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Giesskanne als Symbol des Giesskannenprinzips © pergamepaper.depositphotos

13. AHV-Rente: Das Scheingefecht mit der Giesskanne

Urs P. Gasche /  Auch Millionäre würden die 13. Rente erhalten. Doch viele Kritiker sind unglaubwürdig, weil sie sonst gerne Trittbrettfahrer sind.

Eines der Hauptargumente gegen eine 13. Auszahlung der AHV-Rente ist das Giesskannenprinzip: Es profitieren alle davon, auch diejenigen, welche die 13. Rente für das Existenzminimum nicht brauchen.

Das Giesskannenprinzip, das alle über den gleichen Leisten schlägt, ist grundsätzlich eine verschwenderische Politik. Denn es werden Sozialleistungen an viele wohlhabende Trittbrettfahrer ausbezahlt. Aber auch von Subventionen und Steuererleichterungen profitieren viele Trittbrettfahrer und -fahrerinnen.

Wenn stets nur Bedürftige protitieren würden, könnte der Staat Milliarden an Steuergeldern sparen. 

Das Giesskannenprinzip findet meist grosse Mehrheiten

Das Problem: Das Giesskannenprinzip ist beliebt, weil der Kreis der Befürworter von Sozialleistungen, Subventionen und Steuererleichterungen viel grösser ist, wenn auch Trittbrettfahrer mit ins Boot genommen werden.

Zwei bekannte Ausnahmen vom Giesskannenprinzip sind 

  • die Vergünstigungen der Krankenkassenprämien nur für Einkommensschwache; 
  • die Ergänzungsleistungen für Pensionierte mit geringem Einkommen. 

Ausgerechnet diese Ergänzungsleistungen wurden seit 1. Januar 2024 für Zehntausende Rentnerinnen und Rentner gekürzt, weil es die bürgerliche Mehrheit im Parlament im Jahr 2019 so beschlossen hatte.

AHV-Erhöhungen schon immer nach dem Giesskannenprinzip

Es ist das erste Mal, dass bei der AHV eine Erhöhung der Leistungen mit dem Argument bekämpft wird, dass sie sämtlichen Bezügerinnen und Bezügern zugutekommt. Bei den vielen vergangenen Anpassungen an die Reallöhne und an die Teuerung war das Giesskannenprinzip nie ein Thema. Ein Grund liegt darin, dass Vielverdienende überpropotional viel in den Topf der AHV einzahlen: Ob jemand 90’000 Franken oder zwei Millionen Franken verdient: Auch den Grossverdienern werden über fünf Prozent des Lohns für die AHV/IV/ EO abgezogen. Weitere fünf Prozent, welche die Arbeitgeber zahlen müssen, sind ebenfalls Bestandteil der Lohnkosten. Doch beide erhalten die gleiche Rente von maximal 2450 Franken monatlich. Deshalb ist die AHV eine ausgesprochen soziale Versicherung.

Die Mitte-Partei unter Gerhard Pfister schlägt mit einer Volksinitiative vor, dass verheiratete Paare – statt wie bisher maximal nur 1,5 Vollrenten – künftig zwei Vollrenten erhalten – und zwar unabhängig davon, ob es sich um einkommensschwache Paare oder um Millionäre handelt. Also genau das Giesskannenprinzip, das die gleiche Partei bei der 13. Rente kritisiert.

Die meisten schieben das Argument nur vor

Das Argument des Giesskannenprinzips und der Trittbrettfahrer gegen die 13. AHV-Rente ist auch bei den meisten anderen Abstimmungsgegnerinnen und Abstimmungsgegnern nur vorgeschoben. Denn wenn es tatsächlich darum ginge, müssten sich diese auch gegen das Giesskannenprinzip einsetzen, wenn es um Subventionen und um Steuererleichterungen geht. 

Denn meistens hängt das Recht auf Subventionen und Steuererleichterungen von vielfältigen Kriterien ab, aber nur selten vom Einkommen und Vermögen. 

Einige Beispiele:

Alle Eltern in einem Kanton erhalten gleich hohe Kinderzulagen – es profitieren also auch alle wohlhabenden Eltern.

