Kommentar

NZZ, Frauen- und Menschenrechte

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine ©

Robert Ruoff /  Es gibt noch radikal liberale Texte in der «Neuen Zürcher Zeitung».

Es geht stürmisch zu bei der «Neuen Zürcher Zeitung». Sie soll an Blochers Zügel kommen und für das kommende Wahljahr zum stramm rechts-bürgerlichen SVP-FDP-Wahlmotor getrimmt werden, besagen die Gerüchte nach dem Rücktritt von Chefredaktor Markus Spillmann. Chapeau, Herr Kollege!

Zum Zeitpunkt, zu dem ich diesen Text schreibe, kursieren vor allem Latrineninformationen, Spekulationen oder spekulative Analysen. Also noch nicht mehr als die Nebel, die aus der heissen Gerüchteküche wabern. Glaubwürdigkeit haben sie, weil sie in der Logik der «Freunde der NZZ» liegen, also der Freunde Christoph Blochers und der SVP. Die finanzkräftige Gruppe versucht seit Jahren, die ausschliessliche Bindung der NZZ an die FDP abzuschaffen.

Es mag an diesen Turbulenzen in und um die NZZ liegen, dass ein Text aus der vergangenen «NZZ am Sonntag» (vom 6.12.2014) mehrere Tage brauchte, bis er schliesslich online verfügbar war. Dabei ist es eine wohlbegründete Meinungsäusserung, die der freisinnig-liberalen Tradition der Zeitung alle Ehre macht (um welche gegenwärtig nicht Wenige fürchten). Und die ein Beispiel vorzüglicher Publizistik abgibt. Im Unterschied zum üblichen «Bilaterallallalla» von Politikern und Medienschaffenden, das niemand versteht, gelingt es dem Verfasser, ein abstraktes und komplexes und doch gar wichtiges Thema so anschaulich zu machen, dass sogar die Stadt- und Landfrauen, die eingefleischten Protestanten und Katholiken und selbst die Geschädigten des Dichtestress in den Agglomerations-Vorgärten sich angesprochen fühlen können. Darum reiche ich den Hinweis für die engagierte Leserschaft von «Infosperber» noch nach, obwohl der Text schon eine Woche alt ist. Also das gängige Verfalldatum der Aktualität längst überschritten hat.

Der Beitrag stammt von einem Universitätsprofessor. Der national und international bekannte Schweizer Historiker Thomas Maissen, zurzeit Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris, schreibt ihn unter dem Titel: «Die Frauen verdanken ihr Stimmrecht der EMRK». (der Titel stammt wahrscheinlich von einem NZZ-Redaktor, deshalb hier die Auflösung: EMRK heisst: Europäische Menschen-Rechts-Konvention). Und er arbeitet mit Beispielen, die uns alle betreffen. Er erinnert uns daran, dass möglicherweise die knappe Mehrheit der Schweizer bis heute kein Stimmrecht hätte – nämlich die Schweizerinnen –, wenn nicht selbige (die Schweizerinnen) mithilfe der EMRK (siehe oben) kräftig Druck gemacht hätten. Und ähnlich ging es mit dem Jesuitenverbot und dem Verbot der Wieder-Errichtung von Klöstern, die ebenfalls mit dem Hinweis auf die EMRK aus der Bundesverfassung gestrichen wurden. (Vielleicht sollte ich in diesem Zusammenhang politische Zurückhaltung üben und nicht an das Minarettverbot erinnern, das wohl auch noch in Strassburg behandelt werden wird). – Die Minderheit der Katholiken hat also wie die Frauen-Mehrheit der Bevölkerung von der EMRK profitiert. An diese und andere schöne Dinge erinnert uns der Schweizer Historiker Thomas Maissen, zum Beispiel auch noch an «den Richter im Ehebett».

Ich empfehle nicht nur deshalb den Beitrag in der jüngst erschienenen «NZZ am Sonntag» angelegentlich zur Lektüre. Wir wissen auch nicht, wie lange die NZZ diesen entschieden liberalen Geist gegen den überhand nehmenden «rechts-bürgerlichen» Populismus und die schiere Macht des Geldes noch pflegen kann. Wie lange wir also solch klare Lektüre zugunsten der Menschenrechte in der NZZ noch geniessen können.


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2 Meinungen

  • am 14.12.2014 um 16:58 Uhr
    Permalink

    Keine Meinung, bloss eine kleine Richtigstellung: «Die Minderheit der Katholiken» ist mittlerweile (und schon eine kleine Weile) eine Mehrheit; wie eben (seit eh und je) diejenige der Frauen.

  • am 14.12.2014 um 19:36 Uhr
    Permalink

    Die ‹ausschliessliche Bindung an die FdP› ist eine Mär. Sie gilt noch einigermassen für die eingetragenen NZZ-Aktionäre. Aber seit den Zeiten von Fred Luchsinger und Hugo Bütler nicht mehr für das Redaktionelle. Das vormalige ordnungspolitische Gewissen der «NZZ», Gerhard Schwarz, hat der FDP viel öfter den Spiegel vorgehalten als nach deren Pfeife getanzt. Und wie jemand auf die Idee kommen kann, den Inhalt des Feuilletons auch nur am Rande mit einem Einfluss der FDP in Beziehung zu bringen, entzieht sich jeder Empirie.

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