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Der bestehende RBS-Bahnhof soll durch einen neuen Tiefbahnhof ersetzt werden © RBS

Der teuerste Schmalspurbahnhof Europas

Richard Aschinger /  Der Berner Grosse Rat stimmte trotz Bedenken dem RBS-Tiefbahnprojekt zu. Jetzt bleibt die Frage, ob die Bundesbehörden mitmachen.

Im November 2013 lief die Referendumsfrist ab. Damit ist das Projekt «Zukunft Bahnhof Bern» (ZBB) auf kantonaler Ebene entschieden. In einer ersten Etappe soll unter der SBB-Perronhalle ein viergleisiger Tiefbahnhof für Züge der im Pendlerverkehr wichtigen RBS (Regionalverkehr Bern Solothurn) erstellt werden. Die Bahnanlagen kosten 520, Publikumswege 350 Millionen Franken. In einer zweiten Etappe ist ab 2030 ein oberirdischer Ausbau der Normalspur vorgesehen.

Eine ernsthafte Debatte fand nicht statt

Dem Grossen Rat wurde das Projekt im kunterbunten «Rahmenkredit 2014 -17 für Investitionen im öffentlichen Verkehr» unterbreitet. Mit 135 Ja- gegen 5 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen hat sich Verkehrsdirektorin Barbara Egger-Jenzer, die im Planungsprozess die dominierende Rolle spielte, fast total durchgesetzt. Eine ernsthafte Debatte über den Tiefbahnhof fand nicht statt. Man referierte mit Formeln: Linke und Grüne für ein «Jahrhundertwerk im öffentlichen Verkehr». Bürgerliche für «Standortvorteile» und für ein «Wirtschaftsförderungsprogramm». Da und dort kam auch Frust auf: Die Grünliberale Franziska Schöni Affolter fragte: «Haben wir denn überhaupt eine Wahl?» Der Oberländer Vertreter Thomas Knutti versteckte seine Überforderung in Bezug auf das ZBB-Projekt nicht: «Wir können nur glauben und hoffen, dass wir heute einen weisen Entscheid fällen».

Offensichtlich ist man dem Appell der Verkehrsdirektorin gefolgt, mit einem geschlossenen Ja ein starkes Signal ins Bundeshaus zu senden. Offen will niemand mehr über das Projekt sagen. Hinter vorgehaltener Hand nennen aber manche andere Gründe für ihre Zustimmung: Im links-grünen Lager Parteidisziplin hinter der SP-Magistratin. Unter Bürgerlichen Angst, in anderen für ihre Regionen wichtigen Projekten den Goodwill der Verkehrs- und Energiedirektorin aufs Spiel zu setzen.

Konflikt mit Moritz Leuenbergers Verkehrsdepartement

Bürgerproteste gab es nie, weil der RBS-Tiefbahnhof unter die Erde kommt. Aber in Fachkreisen, Bundesämtern und im Bundesparlament stiess die Berner Planung früh auf grundsätzliche Kritik. Ab 2001 kritisiert der langjährige SBB-Infrastrukturplaner Hans Stieger, an für den Bahnhofausbau wichtigen Orten würden unkoordiniert präjudizierende Einzelprojekte geplant: Die neue Post, der Bahnhofplatz, der Autobahn-Zubringer. Ein kommerziell motiviertes Projekt für einen Westzugang im Postgebäude wurde von der SBB im letzten Moment gestoppt und durch die «Welle» ersetzt. Stieger verlangte im Rahmen der damals laufenden Mobilitätsplanung dringend ein Gesamtkonzept für den Berner Bahnhof. Unter Druck der SBB startete der Kanton 2007 die ZBB-Planung. Schon ein Jahr später präsentierte Verkehrsdirektorin Egger ein Projekt, das sich auf alte Ideen des RBS für eine Weiterführung der Bahn Richtung Westen stützte. Der neue RBS-Tiefbahnhof in Ost-West-Lage wurde zum Rückgrat des Bahnhofausbaus. Varianten, die den bestehenden RBS-Bahnhof weiternutzten, wurden als technische «No-Goes» abgeschrieben.

