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«Official Broadcaster» (rot umrahmt) sollte informieren, dass der Beitrag von der FIFA kommt © srf

Ombudsmann rügt WM-Berichte von TV SRF

upg /  Während der WM hatte das Schweizer Fernsehen täglich Werbematerial der FIFA ausgestrahlt, ohne dies deutlich zu vermerken.

Dem Schweizer Fernsehen wirft SRG-Ombudsmann Achille Casanova «mangelnde Transparenz» vor, weil Zuschauerinnen und Zuschauer nicht klar erkennen konnten, dass täglich ausgestrahlte Berichte über Brasilien und die WM ausschliesslich von der FIFA stammten.
Damit gab der Ombudsmann der SRG, Infosperber recht. Unter dem Titel «SRF TV macht FIFA-Propaganda nicht transparent» entlarvten wir die einseitige Lobhudelei der WM und die angeblich uneingeschränkte Begeisterung der Brasilianer über die neuen Stadien und die WM als Werbefilme der FIFA.
TV SRF wollte seine Rolle nicht offen legen
Auf Anfrage von Infosperber hatte die Sportabteilung SRF im Juni verschwiegen, dass sich das Fernsehen gegenüber der FIFA vertraglich verpflichtet hatte, dieses Propaganda-Material auszustrahlen. «SRF bezahlt (an die FIFA Red.) nicht mehr oder weniger, wenn sie (die Beiträge Red.) gesendet werden oder nicht», erklärte die SRF-Medienstelle und weckte damit den falschen Eindruck, dass SRF die Beiträge auch nicht hätte ausstrahlen können.
Selbst in einer ausführlichen Stellungnahme von Notker Ledergeber, «Programmreferent Sport Leitung», zu Handen des Ombudsmanns informierte die Sportabteilung unter Leitung von Urs Leutert nicht darüber, dass die SRG sich gegenüber der FIFA zur Ausstrahlung verpflichtet hat. Erst auf ausdrückliche Nachfrage Casanovas rückte die Sportabteilung endlich mit der Wahrheit heraus: «Die SRG hatte die Verpflichtung, 25 Magazine zu 30 Minuten auszustrahlen».
Inhalt der Magazine
Die täglichen Magazine um 13.10 auf SRF 2 enthielten praktisch ausschliesslich Tourismus-PR für Brasilien und ein Hochjubeln der FIFA-WM. Die Sendungen führten in verschiedene Gegenden Brasiliens, stets mit den schönsten Stränden und Attraktionen. Die FIFA interviewte Leute von der Strasse, die sich von der WM ausnahmslos begeistert zeigten. Diese «Zeugen» durften versichern, dass es nicht so sei «wie die Medien über Brasilien geschrieben haben». Das Leben sei toll, die neuen Stadien absolut super und die Freude riesengross. Der Fussball verbinde und vereine die Völker.
Ombudsmann Casanova: «Eine einzige Lobeshymne»
Kurze Reportagen zeigten, wie die Natur geschützt wird. Favelas (Armenviertel) gebe es zwar, aber es werde alles besser. Mit Vorzeige-Beispielen wurde dies «belegt».
Jetzt schreibt Ombudsmann Casanova in seiner Stellungnahme: «Der Beitrag vom 12. Juni war eine einzige Lobeshymne für die WM in Brasilien und übermittelte den Eindruck, wonach sämtliche Brasilianer und Brasilianerinnen von der WM in ihrem Land begeistert seien.»
Infosperber-Leser gelangte an Ombudsmann
Ombudsmann Casanova musste Stellung nehmen, weil Infosperber-Leser Gabor Balazs beanstandet hatte, dass erstens die FIFA-Beiträge nicht klar genug als solche gekennzeichnet waren, und dass zweitens solche Beiträge die Fernsehkonzession verletzen würden.
Im ersten Punkt gab Casanova dem Beanstander recht: Die Sportabteilung hatte nicht transparent genug übermittelt, dass es sich um eine Produktion der FIFA und nicht der SRG handelte. Die Sportredaktion wollte sich herausreden: Eine Deklarationspflicht «würde ad absurdum dazu führen, dass sämtliche Live-Sportprogramme und Sportmagazine deklariert werden müssten.» Die Zuschauerinnen und Zuschauer hätten auch merken können, dass die Mikrofone bei den Interviews mit Leuten auf der Strasse oder mit Prominenten der Gesellschaft keinen «SRF-Mikrofonschutz» trugen. Es müsse allen klar gewesen sein, «dass SRF Sport unmöglich alle diese Bildaufnahmen und Interviews selber realisiert haben dürfte».
Ombudsmann Casanova stellte jedoch fest, dass «keine Einblender zu sehen waren, die das fremde Bildmaterial als solches kennzeichnen würden». Beiträge mit dem FIFA-Signet zu versehen «genügt nicht, um zu vermitteln, dass es sich um einen durch die FIFA realisierten Beitrag handelt». Auch der Sendetitel «FIFA WM-Preview» habe nicht genügt, weil das Publikum «ständig mit der Bezeichnung FIFA konfrontiert war». Und Casanova kritisierte das gleiche wie Infosperber: In den Filmtexten wurde «ständig von ‹wir› gesprochen. Unter ‹wir› verstehen die meisten Zuschauenden ‹Schweizer Fernsehen› und nicht ‹FIFA›».
Der Ombudsmann stellt auch fest, dass es sich bei diesen Magazinen nicht um die Übertragung von Sportevents handelte, «sondern um die aus dem Blickwinkel der FIFA aufgearbeiteten News, Portraits und Geschichten zu den Mannschaften und Spielern der WM». Und, kann man anfügen, um viele PR-Berichte über die brasilianische Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive der Bagatellisierung von Slums.
«Bedenkliche Entwicklung» sei konzessionskonform
Die Ausstrahlung selber der 26 täglichen FIFA-Magazine beanstandet Ombudsmann Casanova nicht. Er erinnert an Aussagen von Sportchef Urs Leutert: «Der Trend zur totalen Kontrolle (der FIFA und der Fussballverbände. Red) ist an einem problematischen Punkt angelangt». Bisher hätten die Verbände Technik und Aufnahmen in eigener Verantwortung hergestellt. Neustens «wollen diese mächtigen Verbände immer mehr auch die Inhalte bestimmen», hatte Leutert in einem Interview mit der Aargauer Zeitung erkärt. Sogar ARD/ZDF durften Trainingsbilder der deutschen Nationalmannschaft nicht selber drehen, sondern mussten die Sequenzen übernehmen, die der deutsche Fussballverband gedreht hatte. Immerhin haben ARD und ZDF beim Deutschen Fussballverband nach der WM gegen diese Praxis Protest eingelegt. Von einem Protest der SRG war bis heute nichts zu hören.
Doch diese «bedenkliche Entwicklung» habe eben dazu geführt, sagt Ombudsmann Casanova, dass sich auch SRF gezwungen sah, die Magazine auszustrahlen. Die Sportabteilung argumentierte, dass sie das Material geprüft habe und zum Schluss gelangt sei, dass die Magazine «die redaktionellen und publizistischen Mindestanforderungen bei weitem erfüllen». Begründung: Die FIFA-Magazine hätten «unterhaltende wie auch informative Elememte serviert».
Das tut allerdings jede gute Werbung und jede gute PR.
Trotzdem sieht der Ombudsmann keine Verletzung der Programmvorschriften, weshalb die Ausstrahlung der Beiträge innerhalb der Programmautonomie von Radio und Fernsehen gelegen habe. Gerügt hat Casanova lediglich die «mangelnde Transparenz».
Der Infosperber-Leser und Beanstander gibt sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und bereitet eine Popularbeschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI vor.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 23.08.2014 um 09:51 Uhr
    Permalink

