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MSC versenkt das Schiff mit giftiger Ladung auf offener See © ECO srf

Die lange Ölspur der Genfer Reederei

Res Gehriger /  Ausgediente Frachter werden in Indien kostengünstig «entsorgt» – MSC bestätigt erstmals einen Fall von Schiffsversenkung.

Zum ersten Mal hat es die weltweit zweitgrösste Reederei Mediterranean Shipping Company MSC mit Sitz in Genf zugegeben: Im April 2011 wurde die havarierte MSC Chitra samt gefährlicher Fracht auf offenem Meer versenkt. Die MSC betreibt auch das hoch umstrittene Abwracken alter Schiffe im indischen Alang. Das SF-Wirtschaftsmagazin «ECO» hat darüber berichtet (Link zum Film siehe unten).
Nach einer Kollision im Hafen von Mumbai bekam die MSC Chitra im August 2010 schwere Schlagseite und verlor mehr als 800 Tonnen Öl, das die Küste der indischen Metropole verschmutzte. Die MSC Chitra, die unter der Flagge von Panama fuhr, hatte unter anderem Pestizide geladen, was die Bergungsarbeiten erheblich erschwerte.

Die MSC sieht sich als Opfer der Kollision. In ihrem Bericht werfen die indischen Untersuchungsbehörden allerdings auch der Crew der MSC Chitra Fehlverhalten vor. Nach der Havarie war die MSC Chitra eigentlich zur Verschrottung vorgesehen. Das SF-Wirtschaftsmagazin «ECO» zeigte am 16. Januar: Das Schiff wurde im April 2011 in internationale Gewässer geschleppt und dort samt der an Bord verbliebenen Fracht versenkt.
Uno wurde nicht informiert

Ein Schiff mit gefährlicher Fracht zu versenken, ist gemäss Uno-Konvention verboten. In Notfällen kann ein Flaggenstaat eine Versenkung bewilligen, muss aber vorgängig die Internationale Seeschifffahrts-Organisation der Uno, IMO, konsultieren. «Im Fall der MSC Chitra wurde die IMO bislang weder über die Versenkung noch über eine allfällige Bewilligung dazu informiert», teilte die Uno-Behörde «ECO» mit.

Laut MSC habe es keine andere praktikable Möglichkeit gegeben, als das Schiff zu versenken. Die indischen Behörden hätten den Abtransport der MSC Chitra verlangt, danach habe man eine Umweltverträglichkeits-Prüfung veranlasst und das Schiff schliesslich mit einer offiziellen Bewilligung aus Panama versenkt. Panama hat die Uno aber nicht informiert.

Zum Zeitpunkt der Versenkung sei die MSC Chitra allerdings nicht mehr unter der Kontrolle der MSC gestanden, schreibt MSC.

Die Rolle von MSC im indischen Alang

Alang ist der grösste Schiffs-Friedhof der Welt. Der Ort liegt im Bundesstaat Gujarat, im Westen Indiens. Wanderarbeiter aus den ärmsten Gegenden des Landes verschrotten hier Frachter und Passagier-Schiffe direkt am Strand und hantieren dabei ungeschützt mit gefährlichen Materialien wie Asbest und PCB. Ölrückstände gelangen oft direkt in die Umwelt.

Mangelhafter Schutz der Arbeiter und Umwelt-Verschmutzung in Alang beschäftigen gleich mehrere Uno-Behörden: Die International Labour Organization, die International Maritime Organization und die Umweltbehörde UNEP. Bislang konnte sich die internationale Gemeinschaft aber nicht zu bindenden Vorschriften zum Schiffs-Recycling durchringen.
Wie meine Recherchen für das Wirtschaftsmagazins «ECO» ergaben, hat die in Genf beheimatete Reederei MSC allein seit 2009 über 30 Schiffe in Alang entsorgt. MSC gehört somit zu den wichtigsten Lieferanten der umstrittenen indischen Schiffsrecycler.

«Es ist klar, dass MSC über die Zustände in Alang voll im Bild ist. MSC stellt Profitstreben über Menschenleben und über den Umweltschutz», sagt Ingvild Jenssen von der NGO Platform on Shipbreaking, einem Zusammenschluss von 16 Umwelt- und Menschenrechts-Organisationen (darunter Greenpeace und die International Federation for Human Rights).

