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Alpen-Elvis Andreas Gabalier: «Volks-Rock'n'Roll» mit Lederhose und Dirndl © ip|media

Rock’n’Roll im «Trochtngwandl»

Heinz Moser /  «Volks-Rock'n'Roller» Andreas Gabalier zelebrierte am Samstagabend seine TV-Show. Ein krachlederner Mix aus Heimatkitsch und Pop.

Fernsehtrailer haben in den letzten Tagen für den 6. September 2014 penetrant ein «Jahresereignis» angekündigt: die Samstagabend-Show des Steirischen Musikanten Andreas Gabalier, der angeblich den «Volks-Rock’n’Roll» erfunden haben soll.
Doch wozu braucht es einen speziellen «Volks-Rock’n’Roll» und was ist das eigentlich? Rockmusik war immer populäre Musik der Underdogs, der Schwarzen und der Unangepassten; oder probates Mittel von Jugendlichen, mit diesem «Lärm» die Erwachsenen zur Weissglut zu treiben. In Gabaliers Show für «Jung und Oit» war davon nichts zu hören. Es traten einige ältere und jüngere Popstars auf, von Peter Kraus über Status Quo bis zu den Scorpions, die mit oder ohne Mitwirkung des selbsternannten «Alpen-Elvis» ihre Songs brav herunterspielten. Dies vor einer Kulisse von «Madeln», die in ihren Dirndln euphorisch schunkelten und den «Lederhosn-Jodler» anschmachteten.
Man könnte das auch als totale postmoderne Beliebigkeit bezeichnen: Wer sich aus der Popszene gegen ein gutes Honorar für einen Auftritt in der Gabalier-Show breitschlagen lässt, ist dann eben ein «Volks-Rock’n’Roller».
Alpen-Kitsch vor Zuckerguss-Kulisse
Das bayerisch-schwäbische Füssen mit seinem Zuckerbäckerschloss Neuschwanstein bildete die passende Kulisse für den pompösen Kitsch der TV-Show. Genauso wie im 19. Jahrhundert Neuschwanstein eine endgültig vergangene Zeit wiederbeleben wollte, tut das auch die Veranstaltung von Gabalier. Der Musikantenstadl hat den deutschen Schlager eingemeindet, Gabalier versucht dies nun mit der Rockgeschichte. Peinlich, wenn er dies mit einem eingebauten Road Movie unterstreicht, das zu den Wurzeln von Jerry Lee Lewis führt. Gabalier besucht diesen älteren Herrn in Amerika, der kaum mehr in der Lage ist, sich mit Worten des österreichischen Tausendsassas zu erwehren. Der klimpert solange einen eigenen Song auf dem Klavier, bis Jerry Lee Lewis ihn gut findet.
Sexistische Jägerromantik mit braunen Nebentönen
Die amerikanische Rocklegende hätte sich sicher gewundert, welches grauslige Weltbild mit Jägerromantik aus dem 19. Jahrhundert die Songtexte von Gabalier zum Ausdruck bringen. Da röhrt der männliche Hirsch mächtig: «Bin a 12ender Hirsch sing a liad fia di, sog zum Sweet Little Rehlein so liab hobi di…» Aber natürlich sind die Madeln liab und die Lederhosn-Buam fesch, und der österreichische Troubadour singt: «So a liabs Rehlein mit himmelblaue Augen hob i übahaupt no gor nie gsehn. Du host mi anglocht mi um mein Verstand brocht und schon wors um mi gschehn.» 
Dass man von solchen Texten um den Verstand gebracht wird, versteht sich von selbst. Da ist schon Gölä mit seinen Büezer-Texten ein Volksrocker von anderem Kaliber; und schon fast hohe Literatur ist es, wenn er in seiner Liebeserklärung schreibt: «Über Liebi weiss i nid viu biude mir ii ig sig guet im Bett Derbi verstahni nüt vo däm Spiu u scho gar nid was e Frou wi du äch wett.»
Ob das konservative Weltbild von Andreas Gabalier sich lediglich der Klischees des 19. Jahrhunderts bedient, untersucht ein Artikel in der deutschen TAZ. Er ortet beim Cover zum Album «Volks-Rock’n’Roller» eine Leni-Riefenstahl-Bildsprache und vermutet darauf eine Körperpose, die an ein Hakenkreuz erinnert. Der Verweis zum Nationalsozialismus mag übertrieben sein, aber die penetrante Heimattümelei des Volksrockers, der sich auf der Bühne zum österreichischen Ritter schlagen lässt, und die «Blut-und-Boden»-Ideologie in Songtexten wie «Meine Heimat», «Heimatsöhne», «Vergiss die Heimat nie», gibt zu denken.*
Quote vor Qualität
Die grossen Samstagabend-Shows sind in die Krise gekommen – spätestens seit Markus Lanz bei «Wetten, dass» mangels Quote das Handtuch geworfen hat. Neue Formate sind gefragt. So durfte jetzt halt Senkrechtstarter Gabalier seine Lederhosen-Show vor dem alpenländischen Publikum von ARD, ORF und SRF präsentieren.
Gemäss der Website Quotenmeter sahen immerhin 3,36 Millionen Zuschauer allein bei der ARD die Show. Besonders erfreulich sind gemäss Quotenmeter die Werte der 14- bis 49-Jährigen, nämlich 9,3 Prozent bei insgesamt 0,79 Millionen Fernsehenden. Das zeigt, dass mit «Volks-Rock’n’Roll» nicht nur ein kleines Nischenpublikum angesprochen wird. Es zeigt aber auch, dass das vielgelobte öffentlich-rechtliche Fernsehen Sendungen produziert, die den schlechten Geschmack der privaten Sender noch toppen – wenn nur die Quote stimmt.