    Ich hatte mir mit dem damals neuen SRF-Direktor de Weck, der als Sternstunde Philosophie Moderator immer eine gute Figur gemacht hatte, eigentlich erwartet, dass solche Sachen besser statt schlechter würden. Peter-Prinzip (https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Prinzip)? Die nächste WM in Russland dürfte wegen der vermutlich noch grösseren Korruption und der politischen Lage noch viel schlimmer werden und das beste wäre, wenn SRF von dieser WM dann gar nichts übertragen würde, was nicht frei verfügbar ist. Stattdessen sind offenbar schon Verträge unterschrieben. Als Bezahler einer TV-Konzession bin ich dagegen und würde sie am liebsten stornieren.

  • am 7.11.2014 um 02:25 Uhr
    Permalink

    Ja, w a s macht eigentlich der GD der Schweizer Fernsehen, De Weck, in dieser Angelegenheit ? > Man nimmt ihn nie in irgendeiner Weise wahr. Die Schweizer Medien sind wirklich selbstherrlich: Oder a) sie lesen keine Kunden-Mails oder b) lesen sie kaum an, und wenn wieder eine Reklamation statt Lob, löschen sie diese gleich oder belegen sie mit dem Spam-filter. So gibts nie eine Reaktion oder Besserung darauf. Man fragt sich wirklich, wozu dem FS noch Mails senden.
    Es ist wirklich zum Verzweifeln mit diesen.

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