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Genmutierte Moskitos gegen Zika-Virus: Nur PR der Biotech-Firma wiedergegeben © srf

Gen-Mücken: «10vor10» lässt sich billig abspeisen

Urs P. Gasche /  Die SRF-Nachrichtensendung hält anonymer Firmenvertreterin das Mikrofon hin, ohne die erhaltenen Aussagen zu hinterfragen.

Zuerst das Erfreuliche: Die TV-Sendung «10vor10» informierte am 4. Februar eindrücklich über die mehreren Tausend Babys, die in Brasilien mit Mikrozephalie auf die Welt kommen. Es handelt sich um schwere, irreversible Missbildungen des Gehirns. Als Auslöser wird das Zika-Virus vermutet, obwohl dieses in den letzten Jahrzehnten fast nur zu grippe-ähnlichen Symptomen führte und nur ganz selten zu Mikrozephalie. In den menschlichen Körper gelangt das Zika-Virus durch Stiche weiblicher Moskitos, die vorher infektiöses Blut gesaugt hatten.

«Mit Gentech-Mücken gegen Zika-Viren»
Jetzt zum weniger Erfreulichen: Der «10vor10»-Bericht lief unter der Schlagzeile: «Mit Gentech-Mücken gegen Zika-Viren». Brasilien setze auf genveränderte Moskitos.
Tatsächlich setzt Brasilien in erster Linie auf Insektizide und Aufklärung.
Im Video-Beitrag, den SRF vom französischen Privatsender TF1 gekauft hatte und von Redaktor André Ruch bearbeitet wurde, war vor allem ein Lieferwagen der Firma Oxitec zu sehen, der Behälter mit genmutierten Moskitos zum Aussetzen geladen hatte. Eine – weder mit Namen noch Funktion vorgestellte – Vertreterin von Oxitec bekam Gelegenheit, den Nutzen ihrer Moskitos zu loben.

Nicht identifizierte Sprecherin im Oxitec-Lieferwagen (Bild srf)
Die einzige «kritische» Frage, die ihr gestellt wurde, lautete: «Die Methode wird von Gentechgegnern kritisiert?».
Was denn diese «Gegner» kritisieren, erfuhren die Zuschauenden nicht. Die unterschwellige Botschaft der «10vor10»-Redaktion: «Gegner» sind einfach dagegen und haben keine Argumente.*
So musste die Oxitec-Vertreterin auch auf keine Argumente eingehen. Keine Rede von der wenig wahrscheinlichen, aber nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass das Aussetzen genveränderter Moskitos, in grossem Stil seit 2015, eine Rolle spielt. Infosperber hat darüber berichtet. «The Ecologist» verlangt einen Stopp der Aussetzung genmutierter Moskitos, bis jedes Risiko ausgeschlossen ist.
Man muss sich vorstellen, wie Politik, Wissenschaft und Medien reagieren würden, wenn die mehreren Tausend an Mikrozephalie leidenden Babys nicht in armen Gegenden Brasiliens, sondern in Europa auf die Welt kämen. Es gälte Alarmstufe 1. Allen möglichen Ursachen für die plötzlich epidemisch auftretenden Missbildungen würde akribisch nachgegangen.

Stattdessen durfte die für die Zuschauenden anonyme Sprecherin einfach unwidersprochen behaupten, die Freisetzung der genveränderten männlichen Moskitos sei «nicht gefährlich, weil sie sich nur mit Weibchen der gleichen Art paaren und alle Larven sterben».
Tatsächlich jedoch überleben bis zu 15 Prozent der Larven, so dass die entstehenden genveränderten Weibchen durchaus infektiöses Blut saugen und stechen können. Das geht aus einem internen, vertraulichen Bericht der Oxitec selber hervor, der im Jahr 2012 an die Öffentlichkeit gelangte.

Weiter sagte die Oxitec-Sprecherin, dass allein in São Paulo alle paar Wochen 800’000 gentechnisch veränderte Mücken freigesetzt würden, um die Plage zu bekämpfen.
Keine Informationen darüber, dass Oxitec eine wenig kapitalisierte Tochtergesellschaft des US-Biotech-Konzerns Intrexon ist. Oxitec verfügt weder über genügend Kapital noch über eine genügende Haftpflichtversicherung für Grossrisiken, also um für grosse Schäden wie Mikrozephalie-Fälle aufzukommen. Ohne für mögliche Risiken zu haften, ist es einfach und billig zu behaupten, es gebe keine Risiken.
Fazit: Eine Vertreterin von Oxitec konnte «10vor10» und der Öffentlichkeit ihre genmutierten Moskitos «verkaufen», ohne dass deren Äusserungen hinterfragt wurden.
Gemäss den Publizistischen Leitlinien der SRG muss «10vor10» «Ereignisse und Entwicklungen nicht nur abbilden, sondern auch kritisch prüfen».

