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Viele Afrikaner wissen heute nicht, was sie morgen zu essen haben. © NYT

Bedingungsloses Grundeinkommen auch in Afrika?

Christian Müller /  Die Digitalisierung in der industriellen Produktion macht Millionen von Arbeitsplätzen überflüssig. Die Globalisierung der Armut…

Niemand weiss besser als die Ingenieure einer digitalisierten Welt im Silicon Valley in Kalifornien, dass es dank modernster Technologie immer weniger Arbeitsplätze geben wird. So ist es nicht erstaunlich, dass man sich gerade auch dort Gedanken darüber macht, wie die Menschheit selbst geschaffene – beabsichtigte – Erwerbslosigkeit meistert.

Klar ist, dass schon jetzt Millionen von Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben, vor dem Hungertod gerettet werden müssen, heute vor allem in vielen Regionen in Afrika, aber auch in Südamerika und in Asien – und wohl schon bald einmal auch in der nördlichen Hemisphäre.

Die meisten Hilfsorganisationen verteilen in den Hunger-Regionen Nahrungsmittel und Material zum Leben, Kleider zum Beispiel oder Bettwaren. Sie fürchten, dass bares Geld nicht wirklich sinnvoll eingesetzt würde. Ein anderes Konzept ist der Mikrokredit, ein ganz kleiner Kredit, der es den armen Menschen in den Entwicklungsländern erlaubt, irgend ein kleines «Business» aufzubauen. (Bei diesen Organisationen gilt, notabene, dass das Geld den Frauen gegeben wird, weil diese langfristig denken und handeln, während die Männer allzuleicht der Versuchung erliegen, das unerwartete Geld in ein fröhliches und vor allem alkoholträchtiges, aber eben nicht sehr nachhaltiges Fest zu «investieren»…)

In Kalifornien gibt es eine mittlerweile recht grosse Organisation, die nun aber doch anders denkt. GiveDirectly ist überzeugt, dass es besser ist, direkt Geld zu verteilen – in Afrika mit einem ebenfalls im Silcon Valley entwickelten System, wie Geld von einem Handy zum anderen übertragen werden kann. Man habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, sagen sie, und ein Hauptargument dabei ist, dass dann von den Spendengeldern mehr als 90 Prozent wirklich den Ärmsten der Armen zugute kommt, und nicht, wie üblich, ein Grossteil des Spendengeldes von den Hilfsorganisationen für die Administration und die Verteilung der Hilfsgüter verwendet werden muss.

Universal Basic Income – im neoliberalen Amerika?

Ein anderes Konzept gegen die Armut infolge von Arbeitslosigkeit, das Konzept eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), ist als Idee in Europa schon weitverbreitet. Die Schweizer Bürger hatten sogar das Privileg, über dessen Einführung abstimmen zu dürfen. Die deutliche Ablehnung war allerdings programmiert, der Glaube, dass arbeiten muss, wer leben will, ist noch zu sehr verwurzelt – in Verkennung der Probleme, die auch hierzulande schon in Sichtweite sind. In Finnland sind eben erste Versuche mit dem BGE gestartet worden. Und es gibt kaum ein europäisches Land, in dem über dieses Thema, wenn auch zum Teil als «Spinneridee» missverstanden, nicht wenigstens diskutiert wird. Gerade vor drei Wochen hat auch der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit einem eindrücklichen Video dazu aufgerufen.

Aber eine solche Idee in den USA? In den USA, wo nichts so fremd erscheint und sogar als gefährlich taxiert wird, wie der in Europa bewährte Sozialstaat?

Fehlschluss. Auch in den USA existiert diese Idee und wird auch schon zaghaft propagiert. Man sehe etwa die Website Universal Basic Income.

Und in Afrika?

Jetzt ist die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens, die Idee des Universal Basic Income, auch im Silicon Valley angekommen. Und dank den Spenden einiger Millionäre ist man auch bereits soweit, das Modell zu testen – dort nämlich, wo es am meisten Hungernde gibt: direkt in Afrika. In einer wirtschaftlich aussichtslosen Region in Kenya – es handelt sich um einige Dörfer mit zusammen 6000 erwachsenen Personen – erhalten seit zwei Jahren alle erwachsenen Einwohner jeden Monat in der Lokalwährung 2280 Shillings, was 22 US-Dollars entspricht. Das reicht in der lokalen Kaufkraft aus, diesen Menschen eine Existenz zu ermöglichen, sprich: sich zu ernähren und zu kleiden. Und dieses Grundeinkommen ist fix versprochen für einen Zeitraum von zwölf Jahren.

