Bush_Truthahn_Front

November 2003: Präsident Bush «offeriert» US-Soldaten in Bagdad einen Truthahn (aus Kunststoff) © cc

Lügerei erreichte schon unter Bush einen Höhepunkt

Urs P. Gasche /  Es sei höchste Zeit, dass seriöse Medien die vielen Lügen entlarven, meint die NZZ a .S. Doch die Medien rüsten ab statt auf.

Wenn ein breiter Teil der Öffentlichkeit – auch in den demokratischen Ländern des Westens – den Regierungen und Medien immer weniger glaubt, sind diese zu einem Teil selber schuld. Unter Donald Trump ist eine Besserung auf Seite der US-Regierung nicht in Sicht.
Im Vorzeigestaat USA hätten «Lügen eine lange Geschichte», erinnert Michael Furger, Leiter der Hintergrundredaktion, in der NZZ am Sonntag vom 29. Januar 2017. Von Lyndon B. Johnson über Richard Nixon, Bill Clinton bis zu George W. Bush hätten alle Präsidenten gelogen, also bewusst Unwahrheiten gesagt. Neu bei Trump sei, dass er wie Rechtsextreme in Europa oder zuweilen auch Politiker in der Schweiz die Medien der Lügen bezichtige. «Selbst seriöse Medien müssen plötzlich beweisen, dass sie nicht lügen», schreibt Furger.

«Medien haben den Boden für den Krieg planiert»

Selbst grossen Medien fällt ein solcher Beweis zuweilen schwer, weil sie viel zu häufig den Lügen der Mächtigen aufgesessen sind, sich einspannen liessen und ihre Rolle als Aufspürer der Fakten häufig sträflich vernachlässigten.
Eines der krassesten Beispiele zitiert die NZZ am Sonntag: Im Jahr 2003 hatte der damalige US-Aussenminister Colin Powell behauptet, die Regierung verfüge über Fakten, wonach der Irak Atomwaffen und Chemiewaffen besitze. In den USA habe dies keine grosse Zeitung oder TV-Station hinterfragt. «Sie alle verbreiteten die Lüge in jeden Haushalt und planierten damit den Boden für den Krieg gegen den Irak», fährt die NZZ am Sonntag fort. Die Medien hätten sich zu Komplizen einer lügenhaften Regierung gemacht.

Nach der US-Eroberung des Iraks machte Präsident Bush am Thanksgiving-Fest vom 27. November 2003 – in Begleitung von ausgewählten Medien – bei US-Truppen auf dem Flughafen von Bagdad einen zweieinhalbstündigen Besuch. Die Foto von Bush, der ein silbernes Tablett mit einem prächtigen Truthahn und allerlei Früchten darauf präsentierte, verbreiteten Medien auf der halben Erde. Die Foto weckte den Eindruck, Bush serviere den Soldaten einen gebratenen Vogel. Der Braten war aber aus Kunststoff und nicht zum Verzehr bestimmt, sondern nur Dekoration. Die Soldaten erhielten ihre Ration wie üblich an einer Theke.

Solche Lügen gehören zu den PR-Tricks, um den Präsidenten in einem möglichst günstigen Licht zu zeigen. Sie seien aber typisch für das Verhalten von George W. Bush in entscheidenden Fragen, schrieb Redaktor Armin Müller in der Sonntags-Zeitung vom 7. Dezember 2003 und zählte einige Widersprüche des damaligen US-Präsidenten auf:

  • Bush propagiert die Vorteile des Freihandels und verhängt Strafzölle gegen chinesische Importe;
  • Er schwärmt von Fairness gegenüber Entwicklungsländern und spricht Milliardensubventionen für US-Farmer;
  • Er redet von schlankem Staat und verursacht das grösste Budget-Defizit aller Zeiten;
  • Er verspricht Hilfe für Familien und macht Steuergeschenke für die Superreichen;
  • Er singt das hohe Lied des kleinen Unternehmers und schanzt dem Big Business und seinen Freunden aus dem Ölgesschäft Aufträge und Subventionen zu;
  • Er spricht von ethischem Management und präsentiert Budgets, welche die Enron-Buchhalter erröten liessen;
  • Er spricht von Verantwortung für die Zukunft und gibt das Geld der nächsten Generation schon heute aus.

Ob Donald Trump die Medien aufrüttelt?

