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Nach radioaktivem Unfall: «Tiere werden durch gründliches Abwaschen vom radioaktiven Staub befreit» © cc

So jubelten uns die Behörden die Atomkraft unter

Urs P. Gasche /  Lange ist es her, seit in der Schweiz die Weichen für die Atomkraft gestellt wurden. Die Bevölkerung wurde zum Narren gehalten.

In seinem laufenden Programm «Ke Witz! Bänz Friedli gewinnt Zeit» erinnert der Satiriker an eine Realsatire: Die «Aufklärung» der Bevölkerung über die Gefahren eines Atomunfalls. Bis tief in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurden beispielsweise Zivilschützer extrem verharmlosend darüber aufgeklärt, was bei einer atomaren Verseuchung zu tun sei:

Diese im Jahr 1965 erstellte und lange benutzte Broschüre mit dem Titel «Der Schutz vor radioaktivem Ausfall in der Landwirtschaft» erläutert, was zu tun ist, wenn «der radioaktive Niederschlag aufgehört hat und als schwach sichtbarer Staub auf Gebäuden, Maschinen, auf Vieh, das im Freien stand, auf Feldfrüchten und Wiesen liegt».
«1. Im Hausinnern:
eventuell eingedrungenen radioaktiven Staub mit feuchtem Lappen aufnehmen. Wasser vom Haus entfernt wegschütten. Lappen vergraben.» Dazu der Aufruf «Gummihandschuhe tragen!»:

Grössere Auflösung hier.
Für die Reinigungsarbeiten ausserhalb des Hauses empfahl die behördliche Broschüre, die von der Atomlobby inspiriert wurde: «Gebäudedächer mit Wasser abspritzen (Schlauch); Landwirtschaftliche Geräte und Maschinen (Motormäher, Traktor, Mähdrescher usw.) mit Wasser abspülen. Mittel: Wasserschlauch, Eimerspritze, Pflanzenschutzspritze usw.»:

Grössere Auflösung hier.

Weitere Broschüren
In den Sechziger- und Siebzigerjahren wurde die Bevölkerung noch mit weiteren «Aufklärungs»broschüren beruhigt, mit u.a. folgenden Illustrationen:

«Der radioaktive Ausfall kann durch Abspritzen entfernt werden.» Grössere Auflösung hier.

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Originalausschnitt aus Bänz Friedlis Programm:

«Billiger Atomstrom für 2,9 Rappen pro Kilowattstunde»
Die damalige «Schweizerische Vereinigung für Atomenergie», in der die Atomlobby vereinigt war, verbreitete «Kernpunkte: Kurzdokumentation zur Kernenergiediskussion».

«Kernpunkte: Kurzdokumentation zur Kernenergiediskussion: Tatsachen und Argumente», 14.8.1979
Erstes Argument: Strom aus Kernkraftwerken sei billiger als Strom aus andern Quellen. Er koste «2,9 Rappen je Kilowattstunde».
Zu möglichen Risiken zitierte die Dokumentation einen kanadischen «Regierungsberater», der versichert habe: «Kernenergie ist mindestens 2-100 mal harmloser als Sonnenenergie, Öl oder Kohle.» Diese Vergleiche seien «allgemein anerkannt». Allerdings würden «extreme Umweltschützer» darauf hinweisen, dass es unmöglich sei, «absolute Sicherheit» zu gewährleisten und wollten deshalb auf die Kernenergie verzichten: «Der Verlust von Millionen von Arbeitsplätzen schert sie nicht .… Selbst Atmen und Essen bringen unzählige Gefahren mit sich. Müssten wir da nicht auch besser darauf verzichten?»
«Warum aber» fragt die Lobby-Dokumentation, «opponieren angesichts der einzigartig günstigen Sicherheitsbilanz der westlichen Kernkraftwerke sonst ganz intelligente Leute mit derartiger Heftigkeit dagegen?» Die Antwort: Laut einem Professor Hildren seien es «Gesinnungsterroristen, die abweichende Meinungen zum Verbrechen stempeln».
Wer wollte schon zu solchen gehören?