NACHTRAG
Auf SRF-TV sahen 265’000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Volks-Rock’n’Roll-Show. Das waren 26 Prozent aller, die Fernsehen schauten. Unter den 25-59-Jährigen waren es 181’000 oder 25 Prozent aller dieser Altersklassen, die den Fernseher an diesem Samstag Abend laufen liessen.

* In der österreichischen Nationalhymne werden seit zwei Jahren nicht nur die «Söhne», sondern die «Töchter und Söhne» des Landes besungen. Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek machte auf ihrer Facebook-Seite den Volksmusiksänger Andreas Gabalier darauf aufmerksam, weil dieser sich geweigert hatte, den neuen Text zu singen.

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5 Meinungen

  • am 9.09.2014 um 12:33 Uhr
    Permalink

    Ich gehöre nicht zu den speziellen Gabalier Fans. Aufgrund der Ankündigungen habe die Show mitverfolgt und man glaubt es kaum: Ich fand diese sackstark. Aber dies wird der Autor des Artikels kaum nachvollziehen können. Er sonnt sich lieber in einer Kritik, die an Bösartgkeit kaum mehr zu überbieten ist.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 10.09.2014 um 11:11 Uhr
    Permalink

    "Leni-Riefenstahl-Bildsprache» würde an Sergej M. Eisenstein erinnern, von dem sie zum Teil abgekupfert ist, gibt es im Fernsehen auf diesem Niveau kaum. L.R. war die schlechteste deutsche Filmemacherin mit Ausnahme aller anderen und die einzige, die man in 100 Jahren noch erwähnt.

  • am 11.09.2014 um 13:27 Uhr
    Permalink

    Ich bin einverstanden mit Peter Gadient. Was will Pirmin Meier sagen?

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.09.2014 um 21:08 Uhr
    Permalink

    Der Vergleich einer Fernsehshow mit Riefenstahl war sehr billig.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 12.09.2014 um 18:38 Uhr
    Permalink

    PS. Wer hochbegabt ist wie die Riefenstahl, oder genial wie Le Corbusier, vor solchen Leuten muss man selbstverständlich nicht «auf dem Bauch liegen"; es ist selbstverständlich für einen Lehrer der Ethik, dass Genie auch eine sittliche Aufgabe ist. Respekt vor dem Können bleibt aber selbstverständlich, und auf ihre Weise hat Riefenstahl auf mehr als einem Gebiet zur «Emanzipation», im mindesten aber zum Durchbruch der Frau in hochtechnischen Kunstsparten wie Film und Fotografie beigetragen. Dass das Fernsehen beispielsweise mit den neuesten Nacktshows nicht Riefenstahl-Niveau hat, «wird man wohl noch sagen dürfen».

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