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Eines der letzten Exemplare der Telefonhäuschen © cc Metro Centric

Lebewohl alte Telefonkabine

Heinz Moser /  Den Telefonkabinen hat bald das letzte Stündlein geschlagen. Ihr schleichendes Verschwinden zeichnet sich schon seit 2000 ab.

Den Telefonkabinen der Swisscom geht es an den Kragen. Im neuen Fernmeldebericht des Bundesrats bezweifelt dieser, ob die Kabinen nach 2018 noch zur Grundversorgung des Service public gehören müssen. Schon jetzt ist der Abbau rasant. Von 13’000 Kabinen im Jahr 1998 gab es anfangs dieses Jahres nur noch 3’200.

Telefonieren im Wandel der Zeit

Dabei war die Karriere der Telefonkabine eng mit der Entwicklung des Telefons verknüpft. Wer nicht wohlhabend war oder ein solches Gerät für seinen Betrieb benötigte, blieb noch weit ins 20. Jahrhundert ohne Telefon. Im Kolonialwarenlädeli nebenan, durfte man manchmal auch telefonieren, wenn es pressierte. Und die Inhaberin holte auch einmal eine Nachbarin ans Telefon, wenn sie im Laden angerufen wurde.

Mit den Telefonkabinen erhielt dann jedermann quasi einen öffentlichen Anschluss. Zu verabredeten Zeiten konnte man sich sogar in einer Telefonzelle anrufen lassen. Ging man in die Ferien, war die Telefonkabine oft die einzige Möglichkeiten, Eltern und Familie zu berichten, wie es einem ging. Doch auch das war an Urlaubsorten nicht so einfach: Erst einmal musste man eine Kabine finden und landete dann in einer langen Schlange von Feriengästen, welche dieselbe Absicht verfolgten.

Mobil und privat

Das war der Beginn der mobilen Kommunikation. Allerdings trug man das Telefon nicht bei sich wie heute beim Handy, sondern man musste selbst die Kabine aufsuchen, welche über alle Grenzen hinweg die Verbindung ermöglichte. Und kurz hatten die Gespräche auch zu sein, weil es sonst rasch teuer wurde.

Die Telefonkabine steht zudem für eine Zeit, in welche die Privatsphäre in der Öffentlichkeit noch etwas galt. Man konnte in dem kleinen Häuschen verschwinden und ganz ungestört vor neugierigen Ohren mit seinen Liebsten plaudern. Mit dem Handy hat sich das total verändert. Da gibt es keine Zuflucht mehr für das Private. All jene, die im vollen Zugsabteil zu telefonieren beginnen, wollen aber auch ganz bewusst und in voller Lautstärke die Mitreisenden wissen lassen. «Hallo, Schätzli, bin in einer Viertelstunde da. Du holst mich doch mit dem Cabrio am Bahnhof ab.»

Telefonkabinen und der Service public

Für die neue mobile Kommunikation der Handys gibt es keine Privatheit in dem alten Sinn mehr. Von überall und in allen Situationen kann man telefonieren, SMS schicken oder auf WhatsApp chatten. Schon seit 2000 zeichnet sich deshalb ein schleichendes Verschwinden der Telefonkabinen ab. Die Neue Zürcher Zeitung titelte 2001: «Telefonkabinen – eine bedrohte Spezies».

Es half auch nichts, dass sich die alte Telefonzelle an die neue Zeit anzupassen versuchte. Öffnete man die Türe solcher moderner Kabinen, wurde man mit Musik begrüsst und der Stapel von Telefonbüchern, wo die entscheidenden Seiten fast immer schon herausgerissen waren, war durch eine Nummernsuche am Bildschirm ersetzt.

Anstrengungen, den Service public der öffentlichen Telefonzellen zu retten, gab es auch von politischer Seite. Noch 2012 versuchte der Walliser Nationalrat Roberto Schmidt zu retten, was nicht mehr zu retten war. Er hielt in einem Postulat fest: «Die Swisscom optimiert heute ihren Gewinn auf Kosten des Service public! Sie bricht jährlich Hunderte von öffentlichen Telefonkabinen ab (2010 insgesamt 631), weil sie aufgrund der Zunahme der Mobiltelefonie weniger genutzt und angeblich unrentabel werden». Gestützt auf die Verordnung über Fernmeldedienste sollte danach die Swisscom verpflichtet werden, in allen Ortschaften und grösseren Siedlungen wenigstens eine öffentliche Sprechzelle zu betreiben.