Der Landwirtschaft wird die Benzinsteuer erlassen. Und ausgerechnet für Dünger und Pflanzenschutzmittel zahlen die Bauernbetriebe eine geringere Mehrwertsteuer – es profitieren auch alle reichen Grossbauern davon.

Von einer tieferen Mehrwertsteuer profitieren auch sämtliche Hotels. Und vergünstigte Darlehen erhalten selbst ein Hotelausbau in St. Moritz oder der Bau eines Wellnessbereichs – unabhängig davon, wie gut diese Hotels rentieren. Die Eidgenössische Finanzkontrolle schätzt, dass zwei von fünf Steuerfranken an solvente Hotelunternehmen und an solvente Bergbahnen gehen, die auch ohne Subventionen investiert hätten. Jürg Müller, Direktor von «Avenir Suisse», fragte in der «NZZ am Sonntag» rhetorisch: «Warum soll der Ausbau eines Hotels mit öffentlichen Geldern alimentiert werden, aber nicht der Ausbau einer Bäckerei?»

Ein weiteres Beispiel: Jährlich satte 5,6 Milliarden Steuerfranken gehen an den Infrastrukturfonds der Bahn. Doch alle Bahnfahrenden zahlen die gleichen Preise – unabhängig von ihren Einkommen und Vermögen. Wohlhabende sind Trittbrettfahrende.

Fazit: 

Das Giesskannenprinzip, das alle über den gleichen Leisten schlägt, ist grundsätzlich eine Verschwendung von Steuergeldern und Sozialbeiträgen. Sozialleistungen, Subventionen und Steuererleichterungen gezielt nur an Bedürftige auszurichten, würde viele Milliarden sparen.
Doch die vielen, die eine 13. AVH-Rente mit dem Argument der Giesskanne ablehnen, jedoch viele andere Giesskannen nicht bekämpfen, sondern selber von ihnen profitieren, sind nicht glaubwürdig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Zukunft der AHV und IV

Die Bundesverfassung schreibt vor, dass die AHV- und IV-Renten den Existenzbedarf angemessen decken müssen.

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17 Meinungen

  • am 5.02.2024 um 10:51 Uhr
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    Und jetzt kommt die grösste rechtsbürgerliche Masche: Sie haben eine andere Idee anstatt die jetzige Initiative 13. AHV Rente. Heute tönen die grossmäulig, wird diese Initiative abgelehnt werden Rechtsbürgerliche alles vergessen haben und sich nicht mehr erinnern. Unsägliche, unseriöse Taktik.

    • am 5.02.2024 um 22:38 Uhr
      Permalink

      Danke, Herr Basler: Perfekt erkannt: Wie bei der Konzernverantwortungsinitiative: Wir sollten keinen Aleingang machen. Wir sollten mit der EU zusammen. Und jetzt wo die EU daran arbeitet, steht die Schweiz abseits!

    • am 7.02.2024 um 23:57 Uhr
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      ja, und was wurde den frauen alles versprochen von der bürgerichen seite als es um die AHV-21 ging. und was ist eingehalten worden?

  • am 5.02.2024 um 11:53 Uhr
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    Ein weiteres Argument gegen das sog. AHV-Giesskannenprinzip: Die AHV ist primär ein Solidar-Werk und solidarisch beteiligen sich alle – als individuell Zahlende und individuell Nutzniessende.

  • am 5.02.2024 um 11:59 Uhr
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    Sehr guter Beitrag, vielen Dank! Wer mit dem Giesskannenargument gegen die 13. AHV-Rente ins Feld zieht, greift in Wirklichkeit nicht die 13. Rente, sondern das System AHV als solches an. Manche Leute scheinen nicht mehr zu verstehen, wie die AHV funktioniert und warum das eine der besten Errungenschaften der modernen Schweiz ist.

