AtomprogrammIran

Ein weiteres Mal gehen die Atomverhandlungen mit dem Iran in die Verlängerung © wgntv.com

Poker um das iranische Nuklearprogramm geht weiter

Andreas Zumach /  Nächster Termin 9. Juli: Gibt es bis dann keine Einigung, hätten Gegner des Atomabkommens mehr Zeit, den Deal noch zu torpedieren.

Die seit Oktober 2013 laufenden Verhandlungen zwischen Iran und den fünf Vetomächten des UNO-Sicherheitsrates sowie Deutschland (5+1-Ländergruppe) über Teherans Nuklearprogramm werden zum wiederholten Mal verlängert. Das bestätigten die Aussenminister und hohe Diplomaten aller sechs Verhandlungsparteien, die Ende letzter Woche in Wien zur «Endrunde» zusammengekommen waren. Statt bis zur angestrebten Frist heute (Dienstag) um Mitternacht soll nun eine Einigung in den letzten noch strittigen Punkten eines Abkommens bis spätestens 9. Juli erzielt werden. An diesem Tag läuft in den USA eine gesetzliche Frist ab, nach der die zahlreichen Kritiker und grundsätzlichen Gegner einer Vereinbarung mit Teheran mehr Zeit und Möglichkeiten hätten, die Ratifikation und Umsetzung eines Abkommens noch zu verzögern oder gar ganz zu verhindern.

«Da noch viel Arbeit zu tun bleibt, werden die Verhandlungen über den 30. Juni hinaus fortgesetzt», erklärte am Sonntagnachmittag ein Mitglied der Delegation von US-Aussenminister John Kerry in Wien. Bereits zuvor war der iranische Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif, der sich am Samstag zu drei bilaterale Gesprächsrunden mit Kerry getroffen hatte, zu Konsultationen mit der Führung in Teheran abgereist. Sarif werde erst zur Wiederaufnahme der Verhandlungen am morgigen Mittwoch nach Wien zurückkehren, verlautete aus der iranischen Delegation.
Umstrittene Kontrollen der Militäranlagen
Anfang April hatten sich Iran und die 5+1 in Lausanne auf eine Eckpunktepapier für ein Abkommen geeinigt. Das Dokument sieht für die nächsten 25 Jahre erhebliche Einschränkungen für das iranische Nuklearprogramm sowie weitreichende Kontrollen durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) vor. Das soll verhindern, dass Teheran heimlich atomare Waffen entwickelt. Strittig ist weiterhin die Forderung der 5+1, dass die Inspekteure der IAEA nicht nur die von Teheran deklarierten Nuklearanlagen, sondern auch die Militäranlagen des Landes uneingeschränkt kontrollieren dürfen. Grund für diese Forderung ist der Verdacht, dass Iran zumindest in den Jahren 1986 bis 2003 in der Militärbasis Parchin am Kaspischen Meer und in einer weiteren konventionellen Militäranlage Forschungen und Tests für die Entwicklung atomarer Waffen durchgeführt hat. Vergangene Woche hatte das von einer konservativen Mehrheit beherrschte Parlament ein Gesetz verabschiedet, das IAEA-Kontrollen in Militäranlagen ausschliesst. Entsprechend äusserte sich auch der oberste Religionsführer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei.
Iran verlangt sofortige Aufhebung der Sanktionen
Der zweite Knackpunkt ist der Zeitpunkt für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, die die USA, die EU und der UNO-Sicherheitsrat seit 2006 gegen Iran verhängt haben. Die Führung in Teheran fordert ihre vollständige Aufhebung zeitgleich mit der Unterzeichnung eines Abkommens. Die Eckpunktevereinbarung von Lausanne sieht allerdings vor, dass mit der Aufhebung von Sanktionen erst begonnen wird, nachdem die IAEA überprüft und gegenüber dem Sicherheitsrat bestätigt hat, dass die iranische Führung ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen erfüllt hat.
Dieser Streitpunkt könnte sich noch erheblich verschärfen, falls ein Abkommen erst nach dem 9. Juli zustande kommt und von US-Präsident Barack Obama dem Senat zur Abstimmung vorgelegt wird. Dann hätte der Senat 60 Tage Zeit bis zu einer Abstimmung. Lehnt er das Abkommen ab, kämen weitere 22 Tage hinzu, in denen Obama sein Veto gegen den Beschluss des Senats einlegen und dieser versuchen könnte, das Veto des Präsidenten mit einer Zweidrittelmehrheit ausser Kraft zu setzen. In dieser Zeitspanne von maximal 82 Tagen darf Obama keine der von den USA gegen Iran verhängten Sanktionen aufheben. Legt Obama dem Kongress ein Abkommen bis zum 9. Juli, betrüge dies Frist lediglich 30 beziehungsweise maximal 52 Tage. Ein entsprechendes Gesetz hatte die republikanische Mehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses Mitte April verabschiedet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

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Eine Meinung zu

  • am 2.07.2015 um 00:24 Uhr
    Permalink

    A-Versicherung für das iranische Volk. Energieverschwendung ja sicher! Doch besser als das iranische Volk dem Schicksal von Irak und Lybien, Syrien zu bewahren folgen zu lassen.
    https://www.youtube.com/watch?v=Sh3dp_AnlQI

    Dazu informativ:
    In einem geschlossenen Treffen von israelischen Journalisten und Diplomaten, hat die Sprecherin der israelischen Botschaft in Deutschland, Adi Farjon, nach Informationen der israelischen Tageszeitung Haaretz erklärt, dass es im Interesse Israels liege, die deutschen Holocaust-Schuldgefühle aufrecht zu erhalten, und dass deswegen Israel keine völlige Normalisierung der Beziehungen mit Deutschland anstrebt.

    Noch mehr davon? Suchmaschine hilft weiter.

    BTW: wo lebt Herr Chodorkovski jetzt?
    In einem Land das durch einen Nationalweit gelobten und anerkannten Schriftsteller sinnbildlich als Nutte Europas dargestellt hatte.
    War die Entlassung des vorgenannten nicht etwas blau & blond?
    Hat Herr Ch. all die angerichteten Schäden mit Zins und Zinseszins ordentlich bezahlt?
    Haben sich die VSA jemals für ihre Kriegsverbrechen entschuldigt und Wiedergutmachung geleistet?
    Diesselbe Frage kann auch an die einzige «Demokratie» (Neusprech = Schimpfwort) im nahen Osten gestellt werden.

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