Ein Service ohne Publikum

Doch was soll ein Service Public, wenn «Public» fehlt? In der Schweiz gibt es heute über 1000 Telefonkabinen, die mehrere Tage lang leer stehen, weil sie keiner mehr braucht. Da gibt es nicht mehr viel an Gewinn zu optimieren. Aufgeschmissen ist man heute nicht einmal mehr, wenn man sein Handy einmal vergessen hat. Wenn die meisten Leute ohnehin schon kostenlos in alle Netze telefonieren, dann kann man in der Not jeden fragen, ob er kurz mal sein Handy ausleiht.

Dennoch darf ein wehmütiger Nachsatz nicht fehlen: Ja, liebe Telefonkabine, du warst uns durch das halbe Leben ein willkommener Begleiter, aber jetzt gilt es definitiv Abschied zu nehmen. Und wem das Feeling der alten Telefonkabinen fehlt, der findet auf Webseiten wie Ebay nostalgische Holz-Nachbauten der roten englischen Kabinen, die man zuhause als Büroschrank oder Büchergestell aufstellen kann.


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2 Meinungen

  • am 28.11.2014 um 14:46 Uhr
    Permalink

    Ich hätte da einen vorschlag, bzw. wunsch: warum nicht einige kabinen in stadt- und dorfzentren oder bei bahnhöfen zu freien leihbibliotheken umfunktionieren? Es genügt einfache büchergestelle einzubauen, wo jedermann seine ausgelesenen bücher ablegen und sie so der allgemeinheit zugänglich machen kann. Die idee stammt gerade aus england, wo viele der charakteristischen roten kabinen so umgenutzt werden. In Lugano wurde vergangenen sommer ermuntert, im Stadtpark die zur verfügung gestellten liegestühle zum lesen zu benutzen und allfällige ausgelesene bücher für andere besucher liegen zu lassen.

  • am 2.12.2014 um 20:39 Uhr
    Permalink

    Die Idee, ausgediente Telefonkabinen als öffentliche Bücherschränke zu benutzen, ist gar nicht mal so neu. In Wikipedia gibt es eine Liste «öffentlicher Bücherschränke» (http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_öffentlicher_Bücherschränke) und unter Wikimedia eine Bilder- und Videosammlung (http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Public_bookcases?uselang=de) mit zahlreichen Beispielen für umgenutzte Telefonkabinen und viele weitere Bau- und Nutzungsformen.
    Die Idee für öffentliche Bücherschränke stammt vom Aktionskünstler-Duo Clegg & Guttmann, die 1991 in Graz, später auch in Mainz erstmals Bücherschränke zur freien öffentlichen Nutzung zur Verfügung stellten. Ab Ende der 90er Jahre verbreitete sich die Idee rasch weiter, vor allem in Deutschland, wo inzwischen sicher mindestens 500 Schränke in fast allen grösseren (und auch in vielen kleinen) Städten stehen.
    Auch in der Schweiz stehen mittlerweile einige Schränke, so in Basel (2011), Solothurn (seit 2011 an den Literaturtagen, ab 2012 in der Stadt), in Olten (2013), Aarau (2014) und etliche «kleinere» Schränke. Weitere Projekte sind in Vorbereitung.
    Unser Schrank in im Kreuzackerpark in Solothurn erfreut sich eines sehr regen Zuspruchs; an guten Tagen werden 100 und mehr Bücher umgesetzt. Vandalenakte waren bisher keine zu beklagen; die Feedbacks der BenutzerInnen sind durchweg positiv, Und auch den ehrenamtlich tätigen BetreuerInnen macht Ihre Arbeit viel Spass. Mehr unter http://www.buecherschrank-so.ch.

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