht sollte man die Lösung dieses neuen Müllproblems nicht auch noch den Agroscope-Forschern aufbürden, sondern an die Freiberger Hengste delegieren, getreu dem Motto: «Überlass das Denken den Pferden, denn sie haben die grösseren Köpfe.»


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Eine Meinung zu

  • am 15.08.2012 um 20:58 Uhr
    Permalink

    Würde man, um den letzten Satz Hanspeter Guggenbühls aufzunehmen, in dieser Angelegenheit das Denken den Pferden überlassen, so träten diese höchstwahrscheinlich sofort in den Streik. Denn als Hengste – und um solche scheint es sich tatsächlich zu handeln – sind sie für edlere Aufgaben bestimmt als Müllkarren zu ziehen. Letztere könnten in einer Kleinstadt wie Avenches mit recht kurzen Distanzen problemlos durch Elektromotoren angetrieben werden. Damit würde allerdings die Werbeaktion für das seit langem umstrittene Hengstendepot (so hiess diese Anstalt einst tatsächlich) wegfallen. Das wäre für die edlen Vierbeiner zwar nachteilig, aber immer noch besser, als buchstäblich vor den Müll gespannt zu werden.

    Hans Rudolf Dörig, Bern

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