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Parallel-Programm zur Session: Rund 70 Einladungen für Apéros, Lunchs und Dinners © lobbywatch.ch

Sessionsanlässe: Drei Wochen durchfuttern

Thomas Angeli /  Bewirten und überzeugen: Lobbywatch zeigt, mit welchen Einladungen ParlamentarierInnen während der Sommersession geködert werden.

Eigentlich, so sollte man meinen, treffen sich die Nationalräte und Ständerätinnen zur dreiwöchigen Sommersession, um Politik zu machen. Es stehen durchaus einige gewichtige Geschäfte an, etwa die Unternehmenssteuerreform III, die Energiestrategie oder die Frage, ob Homosexuelle die Kinder ihrer Partner adoptieren dürfen.
Neben den Sitzungen läuft jedoch ein Parallel-Programm ab, dessen Ausmass kaum bekannt ist: ein dreiwöchiger Marathon von Veranstaltungen, bei denen es a) immer die Meinung der Einladenden zu aktuellen oder kommenden politischen Geschäften und b) in den allermeisten Fällen als Minimum einen «Apéro riche» oder gleich ein ganzes Dinner in gediegenem Rahmen gibt. Ob die Gastgeber – beim Grossteil davon handelt es sich um Firmen, Verbände oder Lobbyorganisationen aus der Wirtschaft – ihre Gäste mit Abstimmungsempfehlungen zu aktuellen Geschäften eindecken oder mit ihnen bloss Fussball-EM schauen, spielt eine untergeordnete Rolle. Hauptsache, man hat wieder einmal Kontakte geknüpft und Bekanntschaften erneuert, auf die man bei Bedarf zurückgreifen kann.
70 Einladungen in drei Wochen
Lobbywatch präsentiert nun zum ersten Mal eine interaktive Übersicht über die Veranstaltungen während den drei Sessionswochen. Das Material dazu stammt von Nationalrat Jonas Fricker (Grüne AG) und Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP ZH), die Lobbywatch die Einladungen zur Verfügung gestellt haben. Zusammengekommen sind dabei 70 Veranstaltungen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Hier ein paar «Highlights» aus der Sommersession:

  • Die erste exklusive Veranstaltung fand schon am ersten Sessionstag statt. Um 19 Uhr konnten sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundeshaus-Restaurant «Galerie des Alpes» mit wissenschaftlichem Nachwuchs treffen.
  • Der sportlichste Anlass ist zweifellos der Besuch der Kunstturn-Europameisterschaft, zu dem die Parlamentsmitglieder am 2. Juni eingeladen sind.
  • Der längste Titel eines Sessionsanlasses lautet: «Sind wir daran, den Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet über Bord zu werfen?». Als Organisatoren treten nicht weniger als vier parlamentarische Gruppen auf.
  • Die meisten Einladungen richtet eindeutig Economiesuisse aus. Nicht weniger als drei Mal in drei Wochen bittet der Wirtschaftsdachverband zu Tisch, respektive zum Apéro-Buffet.
  • Der beliebteste Ort für die Lobbyveranstaltungen dürfte auch der teuerste sein. Im gediegenen Hotel Bellevue Palace finden fast ein Viertel der Sessionsanlässe statt. Sollte die Parlamentarier ein schlechtes Gewissen beschleichen, weil sie sich von Lobbyisten zu teuren Essen einladen lassen, so können sie sich immerhin damit trösten, dass sie das für einen guten Zweck tun: Das Bellevue gehört dem Bund.
  • Die kürzesten Veranstaltungen sind die morgendlichen Andachten der überkonfessionellen Gruppe der Bundesversammlung. Sie finden an zwei Sessionstagen statt und dauern jeweils nur 10 Minuten.
  • Am lautesten dürfte es beim Parlamentarierschiessen zugehen. 12 Schuss und das anschliessende Nachtessen sind offeriert.
  • Zum letzten Mal reist der abtretende australische Botschafter David Ritchie in offizieller Mission in die Schweiz. Er nutzt die Gelegenheit, um Parlamentarier einzuladen und ihnen bei einem Mittagessen für ihren Einsatz für die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Australien zu danken.


Dieser Artikel ist auf lobbywatch.ch erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Thomas Angeli ist Journalist und Co-Präsident von Lobbywatch.

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2 Meinungen

  • am 2.06.2016 um 14:55 Uhr
    Permalink

    Wie immer stellt sich die Frage nach der Definition. Was ist Lobbyismus? Was ist «guter», was ist «schlechter» Lobbyismus? Ist ein Apéro für neue Parlamentarierinnen und Parlamentarier, ausgerichtet offenbar vom Bundesrat jetzt Lobbyismus? Ist die Teilnahme an der Eröffnungsfeier des neuen Gotthard-Basis-Tunnels – immerhin ein Anlass mit viel Polit-Prominenz aus dem Ausland – jetzt auch eine Lobby-Veranstaltung? Und wie steht es um Einladungen abtretender Botschafter oder um Veranstaltungen der parlamentarischen Gruppen, bei denen es sich um parteiübergreifende Zusammenschlüsse zu bestimmten Themen handelt? Und: Ist eine Veranstaltung der Economiesuisse böse und pfui, während jene von Green Cross oder der Gesellschaft für bedrohte Völker gut? Langer Rede, kurzer Sinn: Lobbytätigkeit ist in einer Demokratie auch erwünscht, sie ermöglicht Interessensgruppen, ihre Standpunkte einzubringen oder für Themen zu sensibilisieren. Problematisch wird es dort, wo Interessensgruppen Motionen usw. schreiben, wo Bargeld u.ä. fliesst, sprich dort, wo direkt über Abhängigkeiten u.a. Methoden Einfluss ausgeübt wird. Ganz ehrlich, würden Sie wegen einem Stehapéro im Bellevue (das wahrscheinlich qualitativ auch nicht das Gelbe vom Ei war) ihr Abtimmungsverhalten ändern?

  • am 2.06.2016 um 16:28 Uhr
    Permalink

    Ein wirklich blöder Artikel. Ich war mal in Nationalrat. Diese Einladungen, selbst von Interessenverbänden helfen gewisse Kenntnisse zu erhalten. Als nicht Profi-Parlamentarier nützen solche Treffen auch, satt immer alle einzeln anzugehen. Aber es ist falsch zu denken, man lasse ich einfach einwickeln. In der Kommissionsarbeit werden viele weiter Informationen geliefert und man kann dann vergleiche und sich eine Meinung bilden: ich war nie der Meinung. diese Mittagessen und Abendessen hätten meine Abstimmungen wesentlich beeinflusst. Aber es war immer interessant die Meinungsart von Organisationen, NGO, Wirtschaft usw. mal direkter kennen zu lernen und zu verstehen. Man kann doch in so einem Artikel nicht nur Negatives unterstellen
    Remo Galli alt Nationalrat CVP

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