  • am 5.02.2024 um 12:35 Uhr
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    Danke für den kritischen Kommentar zum Giesskannenprinzip. Trotzdem finde eine Abkehr von diesem ebenso Kontraproduktiv, weil meistens viel (Büro-)Aufwand für die weitere Kontrolle nötig ist. Die Stimmenden beantworten im März nur eine Frage: soll die AHV erhöht werden oder nicht? Widerspiegelt sie heute die minimalen Lebenskosten oder nicht mehr? Das Umlageverfahren (mit den fixen Prozenten) ist höchst sozial und lässt sich immer finanzieren! Je höher die AHV-Rente desto sozialer wird die Versicherung. Raten sie: Wer ist gegen die 13.AHV-Rente? Hinweis: Schauen sie auf deren Einkommen und Vermögen. Wenn sie Richter wären, dann müssten wahrscheinlich fast alle Gegner wegen Befangenheit in den Ausstand treten.

  • am 5.02.2024 um 14:09 Uhr
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    Nur weil ein paar «Falsche» auch profitieren, sollen viele andere, die es erwiesenermassen sehr nötig haben, LEER ausgehen? Eine tolle Einstellung. Egoismus hoch zwei.!

  • Werner_Vontobel
    am 5.02.2024 um 17:44 Uhr
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    Die AHV muss eine Giesskanne sein. Ihre volkswirtschaftliche Aufgabe ist es, Kaufkraft zu jenem Fünftel der Bevölkerung transferieren, das aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden ist. Wir brauchen die Oldies als Konsummotor. Davon hängen auch die Jobs der Jungen ab. Zwar braucht zumindest das reichste Fünftel der Rentner die 13. Rente nicht. Damit «verschwenden» wir etwa eine Milliarde. Aber das ist nur ein Bruchteil der schätzungsweise 10 Milliarden, die wir dadurch verschwenden, dass das reichste Fünftel alle Beiträge für die 2. und 3. Säule vor der Steuer absetzen darf. Wer sich gerne über die Giesskanne ärgert, darf dies in diesem Fall zu recht tun.

  • am 6.02.2024 um 00:01 Uhr
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    Das Argument «nur für die, die es nötig haben» hat bei den Ergänzungsleistungen dazu geführt, dass das Ziel, existenzsichernde Renten zu entrichten (Verfassungsauftrag!), vergessen wurde. Tappen wir nicht wieder in diese Falle!
    Ich bin nicht einverstanden mit der Aussage, dass wir hier Milliarden verschwenden mit dem Giesskannenprinzip. Die 4 Milliarden für die 13. AHV-Rente gehen zum grössten Teil an Menschen, die das zusätzliche Einkommen wieder ausgeben – für Steuern und Konsum. Ueber den Konsum fliesst das Geld in die lokale Volkswirtschaft und schafft dort weiteres Einkommen. In der Volkswirtschaftslehre gibt es dafür den Begriff des Multiplikatoreffekts, der umso grösser ist, je mehr vom zusätzlichen Einkommen in den Konsum fliesst: Wird drei Viertel des zusätzlichen Einkommens (hier 4 Mia) für Konsum ausgegeben, wächst das Volkseinkommen um das Vierfache, also um 16 Milliarden. Da sind die Beiträge für diejenigen, «die es nicht nötig haben», vernachlässigbar.

    • Favorit Daumen X
      am 6.02.2024 um 08:13 Uhr
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      In meinem Artikel steht nicht, dass ohne Giesskannenprinzip bei der 13. AHV-Rente Milliarden eingespart werden könnten. Die Milliarden beziehen sich explizit auf das Giesskannenprinzip bei allen Subventionen, Steuererleichterungen, Sozialbeiträgen und Sozialleistungen.

  • am 6.02.2024 um 08:06 Uhr
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    Die AHV wir uns auch vom 13. Monatslohn abgezogen, da ist es schon lange überfällig, dass die AHV auch 13 mal ausbezahlt wird. Geld ist genug da. Brauchen wir es doch mal für uns Schweizer Bürger und schicken es nicht ins Ausland.

  • am 6.02.2024 um 13:29 Uhr
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    Das Giesskannenargument scheint mir nicht widerlegt, höchstens relativiert, da es sowohl bei AHV wie auch an anderer Stelle vorkommt. Die Giesskanne ist somit auch kein Scheingefecht.

