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Nationalrätin Christa Markwalder präsidiert die parlamentarische Gruppe Schweiz-USA. © SRF

«Amerikaner messen mit unterschiedlichen Ellen»

Urs Zurlinden /  Die FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (37) über den Steuerstreit mit den USA, das Image der Schweiz und den American Dream.

Frau Markwalder, sind Sie ein Amerika-Fan?
Christa Markwalder: Ja, ich mag Amerika sehr gerne. Jedes Jahr reise ich mindestens ein Mal in die USA, gerade vorletzte Woche war ich in Washington.
Sie präsidieren die parlamentarische Gruppe Schweiz-USA – eine Lobby-Organisation?
Das ist eine Freundschaftsgruppe, die seit rund elf Jahren existiert. Damals während der Krise um die Holocaust-Vermögen hat man gemerkt, dass zwischen den Parlamenten in der Schweiz und in den USA kaum Kontakte bestehen. Seither haben wir sowohl zum US-Repräsentantenhaus wie auch zum Senat gute Beziehungen aufgebaut.
Unter US-Politikern hat die Schweiz aber ein durchzogenes Image. Woran liegt’s?
Generell bewundern US-Politiker die Schweiz. Sie schätzen die Gemeinsamkeiten wie Innovation, Unternehmertum, freie Marktwirtschaft etc. Dann gibt es aber auch Kritiker, bei denen die Schweiz wegen Steuerhinterziehungen ein schlechtes Image hat. Und für andere ist die Schweiz als neutrales Land schlicht uninteressant, weil wir keine militärischen Bündnisse eingehen.
Der Vorwurf seitens der USA besteht ja nach wie vor: Schweizer Banken haben amerikanisches Recht gebrochen. Da sind die Reaktionen der US-Steuerjustiz verständlich.
Tatsache ist, dass Fehler begangen wurden. Diese sollten aber konstruktiv gelöst werden und keine Kollateralschäden auslösen. Man muss sich bewusst sein, dass die Amerikaner Steuervergehen anders ahnden als wir Schweizer. Zum American Dream gehört, dass jeder seine Steuern bezahlt. Die Fälle von Steuerhinterziehung in der Schweiz können ja auch nicht in unserem Interesse sein, denn dafür bezahlen muss immer der Mittelstand.
Aber die Kritik aus den USA erstaunt, gehören doch Bundesstaaten wie Delaware und Florida zu den weltweit grössten Steuerparadiesen.
Es ist tatsächlich so: Die Amerikaner messen mit unterschiedlichen Ellen. In Delaware können Firmenkonstrukte so aufgebaut werden, dass man nicht einmal weiss, wer der rechtmässige Besitzer des Firmenvermögens ist. Ihre kecke Reaktion auf entsprechende Vorwürfe unsererseits ist dann: ‚Aber wir haben kein Bankgeheimnis.’
Präsident Barack Obama machte von Anfang an Druck auf das Bankgeheimnis – und setzte sich durch?
Das ist eine verkürzte Darstellung der Historie: Wir hatten schon unter der Administration Bush gewisse Probleme wegen des Bankgeheimnis. Das Thema lässt sich nicht auf die Parteizugehörigkeit eines Präsidenten reduzieren.
Inzwischen wurden – mit dem Segen des Bundesrates – verschiedentlich Bankdaten ausgeliefert. Ist das für Sie ok?
Wir müssen irgendeinen Modus vivendi mit den USA finden. Es wurde zunehmend Druck ausgeübt und eine Drohkulisse aufgebaut. Dass der Bundesrat darauf reagierte, war unumgänglich – daraus ist ihm kein Strick zu drehen.
Der angestrebte Steuerdeal ist hingegen in weite Ferne gerückt. Wo klemmt’s?
Die Wahlen lassen im Moment keine innenpolitischen Entscheide zu. Alle schauen gebannt darauf, wer bei dieser knappen Ausgangslage das Rennen macht. Am guten Willen beiderseits fehlt es nicht, aber es ist eine Frage des Preises, den die Banken mit Abkommen zu bezahlen bereit sind und unter welchen weiteren Bedingungen der Deal zustande kommt. Da gehen offensichtlich die Vorstellungen noch weit auseinander.
Das Steuerabkommen mit Deutschland hat erste Hürden genommen. Wird das in den USA zur Kenntnis genommen?
Die zuständigen Stellen in der Administration beobachten die Entwicklungen genau.
Ist der Eindruck falsch, die USA wollten einfach ihre löchrige Staatskasse füllen?
Natürlich kommt jede Regierung unter Druck, die einen derart hohen Schuldenberg zu bewältigen hat. Deshalb ist es auch logisch, dass neue Einnahmequellen gesucht werden und Steuerhinterziehung unterbunden wird.
Lange galt Amerika als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das war einmal?
Tatsächlich ist die gesellschaftliche Struktur in den USA verkrusteter als früher. Wer heute Karriere macht, kommt aus dem gut gebildeten Mittelstand und besucht einer der privaten Eliteschulen. Eine ganze Menge von Leuten des unteren Mittelstandes bis hin zur Armut haben keine Chance, den amerikanischen Traum zu leben. Nichts desto trotz: Es steckt nach wie vor ein Optimismus in dieser amerikanischen Gesellschaft, dass es immer wieder Leuten gelingt, eine Tellerwäscher-Karriere zu machen. So kam ja Barack Obama keineswegs aus einer Elitefamilie und auch Mitt Romney hat sich sein Vermögen selber aufgebaut. Der American Dream ist immer noch möglich, auch wenn es der Gesellschaft insgesamt weniger gut geht.
Die USA haben doch mit der Finanz- und Immobilienkrise ihre Leaderfunktion verspielt.
Die Finanz- und Immobilienkrise hat der Welt die grösste Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise der letzten Jahrzehnte beschert. Aber die USA positionieren sich nach wie vor als Leaderin in der Welt, wenn auch durch ihre finanziellen und wirtschaftlichen Probleme etwas abgeschwächt.
China verfügt inzwischen über beträchtliche Mengen US-Staatsanleihen und enorm viele Devisen in Dollar. Das muss die Amerikaner gewaltig ärgern.
Es gibt diese Diskussionen in den USA über die neue Abhängigkeiten von China. Tatsächlich haben die Chinesen ihre eigene Agenda mit den Möglichkeiten eines unglaublich grossen Binnenmarktes – und dies in einem Land mit einer hohen Arbeitsmoral. Aber vergessen wir nicht: China hat keine demokratischen Strukturen und eine andere Vorstellung von Menschenrechten.
Präsident Obama sieht in China einen potentiellen Partner, Mitt Romney kritisiert die Chinesen hart. Und die US-Bevölkerung?
Die US-Bevölkerung ist genau so gespalten wie die Präsidentschaftskandidaten: Einerseits erkennt man die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit, andererseits will niemand weder in China noch in den USA auf einen sich verschärfenden Handelskrieg eingehen, denn dabei resultierte nur eine Lose-Lose-Situation.
Wäre Romney der bessere US-Präsident für die Schweiz?
Daran würde ich zweifeln. Leider gab es noch nie einen offiziellen Staatsbesuch eines amerikanischen Präsidenten. Ich weiss aber, dass der US-Botschafter hier in Bern sich schon viele Gedanken gemacht hat, wie Obama nach einer Wiederwahl in die Schweiz einzuladen wäre.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine. Gekürzte Fassung des Interviews, das am 28. 10. 2012 in der "Südostschweiz am Sonntag" erschien.

