Sperberauge

Selbstkritik von ganz rechts

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Johann Aeschlimann /  Ein konservativer US-Talker gibt extrem rechten Radios die Schuld, dass politische Lügen nun folgenlos bleiben.

Es gibt in den Vereinigten Staaten einige Ultrakonservative, welche vom Phänomen Donald Trump überrascht wurden, sich vom Kandidaten ferngehalten haben und die Präsidentschaft nicht gerne sehen. Der Radio-Talkshowstar Glenn Beck gehört dazu, die milliardenschweren Koch-Brüder oder der evangelikale Blogger Erick Erickson. Und Charlie Sykes (auf Twitter: @SykesCharlie). Er war von 1993 bis Ende vergangenen Jahres Präsentator eines ultrarechten Radio-Programms in Milwaukee und ein starker Faktor der Extremisierung der republikanischen Partei. Aber Trump versagte er die Unterstützung (ein Umstand, der im Vorwahlkampf zu reden gab). Bald kommt er mit einem Buch heraus. Es heisst «how the right lost its mind» («Wie die Rechte den Verstand verlor»).

Unter dem Titel «Warum es niemanden kümmert, dass der Präsident lügt» übt Sykes Selbstkritik. In einem Artikel in der New York Times schreibt er, die pointiert rechtsgerichteten («konservativen») Radio-Talkshows hätten die Bedingungen für die faktenfreie Trump-Politik geschaffen. Er setzt damit bei einem unbestreitbaren amerikanischen Phänomen an: Seit der Pionier Rush Limbaugh 1988 mit einer klar parteiischen, gegen «politische Korrektheit», alles Linke, die «Mainstream-Medien» und «Washington» gerichteten Radio-Show begann (heute 13 Millionen Zuhörer und Anrufer pro Woche), ist Amerika heute lückenlos und nahezu ganztägig mit einem Teppich ähnlicher Sendungen aus mehr oder weniger vulgärer rechtsextremistischer Propaganda bedeckt. Ein vergleichbares Gegenstück auf der anderen Seite des politischen Spektrums gibt es nicht.

Wieviel macht dieser Faktor aus? Viel, schreibt Sykes. Hier die wichtigsten Auszüge aus seinem Text:

«Mr. Trump versteht, dass der Angriff auf die Medien der beste Knochen ist, den er seiner Basis zuwerfen kann, weil sie darauf konditioniert ist, die Berichterstatter der Nachrichtenquellen ausserhalb des konservativen Medien-Ökosystems abzulehnen. Während Jahren habe ich als konservativer Radio-Talkshow-Host eine Rolle in dieser Konditionierung gespielt, indem ich wegen Befangenheit und Doppelstandards auf die Medien einhämmerte. Der kumulierte Effekt dieser Angriffe war, diese Medien zu delegitimieren und das Immunsystem der Rechten gegenüber falscher Information im wesentlichen zu zerstören. Wir dachten, dass wir ein schlaueres, skeptischeres Publikum kreierten. Stattdessen öffneten wir die Türe für Präsident Trump, der ein Publikum fand, das sich leicht verführen lässt.»

Charlie Sykes im Interview mit Fox News: «Trump ist kein Konservativer, sondern ein Narzisst»
«Die Mitglieder der Trump-Administration (…) glauben (…), das Paradigma der Berichterstattung verschoben zu haben, indem sie die traditionellen Medien durch ihre eigenen ersetzen. In einer stupenden Demonstration der Macht und Widerstandsfähigkeit unserer neuen post-faktischen politischen Kultur haben Mr. Trump und seine Verbündeten bereits den Begriff ‹fake news› gegen seine Kritiker gewendet und ihn jeglicher Bedeutung entleert. Während der Kampagne haben wirkliche ‹fake news› – bewusste Täuschungen – die politische Auseinandersetzung vergiftet und die sozialen Medien verstopft. Einige Medien hatten die Türe geöffnet, indem sie halfen, Verschwörungstheorien zu verbreiten und die Paranoia aus den Fiebersümpfen zu pflegen. Jahrelang hat der weitherum gelesene Drudge Report zum bizarren Verschwörungstheoretiker Alex Jones verlinkt, welcher glaubt, dass die Attacke des 11. September eine von der Regierung inspirierte ‹Falsche-Flagge›-Operation gewesen sei. Für Konservative hätte das klar machen müssen, dass in ihrem Medien-Ökosystem etwas schief lief. Aber jetzt scheinen alle Nachrichten, die man als einseitig, ärgerlich oder negativ bewertet, als ‹fake news› etikettiert zu werden.»

