FNundTagi

Autorenschaft muss bei Übernahme von Mantelteilen klarer angegeben werden. © Infosperber

Presserat verlangt genaue Quellenangabe bei Tamedia-Titeln

Monique Ryser /  Klage eines Lesers abgewiesen, aber Transparenz bei Autorenzeilen verlangt.

Die vielbeschworene Pressevielfalt der Schweiz ist eine Mär: Bei Inland-, Wirtschafts- und Auslandthemen in den bezahlten Tageszeitungen beschränkt sie sich – neben «Blick» und «NZZ» – auf die zwei grossen Redaktionen von Tamedia und CH Media. Sie beliefern den Grossteil der Regionalzeitungen mit einer zentral erstellten Berichterstattung. Den Leserinnen und Lesern fällt das aber oft nicht auf, da die Artikel daherkommen, als hätte sie das Leibblatt selber erstellt.

Beschwerde gegen Verschleierung
Gegen diese Verschleierung hat Christoph Schütz als Leser der Freiburger Nachrichten FN beim Presserat eine Beschwerde eingereicht. (Infosperber berichtete) Er störte sich daran, dass bei Aussagen in Inland-Artikeln in der FN stand, sie seien «gegenüber dieser Zeitung» gemacht worden, obwohl sie doch von der Tamedia-Zentralredaktion stammten. «Korrekterweise sollte es heissen, dass die entsprechenden Artikel mit Auskünften gegenüber dem Tages-Anzeiger entstanden sind», begründete Schütz. In seiner Beschwerde vor dem Presserat monierte er eine Verletzung von Ziffer 1 der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten, welche die Wahrheitssuche stipuliert und unter anderem mangelnde Präzision und wahrheitswidrige Verkürzung untersagt. Zudem auch noch die Ziffer 3.1 über die Quellenbearbeitung.

Der Presserat hat die Beschwerde nun zwar abgewiesen, verschafft dem Anliegen des Beschwerdeführers aber mit einer Empfehlung Nachdruck: «Der Pressrat empfiehlt Medien, die Artikel von verlagsexternen Mantelredaktionen beziehen, diese Herkunft explizit und transparent in der Autorenzeile anzugeben, zum Beispiel nach dem Namen der Verfasserin oder des Verfassers des Textes.» Das Anliegen des Beschwerdeführers sei ernst zu nehmen, wonach Bezüger von Mantelinhalten gegenüber ihrem Publikum mehr Transparenz herstellen sollten, schreibt der Presserat. Folgt man der Empfehlung muss die Herkunft der Inhalte künftig also klar und bei jedem Artikel erkennbar sein.

Nennung im Impressum reicht nicht
Die Chefredaktion der FN hatte in ihrer Stellungnahme geschrieben, sie überlege sich, künftig im Impressum der Freiburger Nachrichten explizit darauf hinzuweisen, dass die Seiten über Ausland, Inland und Wirtschaft von Tamedia stammten. Das sei zu begrüssen, so der Presserast, genüge aber wohl nicht. Denn erstens sei die Zahl der Leserinnen und Leser, die das Impressum konsultierten, ziemlich beschränkt, zudem erscheine das vollständige Impressum nicht in jeder Ausgabe. Deshalb wurde die schärfer formulierte Empfehlung formuliert, die sich auch an alle anderen Medienhäuser richtet.

Der FN-Leser und Medienwissenschafter Christoph Schütz hat also trotz Abweisung seiner Beschwerde recht bekommen. «Der Presserat hat mit einer konfusen Begründung die Beschwerde tatsächlich abgewiesen, gleichzeitig die Medien jedoch zu genau jener Transparenz beim Umgang mit Quellen aufgefordert, wie es in der Beschwerde verlangt worden ist», sagt Christoph Schütz auf Anfrage.
Im Gegensatz zu den Tamedia-Zeitungen hat der Verbund von CH-Media seit längerem eingeführt, immer die Bezeichnung «gegenüber CH-Media» zu verwenden.

Auszüge aus der Stellungnahme des Presserates zu Wahrheit und Quellenbezeichnung

1.1. Wahrheitssuche –Recht der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren
Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten. Der Beschwerdeführer sah diese Pflicht verletzt, da nicht nur der Inhalt eines Artikels wahr sein müsse, sondern auch die darin enthaltenen Hinweise bezüglich wer welche Recherchearbeit geleistet hat, wem beweisgeeignete Dokumente vorliegen und mit wem der Journalist welcher Redaktion gesprochen habe. Durch fehlerhafte Hinweise der Autorschaft sehe er die Wahrheitspflicht verletzt. Die «Freiburger Nachrichten» hielten demgegenüber in ihrer Stellungnahme fest, bei der Übernahme der journalistischen Inhalte von Tamedia im Mantelteil unter Verwendung journalistischer Standardformeln handle es sich um eine seit Jahren gängige, bewährte Praxis, um schlichte Pragmatik. Der Presserat schreibt dazu: «Aus Sicht des Presserats wäre die Wahrheitspflicht dann verletzt, wenn einzelne Elemente in den Artikeln nicht stimmen würden. Dies ist vorliegend insofern aber nicht der Fall, als die Autoren der Artikel keine Falschaussage darüber machen, dass ihnen Beweismittel oder Dokumente vorliegen, sie Personen befragt haben oder Recherchen tätigten. Zwar hat all diese Tätigkeiten nicht die Redaktion der Freiburger Nachrichten ausgeführt, sondern Journalistinnen und Journalisten der Tamedia. Aber der Inhalt ihrer Artikel ist nicht unwahr.» Daher sei die Wahrheitspflicht, nicht verletzt.»

