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Sie pilgerten für den Axpo-Konzern nach Aserbaidschan: Leuthard, Schneider-Ammann, Leuenberger © admin

Strom-Konzerne: Bundesrat stützte Hunter-Strategie

Kurt Marti /  Der Bundesrat hat die Hunter-Strategie der Stromkonzerne nicht gestoppt, sondern mit aussenpolitischen Aktivitäten noch gefördert.

Kann man über zehn Milliarden Franken in den europäischen Sand setzen, ohne dafür rechtlich oder wenigstens politisch zur Verantwortung gezogen zu werden? Ja, man kann! Weil jene, die eine Untersuchung des Milliarden-Debakels der Stromkonzerne hätten veranlassen müssen, selber Teil des Problems sind.

Einerseits die Kantonsregierungen, welche die Stromkonzerne zum Profit angestachelt haben, andererseits der Bundesrat, der die Strombarone hätte zurückpfeifen müssen und stattdessen sogar aussenpolitische Weichen für die Hunter-Strategie der Stromkonzerne gestellt hat. Im Widerspruch zum Energieartikel in der Bundesverfassung und den Vorgaben des Energiegesetzes.

Bundesverfassung und Energiegesetz: «Einheimisch und erneuerbar»

Artikel 89 der Bundesverfassung verpflichtet den Bund zur Festlegung von Grundsätzen «über die Nutzung einheimischer und erneuerbarer Energien» und Artikel 1 des Eidgenössischen Energiegesetzes (EnG) verlangt «die verstärkte Nutzung von einheimischen und erneuerbaren Energien».

Statt die einheimischen und erneuerbaren Energien verstärkt zu fördern, investierten die Stromkonzerne im Zeitraum von 2000 bis 2010 Milliardenbeträge in Gas- und Kohlekraftwerke im Ausland. Einen grossen Teil davon mussten sie inzwischen abschreiben, was zu Milliardenverlusten in den Jahresrechnungen führte. Und jetzt sollen die StromkonsumentInnen die Zeche für die Fehlinvestitionen zahlen.

Bundesrat unterstützte die Axpo-Strategie

Trotz der klaren verfassungsmässigen und gesetzlichen Vorgaben hat der Bundesrat, insbesondere das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und das Bundesamt für Energie (BFE), nichts unternommen, um dieser ruinösen Hunter-Strategie Einhalt zu gebieten.

Im Gegenteil! Der Bundesrat hat die Hunter-Strategie der Stromkonzerne mit aussenpolitischen Interventionen sogar aktiv unterstützt. Zum Beispiel reisten der damalige Energieminister Moritz Leuenberger (2007), die Energieministerin Doris Leuthard (2011) und der Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (2013) nach Aserbaidschan, um sich dort für das Axpo-Projekt «Trans Adriatic Pipeline» (TAP) einzusetzen. Mit dem Ziel, die Gas-Kombikraftwerke der Axpo in Italien mit billigem Gas aus Aserbaidschan zu versorgen.

«Schlüssel zum Erfolg» für Bundesrätin Leuthard

Begonnen hat die TAP-Story schon vor über zehn Jahren. Laut Geschäftsbericht 2005/2006 plante die Axpo-Tochter Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg (EGL) in Italien einen Gaskraftwerkspark mit einer Leistung von 2000 MW (entspricht der doppelten Leistung des AKW Gösgen).

Bereits zu Beginn des Jahrtausends fasste die EGL den strategischen Entscheid, ins Erdgasgeschäft einzusteigen. Im Jahr 2006 präsentierte die EGL eine Machbarkeitsstudie für die Gas-Pipeline TAP und im Jahr 2007 gründete die EGL zusammen mit internationalen Partnern die «Trans Adriatic Pipeline AG» mit Sitz in Zug.

Aus den damaligen Geschäftsberichten der EGL spricht eine grenzenlose Euphorie. Symbolisch festgehalten in einer Eisenskulptur, welche die EGL im Jahr 2006 der scheidenden Verwaltungsrätin und gewählten Bundesrätin Doris Leuthard zum Abschied überreichte. Das Kunstwerk mit dem vielsagenden Namen «Schlüssel zum Erfolg» stellt fünf Menschen dar, welche eine Weltkugel – geformt aus lauter Schlüsseln – mit ihren Armen hochstemmen.

Zahme Politiker und Medien

In den entscheidenden Jahren von 2002 – 2006 sass die heutige Energieministerin Doris Leuthard im Verwaltungsrat der EGL, die damals vom damaligen Axpo-Chef Heinz Karrer präsidiert wurde, dem heutigen Präsidenten des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse.

Es ist folglich kein Wunder, dass der Bundesrat kein Interesse an einer Untersuchung des Milliarden-Debakels hat. Erstaunlicher hingegen ist, dass bis jetzt weder die PolitikerInnen noch die Schweizer Medien entsprechende Forderungen stellten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Geschäftsleiter, Redaktor und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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2 Meinungen

  • am 1.07.2016 um 12:13 Uhr
    Permalink

    Symptome der Verfilzung eines Kleinstaates.

  • am 5.07.2016 um 09:19 Uhr
    Permalink

    Verfassung? Gesetze? Das ist für die kleinen Leute.
    Rechts? Mitte? Links? Das ist nützlich für die Spaltung des Volkes.
    Wirtschaft(swachstum) steht über Ethik, über Verfassung.
    Die ‹Grossen› werden nicht bestraft – nur die Untertanen.
    Solange wir ‹Kleinen› uns nicht GEMEINSAM zur Wehr setzen, wird sich nichts ändern.
    Also: Wenn Unrecht zu Recht wird, wird – GEMEINSAMER – Widerstand zur Pflicht (B. Brecht).
    fairCH ist seit Jahren für mehr Ethik unterwegs.
    maCH auch mit!

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