«Mittlerweile sollte klar sein, dass die Regierung Feinde braucht, seien sie Ausländer, Flüchtlinge, internationale Bankiers oder die Presse. Unabhängige Informationsquellen zu diskreditieren bringt Mr. Trump zwei grosse Vorteile: Es hilft ihm, sich gegenüber Kritik zu isolieren, und es erlaubt ihm, seine eigenen Narrative, Massstäbe und ‹alternativen Fakten› zu kreieren.»

«Jede Regierung lügt. Aber was wir hier sehen, ist eine Attacke auf die Glaubwürdigkeit an sich.Der russische Dissident und Schachgrossmeister Garry Kasparov zehrte von seiner langen Erfahrung mit diesem Prozess, als er twitterte: ‹Der Sinn moderner Propaganda ist nicht nur die Desinformation oder die Verfolgung einer Agenda. Es liegt darin, das kritische Denken zu erschöpfen, die Wahrheit zu vernichten›. Kasparov versteht, dass die wirkliche Bedrohung nicht allein darin besteht, dass eine grosse Zahl von Amerikanern sich daran gewöhnt haben, faktische Information abzulehnen, oder dass sie sogar gewohnt sind, Schwindel zu glauben. Die wahre Gefahr ist, dass viele Wähler, überschwemmt mit ‹alternativen Fakten› einfach die Achseln zucken mit der Frage ‹was ist schon Wahrheit› – und keine Antwort abwarten.»

«In einer solchen Welt wird der Führer zur einzig verlässlichen Quelle von Wahrheit – ein gewohntes Phänomen in einem autoritären Staat, aber eine radikale Abwendung von den Normen einer demokratischen Gesellschaft. Die Auseinandersetzung um Wahrheit ist jetzt zentral für unsere Politik. Ein erhellender Moment nach der Wahl hilft das zu erklären. Scottie Nell Hughes, eine von Mr. Trump’s Figuren in der Wahlkampagne, wurde aufgefordert, Trumps eindeutig falsche Aussage zu verteidigen, wonach Millionen von Stimmen illegal abgegeben worden seien. Sie erklärte, dass heute jedermann auf seine eigene Art interpretiere, ob ein Faktum wahr sei oder nicht. ‹Es gibt leider keine Fakten mehr›, sagte sie. Für ‹einen grossen Teil der Bevölkerung› sei die Wahrheit das, was Mr. Trump sage.»

«Wenn wir den Respekt vor Tatsachen wiederherstellen wollen und die intellektuellen Ghettos links und rechts durchbrechen wollen, müssen die Mainstream-Medien aggressiv werden, ohne in Hysterie zu verfallen, und streitbar werden, ohne unangebrachte Opposition zu betreiben. Ebenso wichtig ist, dass die konservativen Medien sich verpflichtet sehen, auch dagegen zu halten. Konservatismus sollte eine auf der Realität beruhende Philosophie sein, und die Bewegung steht besser da, wenn sie anerkennt, dass Fakten wirklich zählen. Es mag kurzfristig von Vorteil sein, Schlagzeilen über Millionen illegal eingewanderter Wähler zu verbreiten, oder über geheime UNO-Absichten, die privaten Waffen zu stehlen. Aber je länger die Rechte solche Fabrikationen befördert, desto schwächser wird sie auf längere Sicht. »