Diese Konzentration auf den Regionalverkehr führte zum Konflikt mit dem damals von Bundesrat Moritz Leuenberger geführten Verkehrsdepartement (UVEK). Im Parlament forderten der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen und der Tessiner SP-Vertreter Fabio Pedrina einen Gesamtplan für den zweitgrössten Schweizer Bahnknoten. Kritisiert wurde, nach Inbetriebnahme eines RBS-Tiefbahnhofs wäre ein Tiefbahnhof der SBB technisch nur noch mit grössten Schwierigkeiten zu bauen. Die RBS-Perrons wären bis sieben Stockwerke unter der Unterführung nur in langen Rolltreppenfahrten zu erreichen. In einer Antwort an Wasserfallen schrieb der Bundesrat, er werde nötigenfalls selbst eine Gesamtstudie veranlassen.

Das Projekt schien zerstört, aber Egger blieb am Ball

Unter diesem Druck erteilte Egger dem ETH-Verkehrsexperten Professor Ulrich Weidmann den Auftrag zur Projektüberprüfung. Im Juni 2009 publizierte dieser ein niederschmetterndes Urteil: Der RBS-Tiefbahnhof verursache Kosten, die durch den Verkehrsnutzen nicht zu rechtfertigen seien. Das Projekt schien zerstört, aber Egger blieb am Ball. Sie versprach, man werde die Pläne überprüfen und reichte flankierend beim Presserat Klage ein gegen die Zeitung «Bund», die unter Mitarbeit des Autors dieses Artikels, mehrmals auch kritisch über die ZBB-Planung berichtet hatte. 2010 wies der Presserat ihre Vorwürfe «vollumfänglich» ab. Aber da stand das Projekt schon fast wieder auf den Schienen: Egger hatte Weidmann als «Begleiter» der Überprüfung an Bord genommen. 2011 stellte sie ein Konzept vor, das in seiner ersten Etappe mit wenigen Abstrichen das RBS-Projekt von 2008 neu auflegte. Für die zweite Etappe war eine oberirdische Erweiterung der Perronhalle vorgesehen. Jetzt kritisierten Fachleute zu enge Kurvenradien im Bahnhof und wiesen darauf hin, dass bei oberirdischer Erweiterung der Lorraine-Viadukt verbreitert und der Aarehang zerstört würde.

Bundesrat entscheidet in den nächsten Monaten

Da wagte im Sommer 2012 SVP-Grossrat Gerhard Fischer den letzten Versuch, eine Alternative zum ZBB-Plan einzufordern. Die Regierung müsse eine vom ehemaligen SBB-Infrastrukturplaner Hans Stieger erarbeitete sehr viel kostengünstigere Variante mit einem Kapazitätsausbau für den RBS in der SBB-Perronhalle prüfen. Regierungsrätin Egger liess den mutigen Motionär mit einem wahrhaft bernischen Manöver ins Leere laufen: Sie erklärte, alles sei schon geprüft und brachte den Rat dazu, die Motion anzunehmen und gleichzeitig abzuschreiben.

In den nächsten Monaten will der Bundesrat bekannt geben, welche Kantone aus dem Infrastrukturfonds wieviel Bundesgeld erhalten sollen. Bern hat für sein ZBB-Projekt 300 Millionen bereitgestellt. Man braucht also hohe Bundesbeiträge. Regierungsrätin Egger erklärte, Bern sei gut positioniert; sie verfüge über «gute Beziehungen auf höchster Ebene». Da ist wohl Verkehrs- und Energieministerin Doris Leuthard gemeint, mit der sie als Verwaltungsrätin der Bernischen Kraftwerke (BKW) in Sachen KKW Mühleberg zusammenarbeitet.

Der unermüdliche Projekt-Begleiter Hans Stieger sieht eine allerletzte Hoffnung: «Die besten Optionen sind zwar verbaut. Aber die SBB könnten noch für eine gute Lösung sorgen».
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Der Artikel ist erstmals in der Wochenzeitung (WOZ) erschienen.


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Eine Meinung zu

  • am 20.01.2014 um 11:49 Uhr
    Permalink

    Allen Kritiker empfehle ich ab 16:30 Uhr diesen Bahnhof zu besuchen!

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