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Ernte von Elefantengras (Miscanthus) © Hamsterdancer/CC BY-SA-3.0

Energie aus Elefantengras

Urs Oskar Keller /  Miscanthus ist eine effiziente Energiequelle. Ein Thurgauer stellt daraus Pellets her und hofft, dass bald mehr damit geheizt wird.

In Brasilien umweltfreundliche Energie produzieren, aus Rohstoffen, die vor Ort im Überfluss vorhanden sind: Das war die Idee von Peter Louis Model. Der 77-jährige Thurgauer Papieringenieur lebt heute vorwiegend in der Stadt Barbacena im Südwesten Brasiliens. Mit zwei Geschäftspartnern betreibt er im kleinen Ort Ressaquinha im Bundesstaat Minas Gerais das Unternehmen «Biofogo». Die Fabrik mit zehn Angestellten produziert Holzschnitzel, Briketts und Pellets. Das Besondere daran: Neben zerhäckselten Baumstämmen wird auch Elefantengras (Miscanthus) zu Brennmaterial verarbeitet.

Der Thurgauer Investor und Ingenieur Peter Louis Model setzt in Brasilien auf nachwachsende Energie. Bild: Urs Oskar Keller
Umweltfreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen
Elefantengras, auch als Chinaschilf bekannt, bietet beste Voraussetzungen für die Nutzung als Energielieferant. Laut Wissenschaft gibt es keine andere Pflanze, die so effizient Biomasse produziert wie dieses Süssgras. Die bambusähnliche Pflanze gilt als relativ anspruchslos, dennoch wächst sie rasend schnell. Manche Sorten schiessen täglich bis zu 5 Zentimeter in die Höhe und sind bis zur Ernte drei bis vier Meter gross.
Miscanthus wird nicht gesät, sondern in Form von knollenartigen Rhizomen gesteckt. Einmal ausgepflanzt, kann ein Feld etwa 15 Jahre lang beerntet werden. Miscanthus gehört wie der Mais, zu den C4-Gräsern. Diese Pflanzen zeichnen sich durch eine besonders effektive Photosynthese aus. Das bedeutet: Sie können Nährstoffe und Wasser besser nutzen als die meisten anderen Pflanzen. Ein Hektar Miscanthus bindet zudem jährlich 30 Tonnen Kohlendioxid, ist also ist ein hervorragender CO2-Killer.
Elefantengras wird trocken geerntet, gehäckselt und dann zu Briketts oder Pellets gepresst. Der Heizwert entspricht ungefähr jenem von Holz. Ein Hektar Elefantengras liefert grob geschätzt so viel Energie wie 6000 Liter Heizöl. «Wir produzieren umweltneutral», erklärt Peter L. Model stolz.
Keramikfabriken und Pizzaöfen
Rohstoffe für Brennmaterial wachsen «quasi vor der Fabrik», wie Model sagt. Die Firma Biofogo liess drei Hektaren der besonders starkwüchigen Sorte Miscanthus×giganteus anpflanzen, und in der Gegend um Barbacena wachsen viele Eukalyptusbäume. Eukalyptus wird in Brasilien seit vielen Jahren grossflächig und erfolgreich auf Plantagen kultiviert.
Potenzielle Abnehmer des Brennmaterials sind die zahlreichen Keramik- und Zementfabriken der Region. Für die energieaufwändige Produktion würden sich getrocknetes Sägemehl aus Eukalyptusholz und Holzpartikel bestens eignen, sagt Model. Pellet-Feuerungen seien nicht nur umweltfreundlicher als Öl oder Gas, sondern bezogen auf den Heizwert sei das Brennmaterial auch 30 Prozent günstiger.

Holzpartikel und Pellet aus Eukalyptus. Bild: Urs Oskar Keller
Als weiteren Absatzmarkt hat der Thurgauer Unternehmer die zahlreichen Restaurants mit Pizzaöfen im Visier. Davon gibt es allein in der 11-Millionen-Stadt São Paulo 1500. Beim Verbrennen der Briketts und Pellets aus Chinaschilf entstehe nur wenig Rauch, «deshalb kann man sie prima auch für die Heizung oder den Kamin nutzen», sagt Model.
Pellets aus Hühnermist
Peter L. Model hat in das Unternehmen Biofogo viel investiert. Auf einem etwa 70’000 Quadratmeter grossen Gelände der ehemaligen (Schweizer) Gerberei Truninger in Ressaquinha wurde eine offene Lagerhalle gebaut, Spezialmaschinen zum Verarbeiten des Holzes mussten angeschafft werden. Derzeit testet das Unternehmen den Prototyp einer Schweizer Pellet-Pressmaschine, die Model künftig in Brasilien herstellen lassen und weltweit vertreiben möchte. Ob sich die Investitionen gelohnt haben, werden die nächsten Monate zeigen. Der Ostschweizer Investor und Optimist hofft, bereits 2016 aus den roten Zahlen herauszukommen. Die Währung (Real) ist stark abgewertet, die Inflation beträgt etwa 11 Prozent.
Doch der umtriebige Geschäftsmann aus dem Thurgau hat noch viele Pläne. Sein nächster Coup: Er möchte Landwirtschaftsbetriebe, insbesondere die grossen Hühnerfarmen der Region mit frischem Holzstreu beliefern. Später soll der Streumist aus den Ställen abgeholt und zu Pellets verarbeitet werden. «Eine in jeder Hinsicht ökologische Sache», wie Model sagt. Der einzige Haken: Fabrikbesitzer und Landwirte in Brasilien sind bislang skeptisch und wenig umweltfreundlich eingestellt. Sie müssten erst noch überzeugt werden von den Vorzügen der nachwachsenden Rohstoffe vor ihrer Haustür.

Dieser Beitrag erschien zuerst im St. Galler Tagblatt.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Urs Oskar Keller ist freier Journalist und Fotograf BR und lebt am Bodensee. www.urs-ok.ch

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