    Die Frage scheint wohl eher, wie hoch soll der Mindeststandard bei der AHV (die halt eben mit der Giesskanne operiert) gelegt werden. Ist dieses Level eher tief, dann muss die Altersarmut via Ergänzungsleistungen aufgefangen werden. Ist das Level eher hoch, dann wird die Finanzierungsfrage der AHV noch brennender.

    Selbst ohne AHV Erhöhung ist die Finanzierung auf bspw. zwei Jahrzehnte hinaus leider alles andere als gesichert. Eine 13. AHV Rente ist mMn ein viel zu teurer Versuch, der notabene auch nach hinten hinausgehen kann, wenn die AHV Finanzierung nicht gelöst wird.

    • am 7.02.2024 um 15:19 Uhr
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      Das grösste Giesskannenprinzip wird bei Steuersenkungen angewandt: dort profitieren die Reichen und sehr gut Verdienenden überproportional. Das Gleiche lässt sich auch bei den regelmässigen sog. Teuerungsanpassungen sagen: Ein Regierungsrat, eine Regierungsrätin oder eine Staatsanwalt, eine Staatsanwältin erhält bei, sagen wir 2% Teuerungsausgleich, überproportional mehr als jemand mit niedrigem Einkommen. Ich habe die Rechtspopulisten und Wirtschaftsliberalen dabei noch nie protestieren gehört. Bei der AHV ist der Betrag ja beschränkt auf das Maximum an Rente; so gesehen stimmt der Vorwurf nur bedingt und zeigt die Verlogenheit des Arguments.

    • am 7.02.2024 um 16:12 Uhr
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      Das Gejammere, die AHV sei nicht gesichert, wurde schon x-mal widerlegt. Solange man 28 Milliarden für 14 Spielzeugfliegerli haben, brauchen wir keine Angst zu haben. Wir wurden auch nicht gefragt ob wir die Erhöhung der Lebenshaltungskosten, die Energiekosten die Krankenkassenkosten usw. und so fort wollen, wir mussten das einfach schlucken, ohne die Details dazu zu kennen. Nun werden wir für einmal zu unserer Rente befragt, jetzt werden wir unsere Meinung und Überzeugung dazu sagen können. Trotz Weltuntergangsstimmung einiger Gegner der 13. Rente. Meine ganze Umgebung sagt ein wuchtiges JA dazu. Von den Miesmachern und Scheinheiligen haben wir nun genug, sind wir doch zu viele mal angelogen worden.

      • am 8.02.2024 um 09:27 Uhr
        Permalink

        @ Heuberger:
        Dass wir an einer Stelle dummes Geld rauswerfen, ist ein schlechtes Argument, dies an anderer Stelle auch zu tun. Emotional zwar nachvollziehbar, aber nicht zielführend.

        Sie stecken vor der weitgehend bekannten demographischen Entwicklung Ihren Kopf in den Sand.

        In einem Punkt gebe ich Ihnen aber recht. Auch in meiner Umgebung tendieren viele zu einem Ja. Die Begründung kann ich aus emotionaler Sicht nachvollziehen. Sobald man aber auch den Kopf noch ein bisschen einschaltet, überwiegen die Nachteile massiv. Einige sagen mir das auch, werden aber trotzdem ein ja einlegen.

    • am 8.02.2024 um 10:10 Uhr
      Permalink

      @Christian Schmid: Nicht wirklich: Die AHV ist keine Firma, die Konkurs gehen kann. Solange der Staat dafür bürgt kann eine überschuldete AHV höchstens den Schweizer Franken schwächen! Zudem kann die MWSt erhöht werden oder eine andere Steuer…

  • am 7.02.2024 um 08:26 Uhr
    Permalink

    Das Umlagesystem ist das sicherste Rentensystem, weil es selbst Kriege überleben kann. Dies kann kein anderes System. Die Frage an die Bestimmenden ist: wie gross soll der Vermögensunterschied sein? Auf wie wenig/wie viele Personen wollen wir die Vermögen verteilen? Die Vermögen der Einen sind die Schulden der Andern. Die monetäre Summe ist immer Null!

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