Das Ziel ist, in der Praxis zu erkennen, wie sich das System auswirkt. Beginnen die Menschen dort aufzuleben? Dank sicherer Existenz etwas zu unternehmen? Oder fallen sie erst recht in Fatalismus und Apathie?

Es ist so oder so hocherfreulich, dass solche Versuche gemacht werden. Die im konkreten Beispiel dafür notwendigen 20 Millionen Dollar sind ein Pappenstiel gegenüber den Kosten, die uns aus der unkontrollierten Immigration aus Afrika entstehen. Spätestens seit der Chinesischen Mauer, die sich – je nach Zeitpunkt – über mehrere tausend Kilometer erstreckte, weiss man, dass auch Mauern die Migration nicht aufzuhalten vermögen. Auch Donald Trump wird diese Erfahrung machen müssen.

Der einzige Weg, die Migration in einem für alle Seiten erträglichen Rahmen zu halten oder sogar in eine alle Seiten bereichernde Entwicklung umzuformen, führt über die Schliessung der heute viel zu tiefen Kluft zwischen Arm und Reich. Dieses Problem muss dringend angegangen werden. Warum nicht mit einem Universal Basic Income, einem BGE, in dessen Folge dann, zum Beispiel, auch die Kinder der Ärmsten in die Schule gehen können?

Einen guten Einblick in das Experiment in Kenya gab am 23. Februar 2017 eine Reportage im Magazin der New York Times.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

AfrikaHilfe

Afrika: Ausbeutung und Hilfe

Die Industriestaaten profitieren von Hungerlöhnen und Kinderarbeit. An Korruption sind sie oft beteiligt.

Banknoten

Bedingungsloses Grundeinkommen

Es kommt zur Abstimmung: Ein Grundeinkommen für alle statt diverse Sozialleistungen?

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7 Meinungen

  • am 27.02.2017 um 13:38 Uhr
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    "Bedingungsloses Grundeinkommen» – eher in Afrika als bei uns!!! Wir vermöchten das ja sogar von hier aus zu finanzieren, wenn der Geiz (jaja, ich weiss, es ist nur Existenz-Angst 😉 ) endlich eliminiert werden könnte.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 27.02.2017 um 14:04 Uhr
    Permalink

    Afrika ist ein grosses Land.

    In vielen Ländern ist Subsistenz-Landwirtschaft immer noch die Regel. Da sind Hilfslieferungen gutmeinender «Helfer» im wesentlichen Instrumente zur Abhängigkeit. Das haben die Missionare schon geschafft. PL480, das Hilfsprogramm der USA, welches die landwirtschaftliche Überschussproduktion der USA auf die Weltmärkte als «Hilfe» warf, hat weiter zu dieser negativen Entwicklung beigetragen.

    Der Fisch hilft vielleicht heute, Fische fangen zu können hilft vielleicht etwas dauerhafter.

    Helikoptergeld für Afrika fördert im besten Fall die industrielle Bierbrauerei westlicher Provenienz. Für die Entwicklung der betroffenen Länder ist das Unsinn. Um den Wirtschaftsflüchtlingsstrom zu reduzieren ist das vollständig jenseits von gut und böse, schlicht absoluter Blödsinn.

    Es wäre an der Zeit, auch aussereuropäischen Leuten auf «Augenhöhe» zu begenen und die missionarischen Phantasmen früherer Generationen ruhen zu lassen.

  • am 27.02.2017 um 14:46 Uhr
    Permalink

    Es wird schwierig sein,in Afrika ein BGE zu finanzieren.
    Denn von irgendwo soll dieses Einkommen doch generiert werden..
    Soweit ich gelesen hatte, gab es in Indien eine Bank, Die Mikrokredite anbot,
    Und es soll funktioniert haben.
    Bei uns gab es ja die Abstimmung, bei welcher die Finanzierung zu teuer schien. Leider wurde für die Finanzierung nur die Mehrwertsteuer diskutiert und nicht die Mikrosteuer, wie der Zürcher Finanzunternehmer Bolliger vorschlug.Diese wäre für die Meisten vorteilhaft, wäre aber von den Grossbanken bekämpft, denn das Hochfrequenztrading würde zu teuer für Sie.
    Mehrere Denker vertreten heute noch die Mikrosteuer auf elektronische Zahlungen.
    Obwohl nicht vom Fach, scheint mir diese die einzige Lösung für die meisten europäischen Staaten zu sein.
    Hoffen wir, dass diese Lösung sich mal verwirklicht.
    Sie wäre eine neutrale Lösung, mit Entlastung des bestehenden Steuerdruck.
    Sowohl Unternehmer als auch Arbeitsnehmer würden davon profitieren.
    Einziges Problem:der Standort Schweiz wäre für Unternehmen fast zu attraktiv!