Zum Infosperber-Dossier:

Steueroase_m_Hintergrund

Steueroasen für Konzerne und Reiche

Steuerhinterzieher auf der Politagenda: Die grössten verstecken ihre Identität mit verschachtelten Trusts.

USA_Flagge_Quimpg

US-Wahlen 2012

Am 6. November wird nicht nur der Präsident, sondern auch der Kongress gewählt. Mit Folgen für die Welt.

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Eine Meinung zu

  • am 3.11.2012 um 14:12 Uhr
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    Liebe Frau Markwalder, es erstaunt mich, dass Sie die Realität als Amerika-Expertin nicht erkennen wollen z.B. macht Amerika sehr viel gegen Steuerhinterziehung auch gegen Delaware etc. Delaware war 2010 Nr 1 Steueroase der Tax Justice Network USA, Global Financial Integrity USA, Washington, Senator Carl Levin etc kämpfen seit über 10 Jahre gegen Steueroasen, Delaware-Gesellschaften haben öfters auch Schweizbankkonten, Anti-Money Laundering u Offshore Alert Konferenzen gib es regelmässig in den USA, in fast allen Ländern ist Steuerhinterziehung ein Strafrechtstatbestand nur nicht in der Schweiz (wer hat da wohl Recht, natürich die Schweiz!!!). Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was die Schweiz gegen die Steueroasen von Zug, Schwyz und Niedwalden unternimmt, wie sieht es mit dem Holdingprivileg aus d.h. grundsätzlich Null-Steuern und repatrierten unversteuerten Gewinne aus Tochtergesellschaften z.B. in den Caymans, um die exorbitanten Saläre und Boni des Management zu zahlen. Bitte Frau Markwalder seien Sie ein bisschen Realist und betreiben Sie keine Hetze gegen die USA in Sachen Steuern! Schweizer Bank waren kriminell und mit falsch Beurkundungen in der Schweiz für amerikanische Kunden wahrscheinlich auch in der Schweiz. Ich empfehle Ihnen, lesen Sie die US-Weggelin Anklageschrift von Michael Berlinka, Urs Frei, Roger Keller des Souther District of New York, dann sprechen Sie nicht mehr nur von «Fehlern". Rudolf Elmer

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