Was Jenssen besonders empört: 2009 ereignete sich beim Abwracken der MSC Jessica eine Gas-Explosion, bei der sechs Arbeiter starben.
«Mittelsmänner manipulieren Schiffs-Papiere»

Das Schiff war zum damaligen Zeitpunkt bereits nicht mehr im Besitz der MSC. Um ihre Verantwortlichkeiten zu limitieren, verkaufen die Reedereien ihre Schiffe nicht direkt an die Verschrotter, sondern schalten Mittelsmänner dazwischen, sogenannte «Cash-Buyer».

Diese Mittelsmänner erschweren es den indischen Behörden, die wahren Eigentümer der Schiffe zu eruieren. Die «Cash-Buyer» hätten Adressen, an denen man sie nie finden könne, und sie manipulierten die Schiffs-Papiere, sagte Pravin Nagarsheth, Vorsitzender des Verbands der Verschrotter von Alang, gegenüber «ECO».

MSC: Kein Interview

MSC stand für ein Interview vor der Kamera nicht zur Verfügung. Die Firma betont aber, das Abwracken in Alang sei völlig legal und branchenüblich. Wenn ein Schiff einmal auf den Strand gefahren ist, sind die Abwrackungsbetriebe für die Arbeiten verantwortlich.
Serie von Unfällen

Am 16. Januar 2012 berichtete «ECO» über eine ganze Serie von Schadensereignissen, in die MSC verwickelt war:

• Die MSC Al Amine verursachte 2005 im Golf von Tunis eine Ölpest.

• 2006 musste MSC in den USA 10 Millionen Dollar Busse bezahlen, weil von der MSC Elena absichtlich Ölschlamm ins Meer geleitet worden war.

• 2007 lief die MSC Napoli vor der englischen Küste auf Grund.

• Im Dezember 2010 pumpte die MSC Perle mit Öl verseuchtes Ballastwasser in den Hafen von Haifa. Am 10. Oktober 2011 verurteilte ein israelisches Gericht MSC deswegen zu einer Busse von 280‘000 Dollar.
«Umweltschutz gehört zur Unternehmenskultur»
Analysten der dänischen Beratungsfirma Seaintel Maritime haben in einer Studie die Umwelt- Performance Gesamtresultat oder Ertrag eines Wertpapiers über eine definierte Zeitperiode. Die Performance ist die Entwicklung eines Wertpapiers. Performance der 20 grössten Container-Schifffahrtsgesellschaften untersucht. MSC landet im Vergleich weit hinten, als vorletzte.

Ein Hauptgrund dafür sei das hohe durchschnittliche Alter der MSC-Flotte, das deutlich über dem der Konkurrenz liege. MSC bezeichnet die Studie als oberflächlich und verweist darauf, dass Umweltschutz bei MSC zur Unternehmenskultur gehöre.
Im Oktober 2011 löste die Havarie des Frachters MSC Rena eine der grössten menschengemachten Umweltkatastrophen in der Geschichte Neuseelands aus. Die Rena war von MSC gechartert worden. Das Schiff gehört der griechischen Reederei Costamare. Versicherungsfachleute gehen davon aus, dass die Verantwortlichkeiten für die Havarie erst vor Gericht endgültig geklärt werden.
GENFER MSC: UNTER DER FLAGGE VON PANAMA

MSC ist eine Privatfirma mit Sitz in Genf. Die Gesellschaft wurde 1970 vom gebürtigen Italiener Gianluigi Aponte gegründet und beschäftigt weltweit 30‘000 Mitarbeiter. Die meisten der 450 Containerschiffe fahren unter der Flagge von Panama. MSC transportiert jährlich 12 Millionen Container und macht damit der dänischen Reederei Maersk die Stellung als Branchenleader streitig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Autor des Beitrags in der Sendung ECO von SF.

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Eine Meinung zu

  • am 25.01.2012 um 12:49 Uhr
    Permalink

    Umweltsünden sollten vermehrt publiziert werden. Man sollte SF dazu verknacken, solche Themen mehrmals in Prime-Time Sendezeiten zu wiederholen.

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