Teppichvorlage für Satiriker
Die in der ETH-Bibliothek ausgegrabene Zivilschutzfibel aus dem Jahr 1965 ist für den Satiriker Bänz Friedli eine Teppichvorlage. Sie dient aber nur einem kleinen Ausschnitt seines laufenden Programms «Ke Witz! Bänz Friedli gewinnt Zeit». Die vier Vorstellungen in Bern waren bis auf den letzten Platz ausverkauft. Hier seine Webseite und die Daten kommender Vorstellungen in Basel, Bülach ZH, Küssnacht SZ, Berikon AG, Luzern, Biel, Olten, Thal SG, Zürich usw.

Bänz Friedli


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

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2 Meinungen

  • am 4.10.2016 um 14:46 Uhr
    Permalink

    danke, lieber urs gasche für diese beispiele. die irreführung der untertanen erleben wir tagtäglich – heute allerdings wesentlich raffinierter als damals:
    — 1. wir brauchen wachstum (widerspricht art. 2 und 73 der bundesverfassung)
    — 2. to big to fail (wiederspricht punkt 6)
    — 3. tina – there is no alternative (widerspricht der demokratie)
    — 4. der böse putin – wir sind die guten (unausgewogen)
    — 5. atomenergie ist co2-frei (lüge)
    — 6. freie marktwirtschaft (1% vom bip gehen als subventionen an grossbanken: prof. m. chesney)
    — 7. gesundheitssystem (je kränker wir sind umso besser für «die wirtschaft"
    — 8. nachhaltige entwicklung braucht unendliches wachstum (vgl. Ziel 8 und 8.1 der sdg’s: http://www.infosperber.ch/Wirtschaft/Agenda-2030-Bundesrat-Wachstumsstrategie-vs-Nachhaltigkeit
    … das einizig extreme, das von mmm’s* positiv gewertet wird, ist https://www.frisco.ch/de/extreme-cornet

    *mmm: massenmanipulationsmedien

  • am 10.10.2016 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Ich schliesse mich der Aufzählung von Alec Gagneux an und verlängere die Liste der Absonderlichkeiten spontan um ein paar Punkte.

    Ich frage mich z.B. immer wieder, wie es der AKT Lobby gelingt, das Risiko eines Reaktorunfalls so herunterzuspielen, dass die meisten CH BewohnerInnen des Nachts atomangstfrei schlafen? Das Risiko, dass ein alter Atomschrittmeiler versagt, nimmt jetzt laufend zu und kann bereits nciht mehr als Restrisiko abgetan weden.

    Weshalb war es attraktiv, in den letzten 50 Jahren so viele AKWs weltweit zu bauen? Wohl, weil sich für die Strombarone damit Geld verdienen liess. Umso mehr erstaunt, dass heute Energie zum Schleuderpreis erzeugt und gehandelt wird. Ich merke aber davon nichts – meine kWh kostet immer noch 19 Rp. wie vor 20 Jahren. Wo bitte versickern meine Gebühren? In der Vollkostenrechnung? Diesen Begriff scheut die AKW Lobby wie der Teufel das Weihwasser. Würde man alle Aufwände zum Betrieb eines AKW inkl. Rückbau und Entsorgung berücksichtigen, kämen wahrscheinlich die kWh so teuer, dass aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Betrieb eines AKW ein Verlustgeschäft wäre.

    Der Titel des gut geschrieben Artikels stimmt: «Der Bevölkerung wurde ein faules und giftiges Ei untergejubelt und die Bevölkerung ist zum Narren gehalten worden – und wird weiterhin genarrt».

    Deshalb Atomausstiegsinitiative JA und Energiestrategie 2050 NEIN.

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