3.1. Quellenbearbeitung
Als «kniffliger zu beurteilen» betrachtete der Presserat diesen Beschwerdepunkt. Die Frage hier ist, «ob eine genaue Quellenbezeichnung vorliege, wenn die Informationen oder Dokumente nicht «dieser Zeitung», verstanden hier als Freiburger Nachrichten, vorliegen, sondern der Redaktion jener Zeitung, welche den Inhalt produziert und im Mantel der FN platziert hat.» Der Chefredaktor der FN betonte, dass seine Zeitung die publizistische Verantwortung auch für den extern gelieferten Mantelteil trage. Zudem müsse in erster Linie der redaktionelle Inhalt selbst und nicht ein formales Element einer kritischen medienethischen Beurteilung statthalten. «Letztere Auffassung teilt der Presserat zwar grundsätzlich, aber eine genaue Bezeichnung von Quellen ist relevant, damit die Leserinnen und Leser den Stellenwert einer Information einschätzen können.» Der Presserat macht deutlich, dass das heisse, dass die FN-Redaktion nicht nur die Wahrhaftigkeit des Textes gewährleiste, sondern ihr damit auch Kenntnis bezüglich der Quellen zukomme, wenn auch nur in indirekter Form. «Mit anderen Worten: Die FN-Redaktion könnte, wenn nötig, auch Schlüsseldokumente der Tamedia-Mantelredaktion einsehen oder Interview-Abschriften prüfen.» Deshalb liege hier kein Verstoss vor.
Bei der Standardformeln «diese Zeitung» handle es sich um eine gängige, bisher nicht in Frage gestellte Praxis. «Allerdings ist das Anliegen des Beschwerdeführers ernst zu nehmen, wonach Bezüger von Mantelinhalten gegenüber ihren Publika mehr Transparenz herstellen sollten in Bezug auf die Herkunft dieser Inhalte. Der Presserat begrüsst daher die Absicht der «Freiburger Nachrichten», künftig in ihrem Impressum explizit auf die Herkunft der Mantelinhalte zu verweisen. Das genügt aber wohl nicht. Denn erstens ist die Zahl jener Leserinnen und Leser, welche das Impressum konsultieren, ziemlich beschränkt. Und zweitens wird das vollständige Impressum nicht in jeder Ausgabe abgedruckt. Der Presserat empfiehlt daher Medien, welche Mantelinhalte von verlagsexternen Lieferanten beziehen, die Herkunft dieser Artikel direkt in der Autorenzeile zu deklarieren.

******************************************************************
Irreführende und verschleiernde Quellenangaben bei Tamedia


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

4 Meinungen

  • am 7.11.2020 um 13:51 Uhr
    Permalink

    Der Presse(rat) ist doch von den Medien aufgestellt und wohlwollend kontrolliert.Ein Branchenerzeugnis wenn man so möchte. Was also bedeutet es wenn eben dieser nicht unabhängige Rat den zahlenden Hausaufgaben aufgibt?

  • am 8.11.2020 um 15:36 Uhr
    Permalink

    Nachvollziehbar … wenn der „Presse AGB“ eingehalten werden soll:

    „Dieser Text/Artikel wiedergibt die Meinung des Verfassers/Verlages wieder.“

    Ohne Angaben von Verfasser/Verlages, wäre wirklich anzunehmen, es stamme aus der Redaktion der Freiburger Nachrichten.

    Was wurde/wird aus der Idee eines Mediengesetz des Bundes,
    welches von den MainstreamMedien als Gesetz gegen „Fake–News“
    der Leserschaft suggeriert wurde ?

  • am 12.11.2020 um 12:59 Uhr
    Permalink

    Es spielt dch gar keine Rolle, wieviele Leser/innen man erreicht, sondern, dass man deklariert, woher die Info stammt. Das ist doch genau das Thema von Transparenz. Ob nun AP, AFP oder sonst woher. Die «Ticker Meldungen» haben z.B meist ein politisches"Geschmäckle», Oder im Falle Covid-bald-’20, ein Wirtschaftliches.

  • Pingback: Anliegen gutgeheissen – Beschwerde abgewiesen – Medialex,

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...