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Mehr Strom aus Sonnenlicht: Vorschlag für einen schnelleren, aber begrenzten Ausbau. © Y/flickr/cc

Solarstrom-Produktion optimieren statt maximieren

Hanspeter Guggenbühl /  Bundesrat und Stromlobby rechnen langfristig mit 20 Prozent Solarstrom. Besser wäre ein Optimum von 7 Prozent, aber schneller.

Inländischer Solarstrom deckt heute noch weniger als 0,5 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs. Bis 2050 soll dieser Anteil auf 20 Prozent erhöht, also mehr als vervierzigfacht werden. Dieses Ziel strebt sowohl der Bundesrat in seiner «Energiestrategie 2050» an als auch der Stromdachverband VSE in seinem (von ihm ungeliebten) Szenario 3 mit hundert Prozent erneuerbarer Stromproduktion.

Aber: Den Grossteil dieses solaren Ausbaus wollen Bundesrat und Stromlobby erst nach 2035 realisieren; einzig die «Umweltallianz» fordert 25 Prozent (!) Solarstrom schon bis zum Jahr 2035. Die Begründung für diese Verzögerung: Bund und VSE möchten mit ihrer solaren Anbauschlacht zuwarten, bis alle alten AKW abgeschaltet sind, die Marktpreise für Strom höher und die Kosten der Produktion von Solarstrom tiefer werden.

Szenario ökologisch und ökonomisch falsch

Dieses langfristige Maximierungs-Szenario ist falsch, nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch. Stattdessen plädiere ich für eine mittelfristige Optimierung. Konkret: Der Anteil von Solarstrom soll schon bis 2025 oder 2030 auf sieben Prozent erhöht werden, danach aber nur noch leicht ansteigen. Dies aus folgenden Überlegungen:

• Die Ernte von Strom aus Sonnenlicht (Photovoltaik) benötigt relativ viel Platz. Die geeigneten Flächen auf Hausdächern oder an Lärmschutzwänden sind zwar gross, aber nicht unbegrenzt. Mit einer Maximierung, wie sie Bund und VSE sowie die Solarlobby anstreben, riskiert man, dass unsinnige Photovoltaik-Anlagen realisiert werden. Dazu gehören etwa das Freiflächen-Projekt der CKW auf einer nebligen Wiese bei Inwil (LU) oder die geplante Anlage der EKZ über dem Walensee. Zudem verschärft ein forcierter Ausbau der subventionierten Photovoltaik auf sonnigen Hausdächern die Konkurrenz gegenüber Solarkollektoren, die mit höherem Wirkungsgrad Nutzwärme erzeugen.

• Neue dezentrale Solarstrom-Anlagen auf Hausdächern (bis 10 Kilowatt Leistung) produzieren heute schon Strom zu Kosten von 25 bis 30 Rappen pro Kilowattstunde (kWh), wenn man sich mit einer Rendite von 2,5 Prozent begnügt (die KEV vergoldet Photovoltaik-Anlagen unsinnigerweise mit einer Kapitalverzinsung von 5,0 %). Die Hochtarife für Haushalte bewegen sich gegenwärtig in der Grössenordnung von 20 Rappen/kWh; sie schwanken allerdings je nach EW. Das heisst: Die von den Tarifen nicht gedeckten Kosten des Stroms aus neuen dezentralen Photovoltaik-Anlagen sind schon heute auf fünf bis zehn Rappen/kWh geschmolzen. Ökonomisch nähert sich Solarstrom also bereits der sogenannten Netzparität.

• Die Preise für Solarmodule aus China werden zwar weiter sinken – nicht aber die Honorare von Solarfirmen, Dachdeckern und Elektrikerinnen, welche die Photovoltaik-Anlagen im Hochlohnland Schweiz montieren. Der Spielraum zur weiteren Verbilligung der photovoltaischen Produktion bis zum Jahr 2035 oder 2050 ist also relativ gering. Darum macht weiteres Abwarten wenig Sinn.

• Die Verteilnetze (Niederspannungs-Netze) können in der Regel einen Anteil von sieben Prozent Solarstrom im Jahresmittel respektive gegen hundert Prozent Solarstrom während einer sommerlichen sonnigen Mittagsstunde aufnehmen. Das bestätigt eine Untersuchung des Zürcher EKZ, des grössten Schweizer Stromverteilers. Das heisst: Bis zu einem Jahresanteil von sieben Prozent verursacht Solarstrom keine wesentlichen Zusatzkosten für Netzausbau oder Speicherung. Der eingespeiste Solarstrom kann also zu fast jeder Zeit in jener Region verbraucht werden, wo er produziert wird. Sein Wert ist damit nahezu gleich hoch wie die Tarife für den Strom, der über das Niederspannungsnetz in Haushalte oder Firmen geliefert wird; dies zu Hochtarifzeiten, in denen die Photovoltaik-Anlagen den Grossteil ihres Stroms erzeugen.

• Die Verteilung und Speicherung des Solarstroms hingegen sowie dessen Ersatz im dunklen Winter wird sich massiv verteuern, wenn das erwähnte Optimum von sieben Prozent Solaranteil am Schweizer Stromverbrauch überschritten wird. Andererseits können die Marktpreise für Solarstrom in sommerlichen sonnigen Überschussstunden gegen Null sinken, wenn der Solaranteil am Jahresstrom-Verbrauch auf 20 Prozent steigt.

Bedeutend höhere nicht gedeckte Kosten

Mein Fazit: Die nicht gedeckten Kosten eines Maximums an Solarstrom im Jahr 2050 dürften pro kWh bedeutend höher ausfallen als die ungedeckten Solarstrom-Kosten bei einem Optimum von sieben Prozent im Jahr 2025.

Diese Einschätzung illustriert folgendes Extrembeispiel: Will die Schweiz 20 Prozent ihres jährlichen Stromverbrauchs mit Solarstrom decken, so benötigt sie dazu eine installierte Spitzenleistung von zwölf Gigawatt. Denn 12 Gigawatt Photovoltaik-Leistung ergeben pro Jahr 12’000 Gigawattstunden (GWh) Solarstrom oder 20 Prozent des heutigen Schweizer Landesverbrauchs. Die temporäre Spitzenleistung von 12 Gigawatt, die während einer sonnigen Mittagsstunde erreicht werden kann, ist dreimal höher als der temporäre Bedarf in der Schweiz an einem sommerlichen Sonntagmittag (4 Gigawatt). Das bedeutet im Extremfall: In einer Mittagsstunde müssten acht GWh Solarstrom plus die nicht drosselbare Produktion der Schweizer Flusskraftwerke (zwei GWh) auf höhere Netzebenen transformiert, exportiert, gespeichert oder aber vernichtet (abgeriegelt) werden. Das erfordert riesige Zusatzinvestitionen in Netze und Speicher. Zudem müsste der Solarstrom im Winter zu einem wesentlichen Teil durch teure Importe oder fossile Kraftwerke ersetzt werden.

Der Vorschlag gilt aus heutiger Sicht

Mein Vorschlag für einen schnelleren, aber begrenzten Ausbau der Photovoltaik gilt aus heutiger Sicht. Fortschritte oder massive Kostensenkungen in der dezentralen Stromspeicherung können dieses Urteil ändern. Zudem liesse sich ein über die Schwelle von sieben Prozent hinaus wachsender Solarstrom-Anteil leichter verkraften, wenn er mit einem Rückzug des Stroms aus dem Wärmemarkt verknüpft würde. Statt Wärmepumpen müsste der Staat darum dezentrale WKK-Anlagen fördern, die nur im Winter Strom und Wärme erzeugen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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