Was Charlie Sykes, der Konservative vom rechten Rand, hier schreibt, ist cum grano salis zu nehmen. Er ist nicht auf den Zug des Siegers aufgesprungen und gehört zu den Verlierern im rechten Lager – ein Fuchs, dem die Trauben auf einmal zu hoch hängen. Aber das Beharren auf Faktizität, Realitätsbezug, Nachprüfbarkeit ist vielleicht ein lohnender Ansatzpunkt. Nicht nur für die politische Redlichkeit, sondern auch für die journalistische.

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3 Meinungen

  • am 6.02.2017 um 15:36 Uhr
    Permalink

    Wir kennen diese Systematik nur allzu gut dank Blocher und Consorten

  • am 6.02.2017 um 21:37 Uhr
    Permalink

    «Ein konservativer US-Talker gibt extrem rechten Radios die Schuld, dass politische Lügen nun folgenlos bleiben», schreibt Aeschlimann. Der Radiomacher Alex Jones soll ein Schuldiger sein, «welcher glaube, dass die Attacke des 11. September eine von der Regierung inspirierte ‹Falsche-Flagge›-Operation gewesen sei». Alex Jones ist jedoch nicht der einzige der nicht mehr an die Osama Bin Laden 9/11 Verschwörungstheorie der US-Regierung glaubt. Global Research in Kanada hat ausführlich dokumentiert, dass die offizielle 9/11 Story nicht stimmen kann. Siehe: September 11, 2001: The 15th Anniversary of the Crime and Cover-up of the Century, http://www.globalresearch.ca/september-11-2001-the-15th-anniversary-of-the-crime-and-cover-up-of-the-century/5544414

    Auch Architekten und Ingenieure haben Untersuchungen zu 9/11 gemacht. Nach der offiziellen Version sollen die drei Wolkenkratzer durch Bürobrände eingestürzt sein, ausgelöst durch den Einschlag der zwei Flugzeuge die in die Zwillingstürme des World Trade Center geflogen sind. Dagegen spricht: Bei einem Bürobrand werden die Trümmer nicht hunderte Meter weiter fortschleudert und es werden nicht grosse Teile der Bausubstanz, der Inneneinrichtungen und der Menschen in Staub verwandelt.

    Das «Beharren auf Faktizität, Realitätsbezug, Nachprüfbarkeit» ist auch rund um 9/11 wichtig, unter anderem die Untersuchungen rund um 9/11 der Piloten (http://pilotsfor911truth.org/), der Architekten und Ingenieure: (http://www.ae911truth.org/).

  • am 7.02.2017 um 11:13 Uhr
    Permalink

    Wird hier nicht wieder an der Legende gestrickt, die herrschenden Medien seien «neutral/überparteilich» und «prüfend/kritisch» – und das sei erst durch die rechtsoppositionellen Medien verändert worden?
    Das ist doch Unfug, und seit Edith Efron unzählige Male widerlegt worden. Die herrschenden Medien waren Sprachrohr einer weitgehend geschlossenen linksbürgerlichen Hegemonie. Die rechtsoppositionellen Medien – vom Talk-Radio bis zu Fox News – haben zumindest die US-Amerikaner aus dieser dumpfen Enge befreit.

    Richtig ist, dass die USA seit dieser Zeit zwei Gruppen voreingenommener Medien haben, die linken UND die rechten. Aber das ist doch ein enormer Fortschritt!

    Und wenn es jemals eine Besserung des Journalistenstandes geben sollte, dann nur als gemeinsame Besserung rechter UND linker Journalisten. Dass sich ein früherer Rechter jetzt vor den linken Wagen spannen lässt, um seine früheren Kollegen anzuschwärzen – das bestärkt die Linken in ihrer Selbstgerechtigkeit und die Rechten in ihrer Trotzhaltung, es bringt keine der beiden Seiten voran.

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