Solche Widersprüche gibt es auch in Europa und in der Schweiz mehr als genug. Die grossen Medien decken sie zu wenig auf.
Doch dass «Donald Trump und andere Populisten den Medien den Krieg erklärt» hätten, könnte dazu führen, dass sich die seriösen Medien wieder auf ihre eigentliche Aufgabe besinnen. Michael Furger ergänzt optimistisch: «Etwas Besseres hätte den Journalisten gar nicht passieren können.»

Eine Schwäche der Medien sieht die NZZ am Sonntag darin, dass die Journalisten heute zu stark «die Nähe zu den Mächtigen suchen und ihnen auch gefallen wollen». Das sei in der Schweiz genau gleich: «Die Aussicht auf ein Interview mit einem hohen Politiker [oder CEO eines Konzerns. Red.] veranlasst Medien dazu, sich absurde Bedingungen diktieren zu lassen: vorgängig eingeschickte Fragen, massive Eingriffe ins Manuskript – so lassen sich Journalisten für politische PR einspannen.»
Die viel besuchten Medienkonferenzen seien «eine Inszenierung der Mächtigen». Furger erinnert an einen US-Journalisten, der über Jahrzehnte Regierungsskandale aufgedeckt, aber keine einzige Medienkonferenz im Weissen Haus besucht habe.

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Nutzerinnen und Nutzern von Schweizer Medien seien folgende Fragen gestellt:

  • Welche Widersprüche zwischen offiziellen Erklärungen und den tatsächlichen Entscheiden gibt es in der Schweiz?
  • Welche Medien berichten häufig über Pressekonferenzen und lassen sich von PR-Strategen auf falsche Fährten führen?
  • Welche TV-Sendung lässt regelmässig CEOs zu Wort kommen, ohne dass ihre Aussagen kritisch hinterfragt und geprüft werden?

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Zum DOSSIER: «Die Macht und der Einfluss von Lobbys»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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4 Meinungen

  • am 31.01.2017 um 13:25 Uhr
    Permalink

    Es wäre an der Zeit, dass der Staat parteiunabhängigen Journalismus fördern würde, damit Lügen kürzere Beine erhalten. Ein freier und seriöser d.h. gut recherchierender Journalismus ist absolut nötig, um korrumpierende Einflüsse von Lobbyisten, Autokraten und finanzstarken Mächten fern zu halten. Seriöser Journalismus ist zeitaufwendig und daher auch unmöglich gratis erhältlich.
    M. Guidon

  • am 31.01.2017 um 14:34 Uhr
    Permalink

    Für weitaus bedenklicher halte ich den Umstand, dass sich immer mehr Menschen lieber «anlügen» lassen wollen und dafür in ihrer Haltung bestätigt sehen wollen, als die eigene Position und Argumentation kritisch zu hinterfragen.
    Vielleicht müssen wir uns gelegentlich auch wieder häufiger eingestehen, dass wir nicht alles wissen und exakt vorhersehen können.
    Nicht alles, was sich im Nachhinein als falsch herausstellt, muss eine bewusste Lüge sein. Errare humanum est.

  • am 31.01.2017 um 17:31 Uhr
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    Wie war das damals mit Colin Powell? Verfügte er über Fakten oder war auch er im Zeitpunkt seiner Medienkonferenz von internen Diensten mit falschen Fakten beliefert worden? Daran erinnere ich mich nicht mehr genau.

  • am 4.02.2017 um 12:12 Uhr
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    Ja leider ist es so, dass wir bequem zu Hause, uns lieber von den suessen Leckereien unserer Politischen oder den CEO`s berieseln lassen, ist ja erst mal angenehm. Wenn wir, die kleinen Leute, dann mal genauer hinschauen oder zwischen den Zeilen lesen würden, können wir erkennen, dass es nicht weit her ist mit unserer Freiheit und unserem Wohlergehen, welches das Grundgesetz uns verbindlich zugesteht.
    So wünsche ich mir den unbequemen Journalist, der nicht die Abhängigkeit fördert, sondern sich kritisch auseinandersetzt. Leider kann er das nur wenn er finanziell unabhängig ist, was heute so gut wie nie mehr der Fall ist.
    Deshalb Augen und Ohren auf und dreimal selbst alles hinterfragen und dann sich die eigene Meinung bilden.

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