Nach Veröffentlichung des Infosperber-Berichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass genmutierte Moskitos an der Mikrozephalie-Epidemie mit schuld sein könnten, habe die Redaktion die Einschätzung der drei Wissenschaftler Pie Müller und Christoph Hatz in Basel sowie Alexander Mathis in Zürich eingeholt, teilte die Redaktionsleitung von «10vor10» Infosperber mit. Alle drei hätten die These als «gewagt» oder «abenteuerlich» bezeichnet. «10vor10» hat diese Aussagen nicht ausgestrahlt.

[*«10vor10» sei hinters Ohr geschrieben: Es gibt nicht nur (vorbehaltlose) Befürworter und (absolute) Gegner der Gentechnik. Es gibt auch noch Wissenschaftler, welche für eine vorsichtige Anwendung der Gentechnik plädieren, und solche, die zum Beispiel eine Haftung der Inverkehrsetzer wünschen.]


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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6 Meinungen

  • am 7.02.2016 um 13:32 Uhr
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    Auf die oberflächlichen Informationen von «10 vor10» kann ich wahrhaftig verzichten! Was nervt, dass man dafür auch noch bezahlen muss ( Billag-und andere Gebühren!)
    Ich hoffe, dass der sorgfältig, kritische Journalismus nie abgewürgt wird und weiterlebt, so wie der Ihre von Infosperber.

  • am 7.02.2016 um 15:10 Uhr
    Permalink

    Sie zahlen ja nicht für diesen einzelnen Beitrag, sondern für alle Angebote der SRG. Den kritisierten Beitrag hat «10vor10» – ausgerechnet – vom französischen Privatsender TF1 eingekauft, der einem Baukonzern gehört. Ich zahle lieber die Gebühr für eine starke SRG als mich von kommerziellen Privatsendern abspeisen zu lassen.

  • am 8.02.2016 um 21:45 Uhr
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    Dabei wäre gerade NACHFRAGEN bei Oxitec besonders wichtig! Die Zita-Geschichte ist meines Erachtens exemplarisch dafür, wie heute globale Gesundheitspolitik funktioniert. – Mehr über dieses «potente Virus» unter: http://offroadreports.ch/wordpress/virus-mit-potenzial/
    Zu erwähnen wäre zudem die zentrale Rolle und der Einfluss der Bill and Melinda Gates Stiftung…

  • am 16.02.2016 um 17:37 Uhr
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    Für Infosperber scheint bereits festzustehen, dass die mutierten Moskitos schuld sind, obwohl noch kaum greifbare Erkenntnisse darüber existieren, wie es überhaupt zur Entwicklung der Mikrozephalie kommt. Das ist kein seriöser Journalismus, sondern das fahrlässige Streuen von Verschwörungstheorien. Prosit «ConspiroSperber».

  • am 17.02.2016 um 09:22 Uhr
    Permalink

    @Sarkar. Da haben Sie aber unsere Berichte sehr schlecht gelesen. Ich habe wie der «Ecologist» und andere lediglich verlangt, dass keine genmutierten Mücken mehr ausgesetzt werden, bis eindeutig feststeht, dass sie mit der Mikrozephalie-Epidemie nichts zu tun haben. Worin soll denn eine «Verschwörung» bestehen?

  • am 17.02.2016 um 17:24 Uhr
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    @Gasche
    Ich habe Ihre Berichte sehr genau gelesen. Die Verschwörung besteht in der Doppelzüngigkeit. Zuerst kommt die Schutzformulierung «das sei zwar nicht erwiesen», dann wird der kausale Zusammenhang aber trotzdem suggeriert. Wie der Zusammenhang konkret aussehen könnte, bleibt aber mehr als vage. Und dann kritisieren Sie ein News-Magazin dafür, dass es nicht auf den Zusammenhang besteht. Wo ist denn überhaupt das Problem, wenn der Zusammenhang generell fragwürdig ist? Zudem wurde schon 1970 in einer Studie an Mäusen herausgefunden, dass Zika-Viren sich in Nervenzellen vermehren und diese zerstören können. Das Virus ist erst seit wenigen Jahren in Südamerika, konnte sich dank der heimischen Tigermücken aber extrem verbreiten, damit ist die Chance für folgenreiche Mutationen des Virus gegeben. Die mutierten Moskitos wurden hunderte Kilometer von den jetzigen Mikrozephalie-Hotspots entfernt freigesetzt. Angesichts der Tatsache, dass sich die Mücke in ihrer Lebenszeit nur wenige hundert Meter verbreitet und ihre Fortpflanzungsfähigkeit drastisch eingeschränkt ist, ist noch nicht einmal sicher, ob die mutierte Mücken an solchen Hotspots vorhanden ist.
    Darum ist das ganze hier sehr unseriös. Man sucht einen Sündenbock, hat aber kaum konkrete Hinweise, während anderen, plausiblen Möglichkeiten keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird – nota bene alles bevor verlässliche Forschungsergebnisse vorliegen.

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