    Jedenfalls wäre ein Meinungsaustausch darüber willkommen.

  • am 27.02.2017 um 18:02 Uhr
    Permalink

    @Sergio Rivoir: Bei der Microsteuer haben wir ähnlich problemeatische Vorschläge zur Finanzierung wies beim bGE war. Beide Finanzierungsvorschläge würden den Reichen zu Gute kommen und die Armen hätten weniger als jetzt. Rechnen wir doch mal gemeinsam nach: angenommen jemand verdient im Jahr 200000 SFR. Er bezahlt jetzt im Jahr ca. 10% Steuern, also 20000 SFR – mit der Microsteuer lacht er sich ins Fäustchen….
    Wie sieht es bei jenen aus, die heute grad so am Limit leben und kaum Steuern bezahlen – weils gar nichts zu holen gibt? Diese können dieser Steuer nirgends ausweichen – die Steuer wird abgewälzt und jede Zahlung von Mieten, Strom, Wasser usw. wird mit der Microsteuer belastet – immer noch überzeugt von der Microsteuer für alle?

  • am 27.02.2017 um 19:29 Uhr
    Permalink

    Jawohl,ich bleibe überzeugt.
    Auch Reiche werden entlastet, einverstanden.sie haben auch am System der Mikrosteuer Interesse. Man vergesse nicht, dass es eine MIKRO Steuer ist,mit
    Kleinsten Beträgen über den Konsum.
    Wenn die Reiche viel konsumieren, dann zahlen Sie ihren Beitrag über den Konsum.Das System ist nicht «gegen» Jemanden.
    Valide Wissenschaftler, wie zB Prof. Marc Chesney von der Uni Zürich haben den Bedarf ausgerechnet,und kommen zum Schluss, dass dieses System idealerweise in allen überschuldeten europäischen Staaten vorteilhaft wäre.
    Im vor kurzem erschienen Buch von Professor Chesney sind alle Berechnungen dargestellt.Nach Ihren Angaben könnten sogar Teile der aktuellen Steuerbelastung zurückgeschraubt werden, und es geht weiter, denn
    je nach Berechnung der Mikrosteuer auch Teile der grossen Sozialversicherungen wären gedeckt.
    Mit kluger Anwendung des Systems könnten auch die immer schlimmer werdende Gesundheitskosten mitfinanziert werden.
    Haben Sie den Betrag der Mikrosteuer vor Augen?
    Bei einem Satz von 0,2% würde eine Zahlung von 100 Fr nur mit 20 Rappen belastet.
    Ich empfehle die Schrift von Felix Bolliger im Internet zu studieren.

  • am 27.02.2017 um 22:07 Uhr
    Permalink

    An der Frage, wie man bessere Verhältnisse in Afrika erreichen könnte, haben sich schon manche die Zähne ausgebissen. Das Ziel muss sicher sein, dass auch die Länder dieses Kontinentes eigenständig funktionieren können. Noch wichtiger, als Entwicklungshilfe zu leisten, wäre es wohl, schädliche Machenschaften auswärtiger Akteure (z.B. Bestechung, unfairer Rohstoffhandel, Waffenlieferungen, …) zu unterbinden.
    Bezüglich Grundeinkommen schliesse ich mich gerne der Meinung von Josef Hunkeler an.

  • am 28.02.2017 um 01:17 Uhr
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    Ich danke für die interessante Hinweise aus verschiedenen Quellen.
    Viele Informationen müsste ich noch in den nächsten Stunden gut lesen und verarbeiten.
    Dazu brauche ich noch Zeit.
    Ermunternd ist die Tatsache, dass offenbar Viele Leute sich mit diesen Gedanken beschäftigen, und neue Ideen vorgeschlagen werden.
    Ein Brainstorming generiert möglicherweise Lösungsvorschläge.
    Schauen wir, welche Gedanken sich behaupten!
    Wir haben vor uns eine Gemeinschaft von creativ Denkenden Leuten,
    Also schon ein Reichtum.
    Seien wir froh, dass diese Platform Infosperber diesen Gedankenaustausch fördert.

    Herzlichen Dank an Allen Beteiligten

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